Chancen und Risiken von gTLDs
Quelle: Matthias Ebneter

Chancen und Risiken von gTLDs

Von Matthias Ebneter

Noch rund einen Monat können sich Unternehmen und Organisationen um eine neue, generische Top Level Domain bewerben. Wir zeigen, was dabei zu beachten ist.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/03

     

Die globale Verwaltungsstelle von Internetadressen ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) hat das System der so genannten generischen Top Level Domains (gTLDs) oder Domain-Endungen liberalisiert. Zu den 22 bestehenden generischen Domain-Endungen wie .com, .org oder .info sollen neue, sach- beziehungsweise produktbezogene (z.B. .hotel, .pizza), geografische (.schweiz) oder markenbezogene Endungen (.apple, .yahoo) hinzukommen. Interessierte Unternehmen, Organisationen und Körperschaften, die eine neue gTLD beantragen möchten, können sich seit dem 12. Januar 2012 bei der ICANN (newgtlds.icann.org) bewerben. Die Anträge müssen in einem ersten Anmeldefenster bis zum 12. April 2012 direkt bei der ICANN eingereicht werden. Bewerber müssen sich zudem bereits bis zum 29. März 2012 über den virtuellen Schalter bei der ICANN registrieren. Mit dem neuen Programm für generische TLDs erhalten Unternehmen, Körperschaften und Organisationen die Möglichkeit, ihre Kennzeichen (Marken, Firmen, Namen etc.) im Internet besser zu positionieren, neue Märkte zu erschliessen oder die eigene Identität zu fördern.

Da jeder Domainname zumindest aus einer Top Level Domain (z.B. example.com) und einer Second Level Domain (z.B. example.com) besteht, wird mit der Einführung neuer gTLDs eine Unzahl Möglichkeiten für neue Kombinationen geschaffen. Kritiker befürchten Zusatzkosten für Unternehmen, die einerseits zu ihrem Schutz neue Domainnamen registrieren und verteidigen und anderseits unzählige neue Top Level Domains überwachen und gegen Verletzungen ihrer Rechte durch andere Domainnamen vorgehen müssen. Ausserdem befürchten Kritiker, dass das Internet auch für Verbraucher unübersichtlicher und damit weniger vertrauenswürdig wird.

Das Anmeldeverfahren

Wer sich um eine neue gTLD bewirbt, muss gegenüber der ICANN beweisen, dass er in der Lage ist, eine Registry (Registrierungsstelle) mit dieser gTLD längerfristig zu betreiben. Wer eine neue gTLD beantragt, muss also bereit sein, die Tätigkeit einer Domain-Registrierungsstelle (wie dies z.B. Switch tut) auszu-üben, was entsprechende Hard- und Software, aber auch eine administrative Infrastruktur voraussetzt. Es ist also nicht möglich, eine gTLD nur mit dem Ziel zu reservieren, Dritte von der Benutzung abzuhalten oder um «Domain Squatting» oder «Cyber Squatting» zu betreiben. Eine wesentliche Schwelle für Anmelder wird schon mit den Kosten gesetzt. Für die Bearbeitung eines Antrags verlangt die ICANN eine Zahlung von 185’000 Dollar pro beantragter Endung. Hinzu kommen die Kosten im Zusammenhang mit der Ausarbeitung des Antrags und des Anmeldeverfahrens auf Seiten des Antragstellers. Die geltenden Regeln für Antragsteller sind im so genannten Applicant Guidebook beschrieben. Dieses Applicant Guidebook beschreibt unter anderem auch die anwendbaren Verfahren bei Konflikten von beantragten Domain-Endungen mit anderen (bestehenden oder beantragten) Domain-Endungen und Kennzeichen.

Rechtsschutz im Anmeldeverfahren

Die ICANN hat bereits im Anmeldeverfahren Mechanismen vorgesehen, welche Rechte­inhaber gegen beantragte neue gTLDs schützen sollen. Wer sich in seinen Rechten verletzt fühlt, kann nach der Publikation gegen eine beantragte neue gTLD innert der Einsprachefrist Einsprache erheben. Die Publikation dieser Domains wird nach Schluss des Anmeldefensters erfolgen. Geschützt werden sollen unter anderem bereits existierende oder angemeldete gTLDs, wenn eine neuere Anmeldung mit der älteren gTLD verwechselbar ist («String Confusion Objection»). Auch bestehende Rechte an Kennzeichen (insbesondere Marken) können ein Grund für eine Einsprache sein («Legal Rights Objection»). Zum Schutz öffentlicher Interessen können auch ethische oder politische Argumente ins Feld geführt werden («Limited Public Interest Objection»). Schliesslich werden auch Communities geschützt, sofern diese durch eine angemeldete neue gTLD in ihren Rechten betroffen sind («Community Objection»). Als Communities gelten etablierte Organisationen, welche eine klar abgegrenzte Gemeinschaft vertreten. (Der Begriff ist von der ICANN bewusst relativ vage und offen formuliert worden.)

Solche Einsprachemöglichkeiten stehen grundsätzlich auch Regierungsstellen offen. Diese haben über das Governmental Advisory Commitee (GAC), welches die ICANN einberufen hat, jedoch auch im Rahmen der ICANN selbst einen gewissen Einfluss darauf, welche neuen gTLDs vom ICANN Board zugeteilt werden. Erst nachdem allfällige Einsprachen erledigt sind, wird die neue gTLD dem Antragsteller effektiv zugeteilt. Der Antragsteller muss eine Vereinbarung mit der ICANN unterzeichnen, in welcher er verschiedene Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Betrieb der neuen gTLD und als entsprechende Registrierungsstelle übernimmt. Nach Tests der technischen Infrastruktur durch die ICANN kann die neue gTLD schliesslich in Betrieb genommen werden.

Rechtsschutz nach dem Launch neuer gTLDs

In der ersten Phase der Inbetriebnahme muss die neue Registrierungsstelle für die neue gTLD eine so genannte Sunrise Period (mindestens 30 Tage) durchführen, innert welcher Rechteinhaber (insbesondere Markeninhaber) ein Vorrecht auf die Registrierung entsprechender Second Level Domains mit der neuen Domain-Endung haben. Zur Unterstützung hat die ICANN ein zentrales Trademark Clearinghouse vorgesehen, das im Herbst 2012 in Betrieb gehen soll. Die Kosten für dessen Betrieb sollen von den Nutzern getragen werden (Markeninhaber, Registrierungsstellen). In einer zentralen Datenbank können Markeninhaber dort ihre Marken eintragen lassen. Diese Datenbank müssen neue Registrierungsstellen einerseits im Rahmen der Sunrise Period nutzen, um Markeninhaber zu informieren. Anderseits müssen neue Registrierungsstellen während einer ersten Phase (mindestens 60 Tage) nach dem offiziellen Launch in der Datenbank registrierte Markeninhaber über potentielle kennzeichenrechtliche Konflikte infolge neu registrierter Second Level Domains informieren. Wer in seinen Markenrechten verletzt wird, kann unter anderem das «Uniform Rapid Suspension System» in Anspruch nehmen, welches bei klaren Verhältnissen eine rasche Blockierung von Second-Level-Domainnamen erlaubt, wenn die Registrierung bösgläubig – also mit schädigenden Absichten – erfolgt ist.

Darüber hinaus ist von der ICANN vorgesehen, dass Rechteinhaber auch nach der Inbetriebnahme neuer gTLDs gegen den Antragsteller beziehungsweise die neue Registrierungsstelle vorgehen können, wenn die neue gTLD ihre Rechte verletzt. Markeninhaber können geltend machen, die neue gTLD sei identisch oder verwechselbar mit einer bestehenden Marke. Auch Communities beziehungsweise ihren Organisationen steht es offen, gegen neue gTLD auch nach der Inbetriebnahme ein Verfahren einzuleiten. Bei beiden Verfahren handelt es sich um so genannte «Dispute Resolution Policies», welche eine aussergerichtliche Einigung zwischen den Parteien anstreben.

Community-based gTLDs

Bemerkenswert ist, dass die Registry nicht zwingend dem Publikum zugänglich sein muss. Eine Registry für eine neue gTLD kann gänzlich offen betrieben werden, womit nach der Inbetriebnahme jeder eine Second-Level-Domain unter der neuen gTLD registrieren kann. Daneben ist es (insbesondere bei einer Bewerbung als Community bzw. bei community-based gTLDs) auch möglich, die Registry nur für einen begrenzten Kreis von Personen zu öffnen – so etwa nur für die eigenen Kunden eines Unternehmens. Damit steht es Unternehmen frei, die Registry für eine gTLD so zu führen, dass nur das besagte Unternehmen oder Unternehmen des zugehörigen Konzerns Second Level Domains reservieren können. In einem solchen Zusammenhang können sich gerade bei sach- oder produktbezogenen gTLDs auch kartellrechtliche Fragen stellen.

Was bedeuten die neuen gTLDs für Markeninhaber?

Für Markeninhaber gibt es mehrere mögliche Vorgehensweisen und Strategien, mit der Öffnung des Systems generischer Top Level Domains umzugehen. Wie bei der Einführung jeder neuen Top Level Domain werden, grundsätzlich unabhängig von der konkreten Top Level Domain, Möglichkeiten für neue Markenverletzungen oder andere Rechtsverletzungen geschaffen, weil Dritte mit den Marken identische oder verwechselbare Zeichen als Second Level Domain unter der Top Level Domain registrieren und entsprechend nutzen können. Die beste vorbeugende Massnahme gegen mögliche Markenverletzungen ist eine Registrierung der Marken beim Trademark Clearinghouse der ICANN.
Während der Sunrise Period beziehungsweise nach dem Launch neuer generischer TLDs sollten sich Markeninhaber zusätzlich überlegen, ob sie gewisse Second Level Domains für sich selbst registrieren lassen möchten.
Damit lassen sich Konflikte mit Dritten reduzieren, die durch die Registrierung mit der Marke identischer oder verwechselbarer Second-Level-Domains entstehen können, und der Markeninhaber kann gleichzeitig seine eigene Position stärken und seine Marke positionieren. Anzufügen ist: Die Registrierung im Trademark Clearinghouse der ICANN für sich allein verhindert Konflikte mit Dritten infolge der Registrierung mit der Marke identischer oder verwechselbarer Second Level Domains nicht, sondern dient in erster Linie Informa­tionszwecken.
Die kurzfristig wohl aufwendigste und teuerste Massnahme ist vermutlich, für die eigenen Marken – oder zumindest für Top-Marken – eigene Top-Level-Domains zu beantragen. Weil nicht nur die Anmeldung einer eigenen gTLD, sondern auch deren Betrieb als Registrierungsstelle mit grossem Aufwand verbunden ist, sollten sich Markeninhaber diesen Schritt gut überlegen und sich entsprechend beraten lassen.


Matthias Ebneter ist Rechtsanwalt bei Rentsch Partner AG in Zürich und Spezialist für IT-Recht.



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