Dass IT-Fachkräfte fehlen, ist nicht neu. Dass der einfachste Weg, dieses Problem zu lösen Kooperation wäre, ist klar. Aus diesen Erkenntnissen Handlungen abzuleiten, ist leider schwierig. Einer der sich getraut hat, ist Reto Bättig, CEO des IT-Dienstleisters
Cudos. 2013 hatte er die Idee, ein Entwicklungsprogramm für Junior Software Developers zu starten, das aus talentierten Neulingen binnen dreier Jahre Seniors macht. Mittlerweile sind zwölf Jahre vergangen und die 53ste Person vor Kurzem bei Cudos Trail aufgenommen worden. Gegenwärtig sind es 18. 35 haben das Programm bereits abgeschlossen. Jede wurde vermittelt und viele sind heute Senior-Ansprechpartner für die nächste Generation, und zwar genau in einem der Unternehmen, die sie im Rahmen des Cross-Company-Programms kennengelernt hatten.
Wie funktioniert das? «Wichtig sind unser Unternehmensnetzwerk und die Sorgfalt im Kandidaten-Auswahlprozess», so Rachel Blaser, Leiterin Cudos Trail und Mitglied der Geschäftsleitung. Rachel Blaser ist seit 2016 an Bord und war wesentlich für den Aufbau des gegenwärtigen Programms verantwortlich. «Unser Partner-Netzwerk umfasst gegenwärtig 20 Firmen. Die Juniors absolvieren dort in drei Jahren zwischen drei und sechs Einsätze», erklärt sie weiter. «Die Firmen zahlen einen Stundenlohn, der aus dem Gehalt der Juniors und dem Overhead für das Programm besteht. Die jungen Menschen sind in dieser Zeit im Wesentlichen produktiv.» Damit spielt sie auf die verbreitete Meinung an, dass ein Junior erst nach mehreren Monaten Einführung zum produktiven Geschehen beitragen kann.
Kandidaten-Auswahl ist Key
«Wir betreiben viel Aufwand bei der Kandidatenauswahl und setzen auf Leute, die sehr flexibel sind», erklärt Rachel Blaser. Das ist nicht günstig, sind doch bei jeder Rekrutierung vier Personen, inklusive zweier Senior-Entwickler involviert. Hier müssen die Kandidaten eine Modellierungsaufgabe lösen, ein Kundengespräch führen, dafür Anforderungen einholen und zeigen, dass sie ein Problem nicht nur verstehen, sondern auch in seine Teile zerlegen können.
Dabei profitiert
Cudos Trail vom Netzwerkeffekt: «Durch die Kooperation im Firmennetzwerk teilen wir die Kosten auf», so Blaser. Dabei geht Cudos immer in Vorlage, denn der Kandidat ist bei Cudos angestellt und bleibt es für die Dauer des Programms. Erst wenn er platziert wird, fangen die Partner an, die Stunden zu bezahlen. Dabei gibt es keine allgemeine Partizipationsgebühr oder ein Placement Fee. «Die Firmen haben totale Kostentransparenz.»
Cudos Trail hat mittlerweile Partner in der ganzen Deutschschweiz und arbeitet mit zahlreichen Universitäten und Fachhochschulen zusammen, die das Programm auch aktiv empfehlen. «Das kreiert auch ein Luxusproblem. Wir haben aktuell 600 Bewerbungen für acht Stellen», erklärt Rachel Blaser.
Erneut steht hier die Qualität bei der Auswahl im Vordergrund: «Man muss die Bewerbungen gut anschauen – nicht jeder qualifizierte Kandidat kann sich präsentieren.» Natürlich profitiert das Team mittlerweile von der eigenen Erfahrung, am Ende braucht man aber immer ein paar Minuten für jeden Kandidaten. Auch müssen sich alle am Prozess beteiligten Personen einig sein, damit ein Kandidat akzeptiert wird. «Das lohnt sich. Es gibt nichts Teureres als eine Fehlbesetzung, die während der Probezeit zur Entlassung führt».
Ebenfalls beachtet wird, dass die jungen Software-Engineers nicht bei direkten Mitbewerbern im Einsatz sind. «Natürlich gibt es NDAs und ähnliches. Im Grundsatz geht es aber um gute Software-Entwicklung. Die Prinzipien sind dafür gleich. Weder wir noch unsere Partner haben deswegen Angst, unser Know-how zu teilen.»
Ursprung in der Industrie
Dabei hat Cudos Trail ganz klein angefangen – mit einer Partnerfirma und einem Kandidaten –, vor allem im industriellen Umfeld. Minimalanforderung ist ein Bachelor. Dabei kommen neben Informatik auch Mathematik, Physik, Maschinenbau oder Elektro-Engineering zum Zug. Die Entwicklung war organisch und ging einher mit der Entwicklung des Software-Dienstleisters Cudos (M&F Engineering bis 2024). «Unsere Seniors sind auch während der Ausbildung involviert und wir sorgen auch für Schulungen während des Programms. Das muss also zusammenpassen.»
Nach jeder Phase gibt es intensive Feedbacks zwischen
Cudos, den Unternehmen und den jungen Menschen. Diese fliessen in die Weiterentwicklung des Programms ein. «Die Juniors verfassen teilweise Onboarding-Seiten für ihre Nachfolger. So werden sie schneller produktiv.»
Am Ende geht es für viele Partner um die so gewonnene Sichtbarkeit. «Software-Entwicklung findet überall statt – auch bei Unternehmen, deren Kerngeschäft nichts mit Software zu tun hat. Aber gerade diese werden von Kandidaten selten wahrgenommen.» Hier füllt Cudos Trail eine wichtige Lücke.
Kein Wunder, dass sich das Programm bereits in weiteren Branchen etabliert hat: «Unsere Partner machen Versicherungslösungen, Medizintechnik oder Energieprodukte.» Rachel Blaser schaut positiv in die Zukunft: «Aktuell wollen wir uns weiter diversifizieren, um noch mehr Branchen abzudecken und vor allem das Netzwerk zu vergrössern.» Ob sie denkt, dass KI Entwickler in Zukunft überflüssig macht? «Vielleicht für einfachere Tätigkeiten. Wir setzen aber auf hochqualifizierte Mitarbeiter, die durch KI-Tools produktiver werden. Die wird es am Cutting Edge auch in Zukunft in der Schweiz brauchen.»