Virtual-PBX-Umstieg: Das ist zu beachten
Quelle: Suprag

Virtual-PBX-Umstieg: Das ist zu beachten

Von Damir Sulejmanovski

vPBX verspricht tiefere Kosten, die Konzentration auf Geschäftsprozesse und eine hohe Anpassungsfähigkeit in einer sich schnell ändernden Geschäftswelt.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2013/01

     

Der Cloud-Hype hat auch die Telefonie erreicht. Lange stiefmütterlich behandelt, als Einzeldisziplin neben der Informatik, vollzieht sich ein lange vorausgesagter Trend, bei welchem Telekomdienste in die Informatik integriert werden. Endgültig vorbei sind die Zeiten, in welchen in Kämmerchen irgendwelche Amtschaltungen händisch umgehängt werden mussten, in welchen Telefonvermittleranlagen und deren Panels ganze Racks, ja ganze Serverräume füllten. Inzwischen sind Begriffe wie VoIP, Virtual PBX (vPBX) und Cloud auch auf Managerposten und Chefetagen angekommen. Ein amüsanter Nebeneffekt, der auftritt, sobald ein neuer Begriff die Runde macht, ist der, das jeder darüber spricht, mit Fachbegriffen um sich wirft und doch keiner recht weiss, was sie bedeuten. Je mehr Leute darüber sprechen, desto komplizierter wird es. Ganz wie bei den zu vielen Köchen, die den Brei verderben. Erschwerend kommt hinzu, dass es keine einheitliche Begriffsdefintion gibt, vielmehr Empfehlungen von technischen Standardisierungsorganisationen.

Hosted PBX vs. vPBX

Eine klare definitorische Abtrennung der Begriffe ist nicht möglich, zumal sie sich in einigen Punkten überschneiden. Beiden Möglichkeiten ist gemein, dass die Telefonie-Hardware komplett ausgelagert und in einem Datencenter betrieben wird. Spricht man von Hosted PBX – nicht zu verwechseln mit dem Hardware Hosting – wird ebenfalls das Grundsystem (z.B. Betriebssystem) vom Provider betrieben. Der Kunde verwaltet ausschliesslich «On-Top» das Telefoniesystem. Dementgegen steht das Prinzip der vPBX, bei welchem der Provider die vollumfängliche Systemkontrolle übernimmt und lediglich Funktionen einer Telefonanlage über ein Netzwerk bereitstellt. Als Synonym zu vPBX kann ebenfalls der Begriff Voice as a Service (VaaS) verwendet werden, sofern Kriterien wie Self-Service, Skalierbarkeit und «Pay-as-you-Go» (sprich Bezahlung bei Bedarf) auf ein Angebot zutreffen. vPBX kann als ergänzende Begriffskategorie zu VaaS verstanden werden, da die Aufgaben heutiger Telefonanlagen darüber hinausgehen, lediglich Sprachkanäle zur Verfügung zu stellen und Teilnehmer zu vermitteln.

Für wen sind diese Lösungen geeignet

Trotz vielfältiger anderer Kommunikationskanäle gehört die Sprachkommunikation nach wie vor zum wichtigsten Mittel im alltäglichen Geschäftsleben. Somit ist es unabdingbar, dass Unternehmen von Zeit zu Zeit nach einer neuen Lösung suchen, um veraltete zu ersetzen oder bestehende Telefoniedienste zu verbessern. Im Fokus von vPBX-Angeboten stehen kleine und mittelgrosse Unternehmen. Durch den vPBX-Einsatz können sich Firmen nicht nur lästiger technischer Aufgaben entledigen, sondern einfach und schnell die notwendigen Funktionen an veränderte Geschäftsanforderungen anpassen. Dies verhindert unnötigen Leerlauf und ermöglicht die Konzentration auf das Kerngeschäft beziehungsweise die Kernprozesse. Firmen mit komplexeren Anforderungen (z.B. IVR-Funktionen), welche ausserhalb der Standard- und Zusatzangebote von vPBX-Providern liegen, sind derweil mit einer Hosted-PBX-Lösung besser bedient, als Telefondienste von der Stange einzukaufen.
Attraktiv machen solche «As a Service»-Lösungen geringe Investitionen sowie die erhöhte Investitionssicherheit und Skalierbarkeit. Interessant ist zudem die einfache Vernetzung mehrerer Standorte sowie die gewonnene Mobilität, zumal sich Home-Office-Mitarbeiter, Geschäftsreisende und Aussendienstler von überall her anmelden und das Service-Angebot nutzen können.
Der grösste Nachteil ist sicherlich die Verlagerung eines wichtigen Kommunikationskanals auf die Internetleitung. Lässt man Voice und Daten über die gleiche Datenautobahn laufen, erhöht sich der Impact bei einem Ausfall. Konkret bedeutet dies, dass im schlimmsten Fall die gesamte Kommunikation mit der Aussenwelt zum erliegen kommt. Ein weiterer Gefahrenfaktor ist die Sprachqualität, wobei durch verbesserte Kompressionsverfahren (CoDec), Breitbandinternet sowie QoS, heutige VoIP-Kanäle zwar immer noch unter der gewohnten Qualität von ISDN liegen, aber durchaus zu überzeugen wissen.

Auf was zu achten ist

Bevor sich Unternehmen Hals-über-Kopf in ein Outsourcing- beziehungsweise vPBX-Abenteuer stürzen, sind einige Faktoren zu beachten. Was für alle ICT-Projekte gilt, verliert seine Berechtigung auch hierbei nicht. Jedes Unternehmen muss sich fragen, welches die jetzigen und zukünftigen Geschäftsprozesse sind, und – daraus folgend – welches die notwendigen Telefoniefunktionen. Ausgehend von diesem Pflichtenheft können dann die Erfolgskriterien, die Effizienz (Kosten), die Effektivität (Verbesserung) sowie die Flexibilität (Anpassungsfähigkeit) analysiert werden. Obwohl vPBX- beziehungsweise VaaS-Lösungen von der Stange tiefere Kosten bedeuten, müssen sich Unternehmen bewusst sein, dass jede Leistung ihren Preis hat. Verbessert man beispielsweise die Effizienz, verschlechtert sich automatisch die Effektivität oder Flexibilität beziehungsweise das providerseitige Leistungsangebot.
Gerade bei Outsourcing-Projekten werden Reibungsverluste durch Transaktionskosten unterschätzt oder gar nicht berücksichtigt. Die Suche nach dem richtigen Provider, Leistungsangebot und die Vertragsausgestaltung verschlingen Zeit. Ebenso sind der Übergang und die Synchronisierung der Arbeiten und Prozesse nicht zu vernachlässigen. Schlüsselpunkte in Provider-Standardverträgen sind Verfügbarkeit, Reaktionszeiten und Supportzeitfenster, welche es zu prüfen gilt.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass Unternehmen bei der Prüfung von Lösungen oftmals die Benutzerfreundlichkeit von Nutzer- und Administrations-Interfaces vergessen. Um in den vollen Genuss der Vorteile einer vPBX zu kommen, sollten auch Nicht-Fachleute in der Lage sein, Mutationen innerhalb der Telefoniedienste vorzunehmen. Daher ist es zu empfehlen, nach einer Vorselektion der Provider deren Benutzerschnittstelle in Augenschein zu nehmen.

Der richtige Partner

Ganz ohne Hardware geht es auch bei einer vPBX nicht. Theoretisch kann man auf fast alle Hardware, wie Tischtelefone, Faxe oder Dects verzichten. Aber zumindest ein Headset wird weiterhin benötigt.
Der Verzicht auf Hardphones ist sicherlich im Hinblick auf die Ersparnis von Investitionskosten verlockend, der Schuss kann aber auch nach Hinten losgehen. Zum einen ist der Einsatz von Softphones an die einwandfreie Funktion des Client-Rechners gebunden, zum anderen zeigt die Erfahrung, dass es auf die Akzeptanz der Benutzer ankommt. Es macht Sinn, die Meinung der Mitarbeiter einzuholen sowie einige Test-User mit Softphones auszustatten, bevor man die komplette Infrastruktur ohne Telefonendgeräte plant. Entscheidet sich ein Unternehmen für den Einsatz von Hardphones, ist darauf zu achten, dass die gewählten Endgeräte vom jeweiligen Provider unterstützt werden.
Beratung und Unterstützung können Unternehmen entweder direkt beim Provider oder bei einem ortsansässigen Partner des Providers erhalten. Diese übernehmen auch die Integration der Endgeräte in die bestehende Infrastruktur, Registration beim Provider sowie den On-Site-Support nach Projektabschluss. Um den optimalen Installationspartner zu finden, bietet jeder Provider auf seiner Homepage oder auf Nachfrage in der Regel eine Liste mit zertifizierten Partnern an.

Die Kosten

Bei allen «As-a-Service»-Lösungen fallen sicherlich die niedrigeren Investitionskosten positiv auf, welche auf den ersten Blick vielversprechend klingen. Hier ist allerdings Vorsicht angebracht, da selbstverständlich die Laufkosten höher sind. Ausserdem misst eine ROI-Berechnung die Kosten basierend auf einer definierten Laufzeit, nicht die darüber hinausgehende Verwendung einer lokal installierten PBX. Obwohl einschlägige Fachliteratur im Normalfall für ICT-Systeme eine Laufzeit von fünf Jahren (Abschreibungszeitraum) vorsieht, zeigt die Erfahrung, dass gerade proprietäre lokale PBX-Systeme länger laufen. Somit fällt ein Vergleich nicht immer ganz leicht.
Um einen realen Kostenvergleich zwischen einer vPBX und einer On-Premise-Lösung machen zu können, sollte man einander folgende Kostenfaktoren gegenüber stellen:

On-Premise
· Anschaffungskosten
· Installationskosten (System- und Endgeräte)
· Wartungs- und Support-Kosten
· Leitungskosten
· Kosten für allfällige Anpassung der Telefoniedienste
· Transaktionskosten


vPBX
· Setup-Kosten
· Installationskosten (Endgeräte)
· Laufkosten
· Kosten für evtl. Anpassung der Telefoniedienste
· Transaktionskosten

Im Direktvergleich können andere Kostenkategorien (z.B. Gesprächskosten) ausser Acht gelassen werden, da diese nicht von der gewählten Telefonsystemlösung abhängen. vPBX-Provider bieten ein Grundangebot und Zusatzdienstleistungen an. Hinzu kommen noch die Setup-Kosten sowie diejenigen für die lokale Installation der Endgeräte.
In unserer Marktübersicht zeigen wir die wichtigsten Schweizer Anbieter von vPBX, die in der ganzen Schweiz über Endgeräte-Integratoren verfügen, welche beim Endkunden Hardware installieren. Auf Preisangaben haben wir verzichtet, da diese abhängig sind von Faktoren wie der Zusammenstellung der Funktionen, der Anzahl Teilnehmer oder der Grösse des Nummernblocks.


B.Sc. CAS CLS Damir Sulejmanovski ist Produktmanager und Engineer bei Suprag (www.suprag.ch), einem hochspezialisierten Lieferanten von Endgeräten für die Sprachkommunikation.


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