Frauen für die IT gewinnen

von Silke Kemnitz

Frauen könnten zur Lösung des IT-Fachkräftemangels beitragen. Dazu muss allerdings das Image des Berufsfeldes verbessert werden und ein Umdenken stattfinden.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2011/11

     

Trotz steigender Bedeutung und vielfältiger Verbesserungsmassnahmen herrscht im Bereich ICT generell ein Nachwuchs- und Ausbildungsmangel. Und Frauen in der IT sind immer noch deutlich in der Unterzahl, wie aktuelle Zahlen zeigen (siehe «Frauen in der IT»). Grund genug, sich zu fragen, wie es denn um den weiblichen IT-Nachwuchs bestellt ist.

Junge Frauen sind in der Unterzahl

Berufe der ICT, die in einer Berufslehre erlernt werden können, werden auf den Webseiten der ICT-Berufsbildung vorgestellt: Informatiker/-in EFZ, Mediamatiker/-in EFZ und Informatikpraktiker/-in EBA heissen die aktuellen Ausbildungsberufe der ICT. Zu finden sind Erklärungen, welche Tätigkeit der Beruf beinhaltet und welche Anforderungen gestellt werden. Zum besseren Verständnis finden sich auf der Website ebenfalls Videos zum jeweiligen Beruf.
Das Video zur Informatiker/-in steuert das Schweizer Fernsehen bei: Ein junger Applikationsentwickler, der um acht Uhr morgens seine Rechner aufstartet, um zehn Uhr einen Pausenraum voller Männer (mit Ausnahme zweier Frauen) betritt, um sich mit ihnen auszutauschen, und der die Abwechslung in seinem Beruf liebt. Wohl kaum eine Darstellung, die bei jungen Frauen auf uneingeschränkte Begeisterung stösst.

Mediamatik-Lernende haben ein Video zum Beruf Mediamatiker/-in gedreht. Auch bei diesem Berufsbild ist die aktive Darstellung mehrheitlich in Männerhand, während die Darstellung der weiblichen Lernenden wenig aussagekräftig ist.
Das Video zum/r Informatikpraktiker/-in schliesslich stammt vom Schweizerischen Verband für Berufsberatung SVB. Wenigstens hier verlegt eine junge Frau tatkräftig Kabel, während sich ihre männlichen Kollegen um die Ticketaufnahme, Programmierung und Hardware-Reparatur beziehungsweise Implementation kümmern.


Damit liegt der Verdacht nahe, dass auch im ICT-Berufsbildungsbereich junge Frauen in der Unterzahl sind. Und die männlich dominierte Berufsdarstellung ist leider kaum geeignet, daran etwas zu ändern. Offensichtlich wird die Unterzahl der Frauen indes in der Statistik der Informatikstudierenden der ETH Zürich von 1990 bis 2010. Der Frauenanteil in dieser Statistik liegt im Jahr 2010 bei knapp 11 Prozent – 850 Männern stehen 110 Frauen gegenüber (mehr dazu im Kasten unten links).

Veraltete Rollenbilder

Auch wenn die Berufe und Ausbildungen in der ICT multidimensional und für Frauen und Männer gleichermassen geeignet sind, so stehen der Realität dennoch veraltete Rollenbilder, falsche Vorstellungen oder gar Unkenntnis sowie fehlende Lehrstellen gegen-über. Eine Umfrage unter Schülerinnen und Schülern, was sie von Informatikern halten, zeigt die falsche Vorstellung deutlich: Bestätigt wird mehrheitlich das Image des «unsozialen Typen am PC». Jedoch konnten sich einige der jungen Männer vorstellen, einen IT-Beruf zu ergreifen, da er zukunftsträchtig sei und Geld bringe. Die jungen Frauen hingegen konnten sich erst etwas unter IT vorstellen, nachdem sie ein Praktikum absolviert hatten. Alle wiederum, die praktische Erfahrungen sammeln konnten, gaben an, sich eine Tätigkeit in der ICT vorstellen zu können.


Dass Informatik an Schulen kein Pflichtfach ist, ist sicher nicht von Vorteil, um die Wichtigkeit, Notwendigkeit und Attraktivität von Informationstechnologien zu vermitteln. Die fakultativen Angebote sowie die vielfältigen Initiativen von Organisationen, Stiftungen oder Unternehmen, Informatik im Rahmen von Workshops oder Lektionen in die Schulen zu bringen, können dieses Manko nicht ausgleichen und sind keinesfalls Kontinuität sichernd. Es gilt daher heute mehr denn je, der ICT auf politischer Ebene die ihr zustehende Wichtigkeit beizumessen, das Image der ICT zu verbessern und dem Fachkräftemangel mit Ausbildungsangeboten entgegen zu wirken. Schliesslich sind auch die jungen Frauen aufgefordert, sich aktiver mit dem Tätigkeitsfeld ICT auseinanderzusetzen und eigene Vorurteile abzubauen.

Frauen in der IT – gibt es sie?

Diese Frage ist angesichts der häufig von Männern dominierten IT-Abteilungen der Schweizer Firmen nicht ganz abwegig. Doch stimmt dieser Eindruck tatsächlich, oder sind die IT-Damen nur weniger sichtbar? Donna Informatica, eine Fachgruppe der Schweizer Informatik Gesellschaft SI, die sich für Frauen in der IT stark macht, hat versucht, diese Frage anhand von konkreten und aktuellen Zahlen zu beantworten.


Laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) wies der Sektor Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) im Jahr 2008 25,6 Prozent weibliche Beschäftigte aus, oder anders ausgedrückt standen damals 126’802 Männer 43’630 Frauen gegenüber. Leider werden damit einerseits nur Unternehmen der IKT-Wirtschaftszweige berücksichtigt; die zahlreichen IT-Abteilungen von Banken oder anderen Nicht-IKT-Unternehmen sind explizit ausgeschlossen. Andererseits werden keine spezifischen Berufe oder Tätigkeiten unterschieden, was bedeutet, dass auch Nicht-IT-Frauen eingeschlossen worden sind. Und schliesslich beziehen sich die Angaben auf die Jahre 1985 bis 2008, sodass bei einem so dynamischen Sektor wie der IKT schwerlich von aktuellen Zahlen gesprochen werden kann.
Eine aktuellere, aber allgemeinere Statistik des BFS, die Wirtschaftsbranchen und Geschlecht, jedoch wiederum keine spezifischen Berufe oder Tätigkeiten unterscheidet, ist die Beschäftigungsstatistik: Diese weist im ersten Quartal 2011 im Bereich «Informationstechnologie und Informationsdienstleistungen» eine Frauenquote von 22,9 Prozent aus, im Bereich «Telekommunikation» eine solche von 30,1 Prozent. Auch wenn damit die Frage nicht mit konkreten und aktuellen Zahlen beantwortet ist, wird daraus dennoch ersichtlich: Frauen in der IT sind immer noch deutlich in der Unterzahl.

Silke Kemnitz

Silke Kemnitz ist Mitglied des Leitungsteams von Donna Informatica. Die komplette, ungekürzte Version ihres Artikels zum Thema Frauen in der IT finden Sie in «Swiss Made Software – das Buch Vol. 1».


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