Editorial

Eins + Eins = Uneins


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/21

     

Dass es in Beziehungen und Partnerschaften bisweilen kriselt und kracht, kennt jeder, der sein Leben nicht gerade als Eremit fristet, aus eigener Erfahrung. Wenn der Krach allerdings schon in den Flitterwochen anfängt, ist das doch ein recht deutliches Zeichen, dass man möglicherweise den falschen Partner gewählt hat.

Diese Erfahrung machen dieser Tage auch Microsoft und Novell. Die einstigen Erzfeinde haben erst Anfang November verkündet, dass sie künftig in Sachen Linux gemeinsame Wege gehen wollen – zum Wohle des Kunden (und der eigenen Kasse). Dieser Plan wurde denn auch flugs umgesetzt und mit Unmengen harter Dollars besiegelt. Ein Freudentag für Linux und die Open-Source-Idee, jubelten da die einen – eine Mesalliance, definitiv zum scheitern verurteilt, argwöhnten die anderen.






Letztere werden wohl recht behalten. Die beim Abschluss des Deals im Freudentaumel verschütteten Champagnertropfen sind nämlich kaum richtig getrocknet, da fährt sich das vermeintliche Traumpaar bereits gegenseitig an den Karren. Man hätte die Kooperation mit Novell nur vollzogen, damit man endlich angemessen von den Patentverletzungen profitiere, die durch Linux begangen wurden, verkündet da etwa Microsoft-Häuptling Steve Ballmer vollmundig. Und provoziert gleich weiter, dass nur Käufer von Novells Suse-Linux angemessen für die Nutzung des geistigen Eigentums von Microsoft gezahlt hätten – alle anderen sind demnach Diebe.

Novell-Boss Ron Hovsepian, um einen Kommentar nicht verlegen, giftet in einem offenen Brief sogleich zurück, weder Linux noch irgendein anderes Novell-Produkt würde in irgendeiner Weise Microsoft-Patente verletzten. Schliesslich hätte man mit der Kooperation keinerlei Eingeständnisse über allfällige Patentverletzungen gemacht. Und überhaupt stimme er mit Ballmers Äusserungen in keinster Weise überein.





Tatsächlich ist der Patent-Teil des Abkommens auf den dringenden Wunsch Microsofts zustandegekommen. Daraus liesse sich folgern, dass Microsoft Geld für die (vermutete) Verletzung seines geistigen Eigentums sehen will. Umgekehrt und genauso plausibel kann man es aber auch so sehen, dass sich Microsoft vor Ansprüchen Novells für die Verletzung deren geistigen Eigentums schützen will.

Ist nun Linux voller Microsoft-Patente? Oder gehört das geistige Eigentum an Windows hauptsächlich Novell? Wer verletzt denn nun eigentlich was? Und wer bezahlt wem wieviel, und – vor allem – wofür?
Das wissen die Rosenkrieger offenbar selber nicht so recht: In einer Verlautbarung heisst es lapidar,
man sei sich einig, dass man sich darüber nicht einig sei, ob Microsoft Patente von Novell oder Novell Patente von Microsoft verletzte.

Immerhin gibt sich Hovsepian am Ende seines Briefs versöhnlich und offen für einen Dialog darüber, wie man die gemeinsamen Ziele auch tatsächlich gemeinsam erreichen könne. Das klingt allerdings verdächtig nach Mediation, bei Scheidungskandidaten typisch. Und man darf bereits gespannt sein, was dabei herauskommen wird.




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