Editorial

Google und die Geister


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/04

     

So schnell kann es manchmal gehen. Google, noch vor kurzem eines der angesehensten Unternehmen der New Economy und mit Sicherheit dasjenige mit dem saubersten Renommee, arbeitet derzeit mit aller Kraft daran, dieses blitzblanke Image gleich selber zu demontieren.

Als der Gigant vor rund einem Monat seine chinesische Suchmaschine eröffnete und gleich­zeitig bekanntgab, dass diese nach den Vorgaben der Behörden zensiert werde, lief die
Gemeinde der Bürgerrechtler und Verfechter der Meinungsfreiheit Sturm: Ein schwarzer Tag
für die Demokratie sei dies, erklärten etwa die «Reporter ohne Grenzen».






Nicht gleich die Demokratie, aber immerhin die gesamte Privatsphäre der Anwender sieht die Electronic Frontier Foundation gefährdet, und zwar durch ein neues Feature in Google Desktop 3. Die Funktion «Search Across Computers» erlaubt nämlich die Suche in Indizes auch anderer Rechner über das Internet. Bedingung dazu ist einzig ein Google-Account, und schon werden bei unvorsichtiger Rechnerkonfiguration alle indizierbaren Informationen für einen Monat
in der Google-Datenbank abgelegt – vom Liebesbrief über Steuererklärungen bis hin zu
medi­zinischen Unterlagen alles, was sich auf privaten Rechnern so findet.




Noch schlimmer allerdings trifft es die Unternehmen, wie Gartner verlauten liess. Jegliche Information, die ausserhalb eines Unternehmens gespeichert werde, sei ein Sicherheitsrisiko, sagt die Consulting-Firma. Das Filesharing-Feature sei deshalb umgehend auszuschalten. Andernfalls sei es nur eine Frage der Zeit, bis Geschäftsgeheimnisse via Google verbreitet würden.

Viel und ungewohnte Kritik für die Suchmaschinen-Saubermänner, deren Motto «Don’t be evil» lautet. Denn eigentlich meint es Google gemäss seinem Leitbild ja nur gut. Das Filesharing-Feature kann sich mitunter als recht praktisch erweisen, und auch die Millionen Chinesen werden sich bestimmt über die besseren Suchmöglichkeiten freuen, selbst wenn darin nichts über Tibet oder Taiwan zu finden ist.

Dennoch: Die sie riefen, die Geister, werden die Zauberlehrlinge von Google so schnell nicht mehr los.




Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wieviele Zwerge traf Schneewittchen im Wald?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER