Schweizer Informatiker unter EU-Konkurrenzdruck


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/13

     

Immer mehr ICT-Stellen werden durch nord- und westeuropäische Spezialisten besetzt. Was vielen Schweizer Informatikern in ihrem Arbeitsalltag schon länger offensichtlich geworden ist, untermauert jetzt eine Studie des statistischen Amts des Kantons Zürich. In den Jahren 2002 bis 2004 ist die Zahl der hochqualifizierten West- und Nordeuropäer im Kanton Zürich von 19'000 auf 28'000 emporgeschnellt. Dies entspricht einer durchschnittlichen Zuwanderung von 375 pro Monat. Von diesen arbeitet ein grosser Teil in der Informatik. Auch wenn die Statistiker mit ihren Interpretationen zurückhaltend sind, ist ein Zusammenhang offensichtlich: Am 1. Juni 2002 trat die Personenfreizügigkeit mit den alten EU-Staaten in Kraft. Brisant ist vor dem Hintergrund der anstehenden Abstimmung über die Ausdehnung der Freizügigkeit auf die neuen EU-Staaten, dass im gleichen Zeitraum die Zahl der arbeitslosen Informatiker sprunghaft angestiegen ist – laut der vom Seco (Staatssekretariat für Wirtschaft) publizierten Arbeitsmarktstatistik von 830 (2001) auf 2744 (2004).


Brain-Power gesucht

Ruedi Noser, Zürcher FDP-Nationalrat, Alleininhaber des ICT-Konglomerats Noser Gruppe und engagierter Befürworter der Freizügigkeit, will einen gewissen Zusammenhang zwischen den zwei Entwicklungen auch gar nicht unter den Tisch kehren. «Wir müssen offen und ehrlich sein», so seine Überzeugung. «Wir befinden uns heute in einem Wettbewerb um die Brain-Power. Damit endlich eine eigenständige Schweizer ICT-Exportindustrie entstehen kann, müssen wir Talente aus einem gleich grossen Reservoir auswählen können wie die europäische Konkurrenz», erklärt Noser. «Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass ein Schweizer mehr Schwierigkeiten hat, einen Arbeitsplatz zu finden. Dafür haben seine Kinder später eine bessere Chance, in der ICT arbeiten zu können.»




Diese Meinung vertritt auch Jean-Luc Nordmann, Direktor für Arbeit im Seco. Nordmann relativiert allerdings die Zürcher Studie. Absolut gesehen sei die Zuwanderung im Bereich Informatik seit dem Platzen der E-Blase zurückgegangen. «Zudem ist die Freizügigkeit keine Einbahnstrasse», so Nordmann, «Schweizer können genauso in Europa arbeiten.» Gerade in Sachen Flexibilität fördert aber eine Umfrage, die der Berufsverband Swiss Engineering STV im Rahmen seiner jährlichen Salärerhebung gemacht hat, bei Informatikern markante Defizite zu Tage. Von allen untersuchten Berufsgruppen weisen sie mit gut 23 Prozent den kleinsten Anteil mit Auslanderfahrung auf.





Ein flexibler Arbeitsmarkt ist auch für den Ex-Banker und SVP-Nationalrat Hans Kaufmann etwas vom Wichtigsten. Der Gegner der Erweiterung der Freizügigkeit ist denn auch nicht grundsätzlich gegen die Öffnung des Arbeitsmarktes. Bei den Hochqualifizierten sei dies nötig, so Kaufmann. Er will vielmehr die Gewerkschaften stoppen, denn die flankierenden Massnahmen sind für ihn der erste Schritt zum Mindestlohn, den er vehement ablehnt.




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