Besonders im Security-Umfeld sind gute Fachkräfte nach wie vor schwer zu bekommen. Ausserdem ist das Themenfeld breit und komplex – daher ist es sinnvoll und wünschenswert, junge Menschen für das Fachgebiet zu begeistern und ihnen einen einfachen, günstigen Zugang zu angemessenen Lehrmitteln bieten zu können.
Einer, der etwas davon versteht, was der Schweizer Security-Nachwuchs braucht, ist Manuel Bürge. Leserinnen und Lesern von «Swiss IT Magazine» dürfte Bürge bereits ein Begriff sein: Er ist der Coach des Schweizer Nationalteams bestehend aus Edward Booth und Philippe Dourassov, das an den WorldSkills 2024 (Berufsweltmeisterschaften) in der Kategorie Cybersecurity die Goldmedaille holte. Die beiden Interviews mit Gold-Gewinner Edward Booth und Coach Bürge finden sich in der Ausgabe 11/2024.
Neben seinem Engagement in der Nachwuchsförderung arbeitet Bürge hauptberuflich als Lead Cyber Threat Intelligence Analyst bei einer Schweizer Bank und verfügt über den Eidgenössischen Fachausweis als Cyber Security Specialist. Weiter ist er selbst seit vielen Jahren in der Hacker-Wettbewerbsszene aktiv und erfolgreich.
Erste Kurse verfügbar
Um die eingangs beschriebene Herausforderung von zugänglichen und bezahlbaren Lernangeboten für die Schweizer Cybersecurity-Szene zu adressieren, ging Bürge im Frühjahr 2025 mit der Lernplattform Endolum Academy unter der URL
Endolum.io an den Start. Hinter der Plattform steht seine ebenfalls 2025 gegründete Firma Endolum.
Die Plattform bietet interaktive Kurse und dazu passende Endolum-Zertifizierungen an, mit denen sich angehende Security-Talente in verschiedenen Bereichen wie Web Exploitation oder digitaler Forensik weiterbilden können. Aktuell befindet sich die Plattform noch in der Startphase, verfügbar sind zu Beginn drei Kurse zum Thema Web Exploitation inklusive zugehöriger Prüfung und Zertifizierung. Weitere Kurse sollen nun laufend entwickelt und aufgeschaltet werden. Die verfügbaren Kurse kosten Stand August 2025 je 50 Franken, die freiwillige Zertifizierung zur ganzen Kursreihe schlägt mit weiteren 290 Franken zu Buche.
Verstehen statt auswendig lernen
Nicht zuletzt aufgrund seiner Coaching-Erfahrung hat Manuel Bürge eine klare Überzeugung, was die Strategie für die Wissensvermittlung angeht. Von klassischem Büffeln hält er nicht viel, wie er ausführt. «Nur wenn man wirklich versteht, was man gemacht hat, statt etwas einfach auswendig zu lernen, kann man später auch wieder auf dieses Wissen zugreifen.»
Die Kurse der Endolum Academy sind daher möglichst praxisnah gestaltet, modular aufgebaut und laut Bürge durchaus verdaulich. Für die genannten 50 Franken pro Kurs erhält man Zugang zu einer eigenen Lerninfrastruktur, die auf einer Container-Instanz in der Cloud basiert. Auf dieser wird man pro Kurs mit zehn oder mehr praxisnahen Szenarien konfrontiert, die es zu lösen gilt. Dazu gibt es eine Beschreibung des vorliegenden Case plus mehrere Hinweise zum Lösungsweg.
Das Lernprinzip folgt damit dem Gedanken von Security- und Hacking-Challenges, die Bürge sowohl als Teilnehmer als auch als Trainer gut kennt: Man arbeitet sich an einem kniffligen Problem ab, was zu einem nachhaltigen Lerneffekt führt. Im besten Fall wirkt das Erfolgserlebnis, eine Lösung gefunden zu haben, zusätzlich motivierend.
«Wichtig ist mir auch, dass die Plattform sehr einfach zu benutzen ist. Man braucht keine eigenen virtuellen Maschinen, VPNs oder andere Lösungen», wie er ausführt. Technische Voraussetzung ist also nur ein Rechner mit installiertem Browser, mit dem man auf die Lerninfrastruktur zugreifen kann. Diese wird exklusiv für jeden einzelnen Lernenden instanziiert, man hat die Umgebung also für sich alleine und kann dabei auch grundsätzlich nichts kaputtmachen.
«Deine Mission? Werde zum Admin» – diese und viele weitere Aufgaben warten in den Kursen der Endolum Academy auf die Teilnehmer. (Quelle: Endolum.io)
Das ChatGPT-Problem
Herausfordernd ist derweil, dass GenAI Einzug in unser tägliches Leben findet und damit auch massgeblich die Bildung verändert. Lösungen müssen oft nicht mehr erarbeitet werden, ein einfacher Prompt im Chatbot würde reichen, um ans Ziel zu kommen. Doch wie beim klassischen Kurzzeitgedächtnis-Büffeln kommt damit der nachhaltige Lerneffekt abhanden. «Das ist ein ernsthaftes Problem, dem wir uns als Gesellschaft in verschiedenen Bereichen stellen müssen», so Bürge. Statt wegzuschauen, will er die Kurse bewusst mit den GenAI-Chatbots im Hinterkopf gestalten.
Seine Lösung ist, dass man bei einer Aufgabe nur gezielt so viel Informationen gibt, dass ein Resultat der KI nicht sofort zur Lösung führt. Wenn man einen KI-Chatbot beim Lernen nutzen will – was man gerne darf – ist man gezwungen, mit diesem zu brainstormen, um zu einer Lösung zu finden. «So bringt – respektive zwingt – man die Leute dazu, den Kopf einzuschalten und sich nicht nur auf den KI-Output zu verlassen. Das klingt vielleicht simpel, aber es funktioniert!»
Am Schweizer Bildungssystem ausgerichtet
Die Entwicklungsarbeiten für
Endolum.io waren 2024 bereits in vollem Gange, während seine beiden Coachees den erwähnten Security-Weltmeistertitel holten. «Das hat meine Mission nur noch mehr bestätigt. Ich arbeite selbst schon lange in der Schweiz im Cybersecurity-Bereich und weiss, was es für Erfolg in diesem Markt braucht», so der Gründer. Die Kurse der Endolum Academy seien daher auch mit einem gewissen Lokalkolorit gefärbt. Vergleichbare, international ausgerichtete Lernplattformen hält er zwar teilweise für tauglich, die Ausrichtung auf den hiesigen Markt sei aber nicht zu vernachlässigen, wie er überzeugt ist.
Aber ist Security-Wissen nicht international gültig und kaum von lokalen Gegebenheiten abhängig? «Die Nähe zu den Menschen ist durchaus wichtig», kontert Bürge. «Es ist zentral zu verstehen, was sie bereits können.» Die Kurse schliessen also an den in der Berufslehre vermittelten Wissensstand an und richten sich damit in erster Linie an junge Erwachsene mit Schweizer IT-EFZ. «Wenn man junge Menschen mit den nötigen Mitteln versorgt, gehen die regelrecht durch die Decke. Und genau das sind die Leute, die wir brauchen und die Schweiz sicherer machen!» Die Plattform eigne sich aber auch für IT-Fachleute, die sich mehr Security-Wissen aneignen wollen, für Quereinsteiger sowie für Unternehmen, die das Security-Niveau ihrer Mitarbeiter verbessern möchten, wie er anfügt.
Teil des Endolum-Angebots ist darüber hinaus der Zugang zu einer eigenen Security-Community über einen Discord-Server, auf dem man mit anderen Spezialisten und Lernenden diskutieren und Fragen stellen kann. Bürge selbst ist über diesen Kanal ebenfalls für die Kursteilnehmer erreichbar.
Organisches Wachstum
Endolum.io ist Stand heute eine komplett selbst finanzierte One-Man-Show. «Meine zwei Katzen sind mein Team», kommentiert Bürge lachend. «Ich mache das Ganze ehrlicherweise auch nicht fürs Geld, sondern aus Freude.» Trotzdem schliesst er nicht aus, irgendwann mit der Endolum Academy zu expandieren. Das Projekt solle aber organisch wachsen – die Nutzerbasis, die Zahl der Kurse und den Umsatz betreffend.
Die nächsten Kursreihen, die dazukommen werden, drehen sich um Incident Response und digitale Forensik, mehr Kurse werden im Laufe der Monate und Jahre folgen. Ausserdem schwebt dem Gründer ein Kurs-Crowdsourcing vor: In Zukunft könnten auch andere Security-Spezialisten Kursmodule bauen, damit das Angebot erweitern und mitverdienen. «Das wäre eine gute Möglichkeit, das Business zu skalieren.» Weiter plant Bürge auch One-on-one-Coachings, ein paar kostenlose Challenges und gegebenenfalls ein Blog mit Artikeln und Analysen zu Security-Themen.
Erwachsen werden soll
Endolum.io nun aber erst einmal auf dem Schweizer Markt mit kleinem Risiko. «Ich will nicht schnell wachsen», stellt Bürge klar und ergänzt lächelnd: «Aber wenn es irgendwann explodieren sollte, werde ich mich nicht wehren. Die anderen Security-Lernplattformen sollten sich warm anziehen!»
(win)