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Kolumne: Verordnung from Hell

Eine kritische Betrachtung von Luzi von Salis zur VÜPF.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2025/06

     

Die neue VÜPF (Verordnung zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs) ist eine Verordnung from Hell. Und könnte direkt vom Kreml geschrieben worden sein. «Nur Diktaturen wie Russland, China und Iran haben solche Internetgesetze», schreibt Adrienne Fichter, die preisgekrönte Investigativ-Journalistin. Eine direktere und korrektere Formulierung gibt es nicht!

Um was geht es? Die neue vorgeschlagene Verordnung sieht vor, dass Schweizer IT- und Kommunikations-/Telekomfirmen mit mehr als 5000 Nutzenden ihre Kunden aufwändig registrieren müssten. Diese Zahl scheint schon einmal willkürlich und schnell erreichbar – ergo träfe es viel mehr Unternehmen als angenommen. Unter anderem müssten die ­Provider nach diesem Verordnungsvorschlag Echtzeitüberwachung, Randdatenspeicherung sowie geografische Standorterhebungen durchführen, speichern sowie dem Staat bei Bedarf zur Verfügung stellen. Die Anbieter würden gezwungen, viel mehr Daten zu erheben und zu speichern, als es ihr Geschäft tatsächlich erfordert. Gleichzeitig würde der Wirkungs­bereich der VÜPF stark erweitert. Während heute ein Unternehmen einen grossen Teil seiner Tätigkeit durch ausgeleitete Kommunikationsdienste, zum Beispiel Telefongespräche, erbringen muss, fällt dieses Kriterium weg. Künftig müssten Unternehmen, deren Geschäftstätigkeit nur am Rande auf ausgeleiteten Kommunikationsdiensten basiert (wie Onlineshops, Marktplätze, Auktionsplattformen, Zeitungen oder Computerspielhersteller) unter die VÜPF fallen, dies umsetzen. Dies aus dem Grund, da ihre Produkte irgendeine Form privater Kommunikation zwischen Nutzern und/oder Drittanbietern ermöglichen würden. Unternehmen wie Brack oder Digitec wären direkt betroffen und hätten einen massiven, operativen Zusatzaufwand. Zudem wäre der technische Aufwand immens (Speicherung der Daten) und die finanziellen Investitionen in keinem Verhältnis zu einem möglichen «Schnüffel-Ertrag».
Der Staat Schweiz geht so direkt gegen seine eigenen Schweizer Firmen mit ihren Datenschutzvorteilen vor. Eine verkehrte Welt! Die VÜPF ist ein massiver Frontalangriff auf die Grundrechte und die Rechtsstaatlichkeit und verstösst vermutlich gegen das Bundesgesetz. Die Genfer Firma Proton beispielsweise, die sichere E-Mail-Dienste anbietet, hat bereits mit dem Wegzug aus der Schweiz gedroht, sollte diese Verordnung tatsächlich in Kraft treten. Nicht einmal ansatzweise streng wäre die EU in ihren Ländern. Firmen wie Threema träfe es gleich und deren Wettbewerbsvorteile wären defacto in grösster Gefahr.


Mit dieser Verordnung würden die amerikanischen Giganten wie Meta oder Microsoft noch mächtiger. Für Whatsapp – wie der Sprecher des Diensts Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr offenbar bestätigte – gelten die Schweizer Gesetze nicht! Dass dies just in einem Moment vorgeschlagen wird, in der die Schweiz Innovationen am dringensten benötigen würde, erstaunt umso mehr. In geopolitisch chaotischen Zeiten, in denen die Privacy-IT-Anbieter berechtigten Zulauf erhalten, werden durch den Staat Minen gelegt und Arbeitsplätze aktiv gefährdet oder zerstört. Mit der vorgeschlagenen Verordnung würden Open-Source- und Non-Profit-Lösungen gezielt aus dem Markt gedrängt und die nationale Sicherheit gefährdet. In Zeiten zunehmender Cyberangriffe und hybrider Kriegsführung ist dies sicherheitspolitisch super-kontraproduktiv. Die neue VÜPF will den Bürgern und Bürgerinnen und Firmen der Schweiz den Zugang zu bewährten sicheren, end-to-end verschlüsselten Kommunikationskanälen faktisch verwehren.

Luzi von Salis

Luzi von Salis ist Geschäfts­führer der Firma Von Salis ­Engineering und agiert als Interim-­Manager, Konsulent sowie als «Business Troubleshooter» im ICT-Sektor. In seiner Kolumne kommentiert und beleuchtet er aktuelle Themen aus dem ICT-Bereich.
luzi.vonsalis@vseng.ch


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