Start-up Gopf: Märkte monitoren und visualisieren
Quelle: Gopf

Start-up Gopf: Märkte monitoren und visualisieren

Das junge Luzerner Unternehmen mit dem ausgefallenen Namen Gopf hat eine ­ ML/KI-Plattform für den Competitive-Intelligence-Einsatz entwickelt. Sie sammelt unstrukturierte Daten aus dem Internet und liefert Anwendern individuelle Wettbewerbsinformationen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2024/09

     

Gopf? Gopf! Was den meisten als augenzwinkerndes Fluchwort in den Ohren klingt, wählte Unternehmer und Datenenthusiast Kevin Kuhn als durchaus ungewöhnlichen Namen für sein 2022 gegründetes Start-up. Zuvor hatte er sich noch den Kopf über einen passenden Titel zerbrochen: Semantic Similarity? Zu kompliziert. 300 weitere auf einem Miro Board zusammengetragene Begriffe? Wollten auch nicht wirklich passen. «Gopf, ich komme auf keine Idee», schimpfte Kuhn daher abends auf dem Sofa. Der Vorschlag seiner Partnerin: «Nimm doch das». Aus anfänglichem Zweifel wurde Begeisterung, kurz und knackig sei der Begriff, zudem bleibe er im Kopf, wie der Gründer im Interview berichtet. Und für ihn ist Gopf ohnehin weniger ein Fluchwort als vielmehr ein Ausdruck des Erstaunens, vor allem darüber, welcher Nutzen sich aus unstrukturierten Daten ziehen lässt – oder viel mehr, welches Potenzial bisher noch nicht ausgeschöpft wird.

Hier setzt Gopf mit seiner KI- beziehungsweise Machine-Learning-basierten Plattform an. Sie wurde für den Einsatz im sogenannten Competitive-Intelligence-Umfeld entwickelt. Sprich: Sie sammelt über einen Crawler online verfügbare Informationen wie beispielsweise Pressemitteilungen, News-Beiträge und Produktkataloge, aggregiert und analysiert dieses Wissen und stellt es Unternehmen anschliessend visualisiert zur Verfügung. So sollen die Anwender einen hochaktuellen Einblick erhalten, was der Wettbewerb plant und wie sich der Markt entwickelt, beispielweise bei neuen Technologien oder M&A-Aktivitäten – und so nicht zuletzt Kosten und Aufwand für eine bisher zeitintensive manuelle Recherche sparen.


Grundsätzlich vergleicht der CEO die Lösung mit dem Gang durch eine Bibliothek. Während die Informationssuche im Internet meist sehr zielgerichtet ist, visualisiert die Plattform verschiedenste relevante Daten und erlaubt somit einen umfassenden Überblick über das aktuelle Geschehen und damit auch Themen, die zuvor gegebenenfalls nicht im Fokus standen. Parallel ist aber auch die gezielte Recherche möglich. Bei Unternehmen soll das für eine deutliche Entlastung sorgen, verspricht Kuhn. So beschäftigte ein weltweit agierender Kunde zuvor ein Team aus fünf Personen allein für Recherche und Beobachtung von Marktentwicklungen. Mit der Plattform entfalle die manuelle Suche nun komplett und die Mitarbeitenden könnten sich auf den «Deep Dive» und weitere Aufgaben der Competitive Intelligence konzentrieren – ohne aber von der Lösung ersetzt zu werden, sondern ausschliesslich unterstützt, wie Kuhn bekräftigt.

Start direkt nach dem Studium

Data Science beziehungsweise das Nutzbarmachen von Daten ist schon seit vielen Jahren die Passion des Gopf-CEOs. Direkt nach seinem Masterstudium gründete er zusammen mit Partnern den Datenanalyse-Anbieter Jaywalker Digital. Als sich das Unternehmen jedoch immer mehr auf den Finanzsektor konzentrierte, zog sich Kuhn zurück. Er wollte lieber in einem «dynamischeren Umfeld» arbeiten. Nichtsdestotrotz konnte er von seinen Kontakten, seiner Erfahrung und bereits zahlreichen umgesetzten Data-Science-Projekten profitieren. Und was 2022 dann vorerst als Gefäss für die Rechnungsstellung begann, entwickelte sich in Folge schnell zu einer umfassenden Geschäftsidee: Gopf. Bereits ein Jahr später holte Kuhn zwei Partner an Bord, einen IT-Spezialisten und einen Experten aus dem Maschinenbau, die das Führungsteam um ihn als «Brückenbauer» ergänzen sollten. Seitdem hat das Unternehmen viel an der Plattform und der eigenen Strategie gefeilt. War die Competitive-Intelligence-Lösung zu Beginn noch auf eine breite Zielgruppe ausgelegt, hat sich der Anbieter mittlerweile ganz auf Industriekunden konzentriert. Dazu hätten auch Investoren geraten, um das Produkt passgenau auszurichten und sich nicht zu verzetteln, berichtet Kuhn. Der Maschinenbau würde dafür die besten Voraussetzungen bieten.


Diese granulare Ausrichtung war laut Kuhn die grösste Herausforderung des Gründungsprozesses. «Nicht etwa das Technische war das Problem. Das konnten wir alles lösen. Aber die tatsächlichen Anforderungen der Kunden zu verstehen und die Frage, was ihnen fehlt und wofür sie bereit sind zu investieren, das war eine Herausforderung.» Hinzu komme der grosse Stolperstein, dass der Kapitalmarkt für Start-ups aktuell eine Katastrophe sei. Zu viele KI-Jungunternehmen hätten in den vergangenen Jahren den Markt geflutet und aufgrund des Hypes auch entsprechend hohe Investitionen erhalten – oft aber, ohne am Ende das zu liefern, was sie versprochen haben. Daher sind die Geldgeber mittlerweile zurückhaltender, schauen genauer hin, wollen konkrete Ergebnisse und Kunden: «Eine Powerpoint-Präsentation reicht hier nicht mehr aus, um von sich zu überzeugen».

Eine Million Franken bis Ende 2025

Aufgehalten haben die widrigen Rahmenbedingungen Gopf nicht. Mittlerweile ist das Start-up auf acht Leute (5,4 Vollzeitstellen) angewachsen, sieben Kunden konnte man bereits gewinnen, mit jährlich abgerechneten Lizenzverträgen jeweils im fünfstelligen Bereich. Das hilft auch bei der aktuellen Suche nach Investoren. «Es gibt keinen besseren Umsatz als Kundenumsatz», unterstreicht Kuhn. Und das Team hat sich ambitionierte Ziele für die Zukunft gesetzt. Bis Ende 2025 soll der Umsatz auf eine Million Franken steigen, den Break-even will Gopf dann nach aktueller Planung ein Jahr später erreichen. Bis dahin soll die Zahl der Kunden auf rund 100 und das Team auf zwölf bis 15 Mitarbeitende anwachsen. Probleme, neue Leute zu finden, hat Gopf laut dem CEO ohnehin nicht. Dafür sei der Standort Luzern ideal. Hier gebe es weniger Wettbewerb als in Zürich, zudem investiere die Stadt aktuell massiv in den Aufbau eines AI-Hubs. Und mit dem KI-Studiengang der HSLU, an der Kuhn auch unterrichtet, sitzt das Unternehmen direkt an der Fachkräfte-Quelle. «Das ist schon ein Luxusproblem. Wir haben sehr viele Leute, die gerne bei uns arbeiten wollen, können aber überhaupt nicht so viele einstellen», berichtet der CEO. «Aber das Interesse spricht auch für uns, für unser Team und unsere Ambitionen».

Gründer Kuhn kann sich gut vorstellen, künftig noch deutlich weiter zu wachsen und zu expandieren, «für uns wäre es schon sehr cool, ein global agierendes Unternehmen zu haben». Kein gesichtsloser Konzern, wie der CEO sagt, aber bereits mit 30 Leuten könne Gopf weltweit und im grossen Massstab agieren. Die Expansionsstrategie zielt dabei vor allem auf neue Länder und Regionen ab, nicht aber auf weitere Branchen. Das Team will sich weiterhin ganz auf den Maschinenbau und die Industrie konzentrieren. Das sei auch Wettbewerbsvorteil und Alleinstellungsmerkmal, wie der CEO berichtet. Denn allein ist Gopf nicht auf dem Markt. Das Start-up hat (natürlich mit der eigenen Lösung) weltweit zwei bis drei relevante Player besonders aus dem US-Raum identifiziert, die mit ihren Produkten in Konkurrenz zum eigenen Angebot stehen. Hier will sich Gopf einerseits durch sein Branchen-Know-how abheben, andererseits durch die selbst entwickelten Custom Crawler. Denn während die Plattform als SaaS-Lösung aus dem Google-Datacenter in Zürich auf Standardisierung und Skalierung ausgelegt ist, werden die Crawler individualisiert auf die Anforderungen der Kunden abgestimmt.


Es ist die Umsetzung von Kuhns Vision. Mit Gopf will er den «ganzen Kosmos an Informationen» aufzeigen, für Unternehmen die schiere Masse an unstrukturierten Daten visualisieren und nutzbar machen. Und das letztlich nach dem User-Experience-Prinzip Uber: wenige Klicks bis zum individuellen Ergebnis. (sta)


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