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Swiss Made Software: Schweizer Autonomie für Drohnen
Quelle: Nordfen

Swiss Made Software: Schweizer Autonomie für Drohnen

Das ETH-nahe Start-up Nordfen will die Flugqualität autonomer ­Drohnen verbessern. Dabei werden Daten von Swisstopo genutzt.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2025/09

     

Nicht nur Autos sollen autonom fahren können, auch Quadrocopter und andere fliegende Drohnen. Auf diese Weise könnten Medikamente in Zukunft beispielsweise schnell durchs Fenster geliefert werden. Das ist der Traum. Ob und wie weit er sich realisieren lässt, ist unklar. Nichtsdestotrotz arbeitet das Schweizer Start-up Nordfen an der Umsetzung. Die Basis dafür ist unter anderem die Datenschatzkammer von Swisstopo. Auf dieser Basis baut das Unternehmen zurzeit eine Engine, die deutlich bessere Algorithmen liefern soll. Erste praktische Umsetzungen sind bereits am Laufen – unter anderem eine Flugsimulation mit Namen Semperfly (ab September auf Steam), die das Fliegen mit einer FPV-Drohne (First Person View) simuliert.

Lernen für die Autonomie

Die für Drohnen-Autonomie notwendigen Algorithmen werden in Simulationen trainiert. Durch zehntausende parallele Sessions werden sogenannte Edge-Cases, zum Beispiel unerwartete Kollisionen, identifiziert und Verhaltensweisen festgelegt. Standardmässig werden bekannte Gaming-Engines wie Unity oder Unreal verwendet. Das Problem dabei ist die Framerate – also die Anzahl Bilder pro Sekunde. Bei Unity und Unreal sind diese von der Grafikkarte abhängig und erreichen in visuell dichten Umgebungen maximal 250 FPS. Für Drohnen kommt der vergleichbare Wert aus der internen Inertialmesseinheit (IMU), die standardgemäss eine Taktrate von mindestens 8000 messen kann. Mit anderen Worten: Die Daten, die eine Drohne im Flug sammelt, sind von höherer Qualität und müssen mit den Algorithmen in Einklang gebracht werden, die aus einer Umgebung mit niedrigerer Qualität kommen.


Hier setzt Nordfen an: Simulair, so der Name der hauseigenen Engine, kann Umgebungen mit einer Taktrate von 8000 erstellen und die in der Engine simulierte Drohne nimmt diese dann auch so wahr. Kombiniert man dieses Upgrade mit der enorm hohen Datenqualität von Swisstopo, lassen sich bessere Algorithmen entwickeln, um die Sicherheit von Drohnen im Flug, im Schweizer Kontext, zu erhöhen. «Semperflys reale Taktrate hilft natürlich auch für Umgebungen ausserhalt der Schweiz. Wir haben bei uns einfach eine Luxus-Situation», erklärt Jack Kendall, Mitgründer und CEO.

Automobilbranche als Orientierung

Wie autonom eine Drohne in Zukunft sein kann, ist dabei natürlich eine grosse Frage. In der Automobilindustrie wurde eine Autonomieskala geschaffen: Assistiert, teilautomatisiert, hochautomatisiert, vollautomatisiert, autonom. Diese Begriffe beschreiben die fünf Stufen oder Level auf dem Weg zum autonomen Fahrzeug. Für jede Stufe gibt es repräsentative Technologien – zum Beispiel den Tempomaten für «Assistiert». Bei Flug­objekten fehlt diese Klassifizierung noch. Dies, weil diese Fahrzeuge in einem 3D-Raum unterwegs sind und die Technologie deutlich jünger ist. Die Regeln der Automobilbranche helfen dennoch bei der Orientierung. «Die Baseline kommt vom Menschen und von den lokalen Gesetzen.» Teile davon sind einfach. Zum Beispiel die Flughöhe oder auch die Einhaltung des Abstandes zu Flughäfen. «GPS ist dein Freund», so Kendall weiter.

Komplizierter wird es zum Beispiel in Bezug auf Menschenmassen. Eine Drohne von maximal 250 Gramm muss einen Abstand von 30 Metern einhalten. Die Problematik fängt hier schon bei der Erkennung der «Menschmasse» an. Gemäss EU sind es 100 Personen bei einer Dichte von zwei Personen pro Quadratmeter. Wie erkennt eine Drohne oder ein Mensch das? «Hier müssen wir noch Arbeit investieren, aber für die Branche wird das ein Schritt nach vorne», so Kendall. Die Software würde hier auch zunächst nur unterstützend wirken – ähnlich der Spurhaltung. Also dem Piloten anzeigen, wenn die Sicherheitsgrenze unterschritten wird.


Ein weiteres Anwendungsszenario ist der Nachtflug. Anhand von GPS ist ein gewisses Mass von Autonomie möglich. Was aber, wenn das ausfällt oder nicht praktikabel ist? «Der Pilot hat dann aus einer Höhe von maximal 150 Metern eine sehr begrenzte Sicht, um sich zu orientieren. In unserem Modell kann man das trainieren, eben weil wir sehr gute topo­graphische Daten haben.»

A apropos Training: Ein weiteres Anwendungsgebiet sind Testflüge für kommerzielle Drohnenpiloten. «Mit Drohnen kann man sehr schöne Filme machen, auch in urbanen Umgebungen. Stellt also eine Tourismusbehörde einen Piloten an, um einen Werbefilm zu machen, kann er die Route in unserem System probefliegen. Das spart Zeit und erhöht die Sicherheit», erklärt Kendall.

Das autonome Unternehmen

Die Weiterentwicklung der Engine ist zurzeit das Hauptanliegen von Nordfen. Dabei setzen die Jungunternehmer auf Bootstrapping. «Wir haben eine klare Vorstellung von der Unternehmensentwicklung und wollen das allein umsetzen.» Gleichzeitig gibt es viele Kontakte in die Industrie. «Wir haben die Drohne eines FPV-Startups in unsere Engine gepackt und konnten so die Möglichkeiten an einer Messe zeigen. Mit einer Drohne kann man da nicht rumfliegen.» Ein anderer Kontakt ist Armasuisse. Die Behörde testet zurzeit Semperfly zu Ausbildungszwecken und als Werkzeug für die eigene Drohnenforschung.


Zurzeit ist man zu siebt bei Nordfen und schaut gespannt in die Zukunft. «Das Drohnenthema ist sehr stark im Kommen, nicht zuletzt auch durch den vermehrten Einsatz in Konflikten.» Kendall sieht aber auch viele zivile Anwendungsmöglichkeiten – etwa für die einleitend erwähnten Medikamentenlieferungen. Spannend sei auch der Einsatz unter Wasser. «Hier gibt es viele Parallelen. Die Umgebung ist 3D und in der Schweiz hat man ein Faible für Messen und Aufzeichnen. Die Schweizer Seen können wir also auch abbilden.»


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