Sony Cybershot DSC-S85: Vier Millionen Pixel an Bord
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/30
Es ist noch nicht allzu lange her, da galt mit 3,3 Megapixeln bei Consumer-Digicams das Ende der Auflösungs-Fahnenstange als erreicht. Mittlerweile werden diese "Rekorde" bereits wieder gebrochen: Von 5,2 Megapixeln ist nicht nur bei Minolta, sondern auch bei Sony die Rede. Vorerst allerdings bringen die Japaner mit der Cybershot DSC-S85 eine neue Kamera mit "bloss" 4 Megapixel-CCD auf den Markt.
Der neue Bildwandler nutzt allerdings nicht den gesamten Chip, sondern nur 3,8 Megapixel davon; damit kommt er auf eine maximale Auflösung von 2272x1704 Pixeln. Weil der CCD denselben Formfaktor wie sein 3,3-Megapixel-Vorgänger besitzt, war es für Sony offenbar ein leichtes, das bestehende Modell DSC-S75 auf die neue Auflösung umzurüsten. Die Änderungen gegenüber dem Vorgängermodell halten sich denn auch in Grenzen - die technischen Daten und die Ausstattungsmerkmale sind weitgehend identisch.
Die Cybershot DSC-S85 kommt in einem soliden, anthrazitfarbenen Gehäuse, das der Kamera einen professionellen Look verleiht und ergonomisch gut gestaltet ist. Rund um das Gehäuse finden sich nicht weniger als dreizehn Buttons, Wippschalter und Einstellrädchen, die auf den ersten Blick verwirren und auf eine eher umständliche Bedienung schliessen lassen. Allerdings ist das Gegenteil der Fall: Die zahlreichen Bedienelemente sind Teil eines durchdachten Konzepts und sorgen dafür, dass viele wichtige Einstellungen auf die Schnelle geändert werden können, ohne dass man sich dafür erst umständlich durch die Menüs hangeln müsste. So ist es etwa ein leichtes, über den Jog-Dial Blende und Verschlusszeit zu ändern oder Belichtungskorrekturen zu machen.
Nicht ganz so erfreulich ist allerdings die Umsetzung einiger Bedienelemente. Gerade beim Jog-Dial beispielsweise fehlt ein klarer Druckpunkt, so dass es immer mal wieder passieren kann, dass man beim Drücken des Rädchens gleichzeitig einen anderen Wert auswählt. Ähnliches gilt beim Menüwippschalter: Das "Scrollen" in alle vier Richtungen ist einfach, der Druckpunkt in der Mitte lässt sich aber nur schwer treffen, ohne gleichzeitig einen Wert zu verändern.
Besonders ärgerlich ist dieses Verhalten beim Zoomen. Das Objektiv mit stufenlosem optischem 3fach-Zoom reagiert nur langsam auf den Druck auf die Zoom-Wippe, und diese lässt sich kaum präzis handhaben; gleichzeitig arbeitet der Zoom-Motor zu schnell. Die Suche nach dem optimalen Ausschnitt artet damit öfter in langwieriges Objektiv-Ein/Ausfahren aus.
Das Objektiv an sich ist dagegen ein deutlicher Pluspunkt der Kamera. Das von der deutschen Edelschmiede Carl Zeiss stammende 3fach-Zoom bietet eine maximale Blendenöffnung von F2,0 und arbeitet weitgehend verzeichnungsfrei. Ergänzt wird das optische Zoom durch ein digitales 2fach-Zoom.
Zu überzeugen vermag auch das Autofokus-Hilfslicht, das zusammen mit dem integrierten Blitz sogar in vollkommener Dunkelheit scharfe Aufnahmen auf bis rund drei Meter Entfernung erlaubt. Der Blitz kann dabei auf drei Stufen voreingestellt werden, wodurch oft eine adäquatere Ausleuchtung einer Szene erreicht werden kann als bei vollautomatischer Einstellung. Leider verfügt die Kamera nur über einen proprietären Blitzschuh - externe Standard-Blitzgeräte können mit der DSC-S85 deshalb nicht eingesetzt werden.
Wie es sich für eine Digicam mit semiprofessionellem Anspruch gehört,
erlaubt die DSC-S85 die komplette Einflussnahme auf alle fotografischen Parameter. Neben dem Vollautomatikmodus bietet die Kamera je ein Programm für Blenden- und Zeitvorwahl, einen komplett manuellen Modus sowie spezielle Programme für Porträt-, Landschafts- und Available-Light-Fotografie. Weitere Einstellmöglichkeiten wie Weissabgleich, Empfindlichkeit oder Belichtungskorrekturen können schnell und einfach per Menü erreicht werden.
Die DSC-S85 verfügt nun über einen grösseren internen Speicher, wodurch die Kamera drei statt nur zwei Bilder im Serienmodus aufnehmen kann. Vom Zwischenspeicher profitiert auch ein neues Feature der Sony-Kamera: Die Belichtungsreihen-Funktion ermöglicht bei schwierigen Verhältnissen die automatische Aufnahme von drei Bildern mit unterschiedlichen Belichtungswerten (in wählbaren Abständen), was die Chance auf ein gelungenes Bild erhöht. Gespeichert werden die Aufnahmen im JPEG- oder im unkomprimierten TIFF-Format auf den mitgelieferten 16-MB-MemoryStick.
Für die Freunde von bewegten Bildern hat die Sony-Kamera ebenfalls einiges zu bieten: Neben normalen MPEG-Filmen mit Sound unterstützt die Kamera auch die Sony-eigenen MPEG-EX- und MPEG-HQ-Modi. Im ersten Fall werden die Bilder ohne Umweg mit acht Frames pro Sekunde auf den MemoryStick geschrieben und können diesen komplett füllen, im zweiten Fall sind zwar 16 Bilder pro Sekunde möglich, dafür erlaubt die Kamera aber nur eine Aufnahmezeit von 15 Sekunden.
Die Stromversorgung der DSC-S85 erfolgt über den mitgelieferten InfoLithium-Akku, der eine Aufnahmezeit von gut drei Stunden garantiert und die verbleibende Zeit im Monitor anzeigt. Wohl um Platz für den voluminösen Akku zu schaffen, wurde allerdings das Stativgewinde an eine Ecke des Gehäuses verschoben, was leider eine denkbar ungünstige Position ist.
Das wichtigste Kriterium bei der Beurteilung einer Digicam ist und bleibt die Bildqualität. Hier gibt sich Sony keine Blösse, die DSC-S85 liefert in den meisten Situationen schlicht hervorragende Bilder. Ein Bildrauschen lässt sich nur bei Aufnahmen mit Digitalzoom ausmachen, die Fotos überzeugen durch erstaunliche Farbechtheit und gute Kontraste, und die Schärfe lässt so wenig zu wünschen übrig, dass die manuelle Schärfekorrektur übers Menü nur
selten benötigen wird.
Insgesamt ist die Sony Cybershot DSC-S85 eine hervorragende Wahl für den ambitionierten Amateur-Fotografen. Profis dagegen, die die Kamera in ihr bestehendes Equipment integrieren wollen, dürften mit dem proprietären Blitzschuh und einigen anderen Eigenheiten der Kamera nicht voll und ganz glücklich werden.