Kolumne: Ist Home Office nur eine Vertrauenssache?
Quelle: ZvG

Kolumne: Ist Home Office nur eine Vertrauenssache?

Mevin Thekkaveettil über das traditionelle Büro, das nicht nur ­einen Ort der Arbeit darstellt, sondern darüber hinausgeht.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2023/11

     

Das Thema Home Office wurde zu Zeiten der Pandemie hoch und runter diskutiert. Lange ging man davon aus, dass sich der Home-Office-­Trend durchgesetzt hatte, bis die erfolgreichsten internationalen Grosskonzerne angefangen haben, die Mitarbeiter aus dem Home Office zurückzupfeifen. Erneut ging die Debatte los. Die Befürworter und die Gegner diskutierten vor allem über Flexibilität, Work-Life-Balance, Vertrauen, Produktivität und Motivation. Nun ist es an der Zeit, das Thema mit etwas Abstand aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Konträr zur verbreiteten Meinung argumentiere ich dafür, dass das traditionelle Büro nicht nur einen Ort der Arbeit darstellt, sondern viel weiter darüber hinausgeht.


Die meisten Arbeitgeber liegen heute im Clinch. Einerseits möchte man den Angestellten in Zeiten des Fachkräftemangels etwas bieten, andererseits merken viele Unternehmen, dass sie die Mitarbeiter lieber öfter im Büro hätten. Als Unternehmer möchte ich die Perspektive vor allem vom Individuum auf das Kollektiv wechseln. Während individuelle Bedürfnisse und Präferenzen für das Home Office wichtig sind, muss auch berücksichtigt werden, wie sich dies auf die gesamte Organisation und die Teamdynamik auswirkt. Führt das individuelle Wohl auch zum besten Wohl des Unternehmens?
Die physische Präsenz im Büro bringt für eine Organisation verschiedene Vorteile. Unter anderem ermöglicht sie eine sofortige Zusammenarbeit und Kommunikation, die virtuelle Plattformen nicht replizieren können. Ein grosser Teil der menschlichen Kommunikation besteht aus nonverbalen Signalen wie Gesten, Mimik und Körperhaltung. Die physische Interaktion ermöglicht es, diese Nuancen besser zu verstehen und zu interpretieren. In einem Büro entstehen Ideen und Dynamiken nicht nur in geplanten Meetings, sondern auch in den Fluren, bei Kaffeepausen und im informellen Austausch. Diese spontane Kreativität und Dynamik sind schwer zu reproduzieren, wenn jeder Mitarbeiter in seiner eigenen Blase arbeitet.

Die physische Interaktion wird meiner Meinung nach viel zu stark unterschätzt. Die persönliche Begrüssung am Morgen, gemeinsame Rituale mit den Kollegen, Gelächter an der Kaffeemaschine, das Feierabendbier, gemeinsame Mittagspausen und viele weitere vermeintliche kleine Details schaffen einen enormen emotionalen Mehrwert. Für ein Unternehmen sind genau diese zwischenmenschlichen Interaktionen entscheidend, um das Miteinander zu stärken und als Einheit gemeinsame Unternehmensziele zu verfolgen. Im virtuellen Raum kann man sicherlich einiges davon nachstellen, aber es passiert niemals auf eine natürliche Art und Weise, es wird immer künstlich aufgesetzt. Vor allem diesen organischen Mechanismen muss man viel mehr Beachtung schenken. Es geht nicht nur um die Ideen und die Produktivität exzellenter Mitarbeiter, sondern viel mehr auch um die Verantwortung als Unternehmen, diese Menschen zusammenzuführen und die soziale Bindung zu stärken.


Für mich ist das regelmässige Zusammenkommen im Büro versus Home Office keine Vertrauens- oder Produktivitätsfrage, sondern eine Frage der Kultur. Jede Organisation profitiert von einem Umfeld, in welchem Menschen verbal wie auch nonverbal kommunizieren, die soziale Bindung gestärkt wird und somit auch die gelebte Kultur und das Commitment gestärkt werden. Sind wir ehrlich: Wir erhalten bei einer grandiosen Leistung lieber einen wertschätzenden Händedruck oder eine echte Umarmung als ein Emoji im Chat.

Mevin Thekkaveettil

Mevin Thekkaveettil ist CEO von One Agency, einer führenden IT-Personaldienstleistungsagentur mit Hauptsitz an der Bahnhofstrasse in Zürich. In seiner Kolumne im «Swiss IT Magazine» beschäftigt sich Thekkaveettil mit den Herausforderungen, die sich rund um die Personalsuche und die Karriereplanung ergeben.
mt@oneagency.ch

Kommentare
Macht ne Menge Sinn erst das hohe Lied des Outsourcings zu singen, die Belegschaft ueber den halben Erdball zu verstreuen und dann noch die Stirn zu haben die Leute ins Buero zu beordern wo man dann in Videocalls mit den neuen Kollegen in bspw. Polen oder Indien sitzt. Genau mein Humor.
Mittwoch, 28. Februar 2024, Some Worker



Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Aus welcher Stadt stammten die Bremer Stadtmusikanten?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER