Digital-Kameras: Pixelriesen im Test

Mit Pixelrekorden versuchen die Hersteller, der analogen Fotografie das Wasser abzugraben. In der Praxis sind aber weitere Kriterien wichtig.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/21

     

Die digitale Fotografie wird langsam erwachsen: Glaubt man den Herstellern und Analysten, wird der weltweite Umsatz mit Digicams im Jahr 2002 erstmals denjenigen von analogen Kameras übertreffen. Auch hinsichtlich verkaufter Stückzahlen dürften sich die Digicams damit den analogen Modellen weiter annähern.



Dass die herkömmliche Fotografie mittlerweile alles andere als analog ist, ist dabei ein offenes Geheimnis: Mit allerlei Automatiken in den Kameras und "intelligenten" APS-Filmpatronen hat die (digitale) Elektronik in der Analog-Welt schon lange Einzug gehalten, immerhin wird hier aber das Bild noch konventionell auf Film belichtet. Spätestens im modernen Grosslabor wird aber jedes Bild digital: Nach der Entwicklung werden die Negative gescannt und dann auf Fotopapier vergrössert - oder gleich auf CD gebrannt.




Bei der wachsenden Gruppe der Interessenten für eine digitale Kamera wird meist immer noch die Anzahl Megapixel als einzig wichtiger Faktor für die Bildqualität einer digitalen Kamera gehandelt. Kein Wunder: Die Megapixel-Zahl ist nach wie vor eines der beliebtesten Marketing-Instrumente der Hersteller. Von einer Bildqualität, die mit derjenigen herkömmlicher Kleinbildkameras gleichzieht oder sie sogar übertrifft, ist da zu lesen, von grenzenloser Flexibilität und kreativen Freiheiten.


Auflösung ist nicht alles

Tatsächlich ist die Anzahl Megapixel eine wichtige Grundlage für eine gute Bildqualität. Sie ist allerdings nicht das einzige Kriterium, und vor allem wird mit dieser Zahl allerlei Schindluder getrieben.



Natürlich verfügt ein 5-Megapixel-Sensor tatsächlich über 2560x1920 einzelne Pixel. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn über dem Chip ist ein RGB-Farbfilter eingebaut, der den prinzipiell farbenblinden Helligkeitssensoren erst die Fähigkeit gibt, Farben zu erkennen. Rein rechnerisch drittelt sich damit die Auflösung des Chips, weil jeder Sensor nur noch für die jeweilige Primärfarbe empfindlich ist. Die tatsächlichen, kompletten Farbwerte für ein beliebiges Pixel werden aus den benachbarten Bildelementen interpoliert, was in einer um rund 30 Prozent unter dem nominellen Wert liegenden effektiven Auflösung resultiert. Ein 5-Megapixel-CCD liefert demnach eine effektive Auflösung von "bloss" rund 3,5 Megapixeln.




Hier findet sich aber auch der Punkt, an dem die digitale Kamera mit einer analogen gleichzieht. Ein guter Kleinbildfilm löst nämlich theoretisch rund 100 Linienpaare pro Millimeter Bildhöhe auf, was rund 34 Megapixeln entspricht. Spitzenobjektive können davon allerdings gerade noch die Hälfte auflösen, was in einer Auflösung von 9 Megapixeln resultiert. Eine typische Kleinbild-Kompaktkamera erreicht dagegen im besten Fall noch rund 3 Megapixel, ist von der Auflösung her also mit einer modernen 5-Megapixel-Kamera durchaus vergleichbar.




Hohe Lichtstärke

Aus obigen Berechnungen folgt, dass der limitierende Faktor sowohl bei analogen als auch bei digitalen Modellen die verwendete Optik ist. Allerdings sind die Anforderungen bei digitalen Kameras aufgrund der kleinflächigen CCDs wesentlich höher als bei analogen Geräten. Wie es scheint, haben die Hersteller von kompakten Digicams das vorläufige Ende der Fahnenstange bereits erreicht.



Das zeigt sich auch bei unseren drei Testkandidaten: Während die eigentlichen Kameras im Vergleich zu früheren Modellen stetig schrumpfen, wachsen die Masse der Objektive überproportional. So besteht etwa die Sony Cybershot DSC-F707 zu gut zwei Dritteln aus dem Objektiv, und auch bei der Olympus E-20P nimmt die Optik gut die Hälfte der gesamten Masse ein. Auch bei Nikon wurde das noch mit der Coolpix 995 verfolgte Konzept des verdrehbaren Bodys zugunsten eines grösseren Objektivs aufgegeben.




Eine sehr positive Folge der vergrösserten Abmessungen ist dabei die höhere Lichtstärke, über die solche Objektive verfügen. Sowohl die Olympus- als auch die Sony-Kamera bieten vergleichsweise hohe Werte von f/2.0-2.4 (Weitwinkel-/Telebereich), die Nikon Coolpix 5000 fällt dagegen mit ihren f/2.8-4.8 ein wenig ab - eine deutliche Folge des vergleichsweise kleiner dimensionierten Objektivs.




Performance entscheidet

Ein anderer wichtiger Aspekt bei der Wahl einer digitalen Kamera wirkt sich zwar nicht direkt auf die Bildqualität aus, hat aber einen wesentlichen Einfluss darauf, ob der Fotograf mit seinen Aufnahmen zufrieden sein wird: die Performance nämlich. Dauert es zu lange, bis die Kamera gestartet und aufnahmebereit ist, ist die fotogene Situation mitunter schon vorbei, wenn das Bild endlich aufgenommen wird. Dazu kommt, dass die Autofokus-Systeme vieler Kameras nicht gerade "state-of-the-art" sind und bei schlechten Lichtsituationen einige Mühe haben, auf das Motiv scharfzustellen. Und gerade bei 5-Megapixel-Kameras macht sich die relativ lange Bildfolgezeit negativ bemerkbar, weil das Gerät bei der anfallenden Menge an Daten natürlich länger braucht, um sie auf die Speicherkarte zu schreiben.



Die Performance-Werte unserer Testgeräte unterscheiden sich deutlich: Während die Nikon Coolpix 5000 mit über sechs Sekunden mit Abstand am längsten braucht, bis das System aufnahmebereit ist, bietet sie mit etwas weniger als einer halben Sekunde in Sachen Auslöseverzögerung den besten Wert. Am schnellsten startet die Sony DSC-F707 auf (1,6 Sekunden), während die Olympus E-20P dafür fast drei Sekunden benötigt. Bei der Auslöseverzögerung liegen diese beiden Kameras mit 0,6 Sekunden ungefähr gleichauf.
Die besten Werte bei der Bildfolge zeigt die Coolpix 5000, die zwischen zwei Aufnahmen nur 2 Sekunden verstreichen lässt. Sonys DSC-F707 benötigt dafür ähnlich wie die Olympus-Kamera rund 3 Sekunden. Allerdings sind diese Werte mit Vorsicht zu geniessen: Die Bildfolgezeiten sind nämlich unter anderem von der Bildgrösse, der Grösse des internen Buffers, der Schreibgeschwindigkeit auf das Speichermedium, mitunter vom Einsatz des Monitors sowie von verschiedenen weiteren Faktoren abhängig.





Stromversorgung und Speicher

Ein weiteres wichtiges Kriterium bei der Wahl einer Digicam ist deren Stromversorgung. Hier verfolgen die Hersteller unterschiedliche Konzepte: Während die einen auf proprietäre Akkus setzen, verwenden andere Batterien und Akkus im Standardformat. Der grosse Vorteil von Standardbatterien ist der, dass sie überall erhältlich sind. Auf der negativen Seite stehen die oft bessere Leistung von (proprietären) Akkus, die anfallenden Kosten sowie nicht zuletzt auch das Entsorgungsproblem.



Akkus dagegen sind auf den ersten Blick zwar teuer, bieten aber eine gute Leistung und sind schnell amortisiert. Dafür wird in den meisten Fällen ein mehr oder weniger voluminöses Ladegerät benötigt.




Von unseren Testkameras arbeitet nur die Olympus E-20P wahlweise mit Batterien oder Akkus im gebräuchlichen AA-Format. Die Kamera wird damit für knapp 3 Stunden mit Strom versorgt. Die beiden anderen Kandidaten nutzen proprietäre Akkus, die im Fall von Nikon rund 2,5 Stunden halten und bei Sony sogar hervorragende 4,5 Stunden lang Strom liefern.



Ähnliche Unterschiede finden sich bei den Speichermedien. Sony setzt hier auf das hauseigene Memorystick-Format, das derzeit in Grössen bis 128 MB erhältlich ist. Nikon nutzt CompactFlash-Karten, die bis zu einem Gigabyte an Daten speichern können. Olympus schliesslich hat der E-20P zwei Einschübe spendiert, die einerseits CompactFlash- und andererseits SmartMedia-(SM)-Karten aufnehmen. SM-Karten gibt es mit Kapazitäten bis 128 MB. Gesamthaft hat im Markt der Speichermedien das CompactFlash-System die Nase vorn: Die Karten bieten nicht nur höchste Kapazitäten, sondern sind im Vergleich zu ihren Konkurrenten bei gleicher Grösse auch weniger teuer.



Bei den mitgelieferten Karten zeigt sich nur Nikon halbwegs grosszügig, die als einzige Herstellerfirma 32 MB beilegt. Das reicht für zwei Bilder in höchster Auflösung und bester Bildqualität. Mit JPEG-Komprimierung finden darauf immerhin 13 Aufnahmen Platz. Olympus und Sony dagegen beschränken sich auf mickrige 16 MB, was bei höchster Qualität für gerade mal ein einziges Bild und im JPEG-Modus für rund 5 Bilder reicht.




Nikon Coolpix 5000

Mit der Coolpix 5000 hat Nikon sein bewährtes Konzept der gegeneinander verdrehbaren Gehäusehälften für einmal aufgegeben. Als Reminiszenz bleibt einzig der sehr praktische dreh- und schwenkbare TFT-Monitor, ansonsten zeigt die Kamera mit ihrem soliden schwarzen Magnesiumgehäuse eine klassische Bauform. Das Gerät wirkt robust und kompakt - wobei sich letzteres bei grossen Händen eher als Nachteil erweist.



Unter den dicht gedrängten Knöpfen und Wippschaltern leidet auch die Bedienbarkeit: Einige Bedienkombinationen zwischen Tasten und Einstellrad sind einhändig kaum zu bewerkstelligen, und auch das Zoomen wird durch die im Daumenwulst eingelassene Wippe eher erschwert. Sehr gut gefallen hat uns das bei Kompakt-Digicams selten gesehene Weitwinkelformat, das die Kamera mit einer minimalen Brennweite von 28 mm (entspr. KB) bietet. Dafür ist in Sachen Tele bereits bei mageren 85 mm Schluss.




Von der Ausstattung her lässt die Coolpix 5000 kaum Wünsche offen. Neben allen üblichen voll- und teilautomatischen Belichtungsfunktionen finden sich Einstellmöglichkeiten für Farbe, Schärfe und Kontrast sowie die Möglichkeit, individuelle Presets zu speichern. Ein Highlight, das derzeit nur Nikon bietet, ist die Weissabgleich-Belichtungsreihe. Vermisst haben wir allerdings ein RAW-Format, das die Speicherung von unbearbeiteten Daten erlaubt.



Eher enttäuschend ist die Leistung des Fünf-Punkt-Autofokus bei ungünstigen oder schwachen Lichtverhältnissen; hier ist auch das Fehlen eines AF-Hilfslichts sehr negativ aufgefallen.



Was die Bedienung betrifft, entspricht die Coolpix 5000 weitgehend ihren Vorgänger-Modellen mit ihren zunächst wenig intuitiven, in der Praxis aber effektiven Menüs.



Insgesamt bietet Nikons Coolpix 5000 eine sehr gute Mischung von Features für die kreative Fotografie. Ausgewogen ist auch der Lieferumfang, auch wenn die im Vergleich zur Konkurrenz mit 32 MB "grosse" Speicherkarte für eine 5-Megapixel-Kamera immer noch deutlich zu klein ist.




Olympus E-20P

Eine Kamera mit professionellem Anspruch legt Olympus mit der E-20P vor. Dies unterstreicht die über ein Kilo schwere echte Spiegelreflex-Kamera mit ihrem lichtstarken, fest eingebauten 3fach-Zoomobjektiv hoher Güte. Allerdings bietet der Zoombereich im Vergleich zum Kleinbild mit 35 mm nur ein eher bescheidenes Weitwinkel, und auch das Ende auf der Teleseite ist mit 140 mm bald erreicht.



Semiprofessionelle Ansprüche kann die E-20P mit ihrem Serienbild-Modus abdecken, der bis zu 4,5 Aufnahmen pro Sekunde schafft - allerdings reicht der interne Kamerabuffer gerade mal für vier Aufnahmen, bevor die Serie zum Speichern abgebrochen wird. Leider zeigt die Kamera dieses Verhalten unabhängig von der gewählten Bildauflösung; sie nimmt aber immerhin sofort wieder Bilder auf, sobald im Buffer genügend Speicherplatz freigegeben wurde.




Sehr schnell arbeitet auch der Autofokus, der bei Bedarf von einem unsichtbaren Infrarot-Hilfslicht unterstützt wird. Allerdings arbeitete der Autofokus in unseren Tests trotz dieser Hilfe nicht immer korrekt, es kam vor, dass zwar die Fokussierungslampe im Sucher leuchtete, das Bild aber dennoch unscharf war. Störend aufgefallen ist auch, dass dem Auslöser ein klar definierter Druckpunkt fehlt.



Hinsichtlich der Bedienung und Ausstattung vermag die Olympus E-20P weitgehend zu überzeugen. Die Kamera bietet alle voll- und halbautomatischen Belichtungsmöglichkeiten sowie einen manuellen Modus; vermisst haben wir allerdings die bei Spiegelreflexkameras übliche Programmshift-Funktion. Alle wichtigen Bedienungselemente sind am Gehäuse angebracht, auf das intuitiv bedienbare Menü muss nur für selten gebrauchte Funktionen zugegriffen werden. Ein grosses Manko ist allerdings das Fehlen einer Schärfentiefen-Kontrolltaste.



Alles in allem hinterlässt die Olympus E-20P damit einen eher zwiespältigen Eindruck: Sie ist zwar eine ausgewachsene Spiegelreflex-Kamera mit vielen professionellen Funktionen, die aber leider teils nur halbherzig implementiert wirken.



Raum für Verbesserungen gibt es bei Olympus auch beim Lieferumfang: Bei einer Kamera in dieser Preisklasse sollte man mehr als eine magere 16-MB-Speicherkarte, ein umfangreicheres Softwarepaket und nicht nur einen Satz Einwegbatterien erwarten dürfen.




Sony Cybershot DSC-F707

Ähnlich voluminös wie die Olympus-Kamera und mit über 700 Gramm nur wenig leichter präsentiert sich Sonys Cybershot DSC-F707. Allerdings handelt es sich dabei um eine reinrassige Sucherkamera mit einem lichtstarken 5fach-Zoom, das den Brennweitenbereich von 38 bis 190 mm abdeckt. Bedient wird das Zoom über eine Wipptaste, der Gummiring am Objektiv dient ausschliesslich der manuellen Scharfstellung. Damit diese präzise gelingt, vergrössert die Kamera das Sucherbild automatisch. Nötig wird das allerdings eher selten sein, da die Kamera über einen guten Autofokus verfügt, der in Notsituationen durch ein Laser-erzeugtes rotes Gittermuster unterstützt wird.



Als Sucher kommt ein überraschend hochauflösendes zusätzliches TFT-Display zum Einsatz, das grundsätzlich dieselben Daten anzeigt wie der im Gehäuse integrierte Monitor. Die Umschaltung erfolgt über einen Schalter.




Die Handhabung der F707 ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, nicht zuletzt, weil die Kamera bei der Benutzung des Suchers vergleichsweise ungewohnt in der Hand liegt. Hat man sich daran gewöhnt, lässt sich das Gerät allerdings intuitiv bedienen; die wichtigsten Funktionen werden über gut plazierte Knöpfe am Gehäuse schnell erreicht, das Menü wird nur selten benötigt.



Auch die Sony-Kamera bietet alle voll- und teilautomatischen Aufnahmefunktionen neben einem manuellen Modus. Als Besonderheit bietet die Kamera zwei Modi für Nachtaufnahmen: Die von Videokameras bekannte "Nightshot"-Technik leuchtet bei vollkommener Dunkelheit das Motiv mit einer Infrarot-Leuchte an und zeichnet ein grünstichiges Bild auf, während der sogenannte "Nightframing"-Modus nur das Sucherbild als Infrarotszene anzeigt und das Bild konventionell mit Blitz aufnimmt.



Vermisst haben wir Einstellmöglichkeiten für Kontrast und Sättigung; störend ist vor allem letzteres, da die Sony-Kamera in bestimmten Situationen zu deutlich übersättigten Farben neigt. Auch bei der DSC-F707 fehlen ausserdem eine Histogramm-Anzeige und das RAW-Format.



Insgesamt bietet die Sony DSC-F707 ein ausgewogenes Feature-Set mit viel High-Tech. Gespart haben die Japaner beim mitgelieferten Speicher, dafür verfügt die Kamera über einen hervorragenden Akku mitsamt Ladegerät.



Zudem in der Print-Ausgabe: Die Features der 5-Megapixel-Digicams im direkten Vergleich.



Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Vor wem mussten die sieben Geisslein aufpassen?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER