Wer soll das bezahlen?
Quelle: iWay

Wer soll das bezahlen?

Das Metaverse soll die nächste grosse Revolution des Internets bringen. Würde der Hype flächendeckend Realität, stellt sich die Frage nach der Belastbarkeit der Schweizer Internet-Infrastruktur.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2023/12

     

Will man dem Facebook-­Konzern Meta Glauben schenken, so soll sich innerhalb der nächsten zehn Jahre mindestens eine Milliarde Menschen im Metaverse tummeln. Sollte der insbesondere durch den Meta-Chef Mark Zuckerberg und Microsoft-Gründer Bill Gates ausgelöste Hype dereinst tatsächlich in der Realität niederschlagen, könnte das Internet der nächsten Generation ohne Weiterentwicklung der Infrastruktur allerdings an seine Grenzen stossen. Bereits die Covid-19-Pandemie hat exemplarisch aufgezeigt, dass die Kapazitäten erheblich stärker belastet werden, wenn mehr Nutzer in ihrer Freizeit Videos nicht nur strea­men, sondern mehr Inhalte hochladen. Denn Tools für die Zusammenarbeit am Home-Office-Arbeitsplatz und für Videokonferenzen erfordern mehr Uploads. Auch wenn im Metaverse voraussichtlich der Grossteil des Datenverkehrs aus Downloads bestehen wird, wird ein gewisser Teil auch mehr Uploads erfordern. Während sich die Herausforderungen durch die Pandemie schnell bewältigen liessen, wird das das Metaverse aufgrund der höheren Anforderungen der interaktiven Anwendungen an die Echtzeit und an die Echtheit des Erlebnisses die Internet-Anbieter ungleich stärker belasten. Denn schliesslich müssen die erforderlichen Geschwindigkeiten konsistent und zuverlässig verfügbar sein. Ansonsten wird die Vision des Metaverse mit seinem hochaufgelösten, dreidimensionalen Nutzererlebnis an der Internet-Bandbreite scheitern.

Meta fordert mehr Kapazität

Weil davon nicht allein lokale Netze, sondern die weltweite Netzwerkinfrastruktur ­betroffen sind, fordert Meta grundlegende Veränderungen: Die Netzinfrastruktur müsse «enorme Kapazitätssteigerungen» erfahren durch höhere Bandbreiten, bessere Gesamtgeschwindig-
keiten der Netze und kürzere Laufzeiten. Denn selbst wenn sich die unterschiedlichen Akteure nicht einig sind über die genaue Definition des Metaverse (wo hört das Internet auf und wo fängt das Metaverse an, gehört die reale Welt auch zum Metaverse, u.v.m.), so ist doch eines klar: Kurze Latenzzeiten sind entscheidend für den Erfolg. Denn wenn die Laufzeit der Daten auf dem Weg zum Nutzer zu gross wird, ist kein realistisches Erlebnis mehr möglich. Meta zufolge erfordert das Metaverse Latenzzeiten im einstelligen oder niedrigen zweistelligen Millisekunden-Bereich. Zum Vergleich: Heutige Apps kommen mit Latenzzeiten von 15 (Live-Streaming, -Gaming) bis 30 oder 65 Millisekunden (Videokonferenzen) aus, Verzögerungen hört man bei Voice over IP ab circa 100 Millisekunden. Tiefere Latenzzeiten sind vor allem deshalb wichtig, weil die Inhalte abhängig von den Bewegungen der Körper und Augen der Nutzer gerendert werden. Meta schlägt als Lösung für dieses Problem ein Mix aus lokalem und remote Rendering in der Edge-Cloud vor.


Analog zu den heute bereits bekannten Content-Caches der Inhaltelieferanten wie Netflix, welche den Internet-Anbietern zur Verfügung gestellt werden oder den Content-Delivery-Netzen wie Akamai, bräuchte es für ein weltumspannendes Metaverse eine sehr grosse Anzahl an Edge-Rechenzentren. Mit diesen am Rande der Netze angesiedelten Rechenressourcen könnten Inhalte und Anwendungen näher zu den Endnutzern gebracht und so die Latenzzeiten tief gehalten werden. Denn der Zugang zur Metaverse-Cloud wird dann besonders effizient, wenn die Kundendaten in einer verteilten Architektur sehr nahe an der Ursprungsquelle verarbeitet werden. Die Latenz ist schliesslich immer und hauptsächlich abhängig von der Entfernung, welche die Daten hinter sich legen müssen. Bedenkt man die Grösse der Schweiz, dürfte das nicht das Hauptproblem sein, liegt doch die Latenz zwischen beispielsweise Zürich und Genf bei 3 Millisekunden.

Flaschenhals Backbone

Allerdings ist es einfach, Verbesserungen durch die Internet-Aanbieter bei der Infrastruktur zu fordern und gleichzeitig die Distanz zu den Verbrauchern zu vergrössern. Denn ausgerechnet Meta hat unlängst beschlossen, die Bandbreite bei SwissIX, dem grössten Schweizer Internetverbindungsknoten, nicht auszubauen. Stattdessen hat man den Datenaustausch von Zürich nach Frankfurt verschoben. Für hiesige Internet-Dienstleister bedeutet das unweigerlich höhere Verbindungskosten. Denn je länger der Weg, welcher die Daten zurücklegen müssen, desto höher die Kosten. Dabei haben Anbieter bereits mit Herausforderungen im Backbone, dem Kernbereich des Internets, zu kämpfen. Das Problem hier ist, dass die Kapazitäten zwischen dem Zugangsnetz und den Internet-Knoten, an denen mehrere Anbieter zusammengeschlossen sind, die Spitzenlasten nicht mehr optimal bewältigen können. Zur Veranschaulichung: eine Verdoppelung der Bandbreite im Backbone schlägt mit circa 50 Prozent höheren Kosten zu Buche. Wenn zusätzlich zum heutigen Facebook- und Instagram-Verkehr der Traffic allein von Zuckerbergs Metaverse auch noch aus dem Ausland kommt, hat dies unweigerlich höhere Verbindungskosten zur Folge.

Flaschenhälse Access-Netze

Darüber hinaus gibt es derzeit neben dem Problem, dass die Kapazität zwischen dem Zugangsnetz und den Peerings der Internetknoten nicht ausreicht, um zu Spitzenzeiten die Auslastung aufzufangen, den Flaschenhals zwischen dem Internetanbieter und dem Endkunden zu bedenken. Swisscom als Grundversorger ist zwar durch den Gesetzgeber verpflichtet, ab 2024 die minimalen Bandbreiten massiv zu erhöhen. Der Download muss statt mit bisher 10 mit 80 Mbit/s garantiert sein, während für die minimale Upload-­Geschwindigkeit 8 statt bisher 1 Mbit/s gewährleistet sein muss. Das allein dürfte bereits eine Herausforderung darstellen, wo doch schon heute in ländlichen Gegenden mit Kupferkabeln nur asymmetrischer Internetverkehr möglich ist. Hinzu kommt, dass lokale Anbieter diese Anforderungen an die Grundversorgung nicht erfüllen müssen. Hier müsste dann der Kunde notgedrungen zu Swisscom wechseln, welche den Glasausbau punktuell vorantreiben würde oder die Verbindung über 4G- oder 5G-Router oder Satellit herstellen würde.

Aber selbst dann: Das Metaverse lebt von einem unterbruchfreien Benutzererlebnis. Wenn der Datenfluss nicht in beide Richtungen gleich schnell funktioniert, weil die Latenz für den Upload zu gross ist oder die Bandbreite nicht schnell genug skaliert werden kann, hat dies automatisch längere Laufzeiten zur Folge. In der Grundversorgung ist nämlich lediglich die minimale Bandbreite, nicht aber die Laufzeit geregelt. Hinzu kommt, dass neben der Art der Kabelverbindung vom Anbieter zum Anwender auch der Drahtlostrend eine Hürde darstellt. Denn bereits heute können in Privathaushalten viele WLAN-Netzwerke mit Geräten und Anwendungen wie Live-Games, HD-­Streaming und gleichzeitig im Home Office an virtuellen Desktops und mit Videokonferenzen arbeitenden Familienmitgliedern oder gar Freunden und Nachbarn, welche dieselben Frequenzen nutzen, nicht umgehen.


Hinzu kommt, dass die meisten Mobilfunkanbieter unlimitierten Zugang zum Internet in ihren Angeboten inbegriffen haben. Einige drosseln zwar die Geschwindigkeit nach einem gewissen Datenverbrauch. Aber wenn tatsächlich der heutige Hype um das Metaverse flächendeckend Realität werden sollte, wird unweigerlich das Preisgefüge ins Wanken kommen. Die Mobilabonnemente müssten sehr viel teurer werden, ansonsten würden sie für die Anbieter nicht mehr rentieren.

Eine Frage des Geldes

Die Netzwerkinfrastruktur wird zwar noch gewisse Herausforderungen bewältigen müssen. Denn Engpässe kann es auf allen Verbindungswegen im Internet geben. Die Schweiz ist mit ihrem aktuellen Stand des Internet-Ausbaus aber in Europa neben den skandinavischen Ländern durchaus an vorderster Front mit dabei. Mit der flächendeckenden Nutzung des Metaverse durch Private sollte die Schweizer Internet-Infrastruktur zumindest mittelfristig umgehen können. Wenn das Netz indes die hohen Anforderungen des Metaverse erfüllen soll, müssen erhebliche Investitionen getätigt werden. Denn bei industriellen Metaversen zur Steuerung von Produktionsflüssen, industriellen Zwillingen oder für Fernwartung ist eine gute Infrastruktur von entscheidender Bedeutung. Im geschäftlichen Umfeld könnten aber auch schon Firmen-WiFi und Mobilfunk in Sachen unterbruchfreies Erlebnis an ihre Grenzen stossen und sich auf die Endkosten auswirken. Vor allem aber wird sich insbesondere bei den Verbindungskosten der Internetanbieter die Frage stellen, auf wen sie abgewälzt werden. Bei industriellen Anwendungen dürfte es für die Anbieter einfacher sein, weil hier andere Bezahlmodelle greifen. Doch bei anderen geschäftlichen Modellen, welche private Konsumenten miteinbeziehen, steht und fällt der Erfolg neben der Netzqualität mit der Frage, ob die Kunden die Kosten zu tragen bereit sind oder ob, im Gegenzug, die Verbindungsanbieter die Angebote zu tieferen Preisen noch aufrechterhalten können.

Die Autoren

Markus Vetterli gründete den Internet Service Provider iWay 1995 zusammen mit Matthias Oswald. Zwischen 1996 und 2001 leitete er zusammen mit Oswald das Unternehmen und kehrte 2013 nach Engagements in leitenden Positionen bei SIX Group Services, AC Service und Bedag Informatik als Leiter Support und Projekte zu iWay zurück. Anfang 2021 löste er Oswald als CEO ab.

Matthias Cramer stiess 2004 mit dem Verkauf von Dolphins Network Systems zu iWay. Er ist seit 1996 im ISP-Umfeld als Netzwerk- und System-Engineer tätig und hat bei iWay die Position als CTO inne. Nebenamtlich ist er noch für SwissIX Internet Exchange als Vereinspräsident tätig.


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wieviele Zwerge traf Schneewittchen im Wald?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER