Gerüst wartet auf Umbau

Mit Nove-IT können die Informatiker des Bundes eine grundsätzlich gelungene Reorganisation feiern.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/05

     

Die Bundesinformatiker haben den Abschluss ihres 230-Millionen-Reorganisationsprojekts Nove-IT gefeiert. Laut dem zuständigen Finanzminister Hans-Rudolf Merz seien 90 Prozent der Arbeiten abgeschlossen und 80 Prozent der Ziele erreicht. Das Gerüst einer einheitlichen Bundesinformatik steht also. Dass der Papiererfolg nicht in allen Teilen der Realität entspricht, wird durch teilweise widersprüchliche Äusserungen der Beteiligten deutlich.



Die Informatik des Bundes war 1997 in einem desolaten Zustand. Jedes Amt funktionierte für sich; es war keine einheitliche Strategie vorhanden. Nove-IT hatte zum Ziel, die damals 75 verschiedenen Leistungserbringer auf einen pro Departement zu konsolidieren, Leistungserbringer und -bezüger strukturell zu trennen, eine einheitliche Prozessstruktur sowie die Leistungsrechnung einzuführen - und 130 Millionen Franken im Jahr einzusparen. Rund 300 Stellen wurden geopfert.




Mit Ausnahme der Implementierung der allerdings zentralen Leistungsrechnung wurden offiziell alle Hauptziele erreicht. Dabei wurde das Budget nicht einmal ganz ausgeschöpft, und die Investitionen seien bereits Ende 2003 wieder amortisiert gewesen, so die Projektleitung - für ein IT-Projekt dieses Ausmasses keinesfalls ein selbstverständliches Fazit. Auf die Frage, wie es nun weitergehen soll, geben die verschiedenen Verantwortungsträger aber widersprüchliche Antworten, die vermuten lassen, dass zum Teil auch die bisherige Umsetzung nicht der Papierform entspricht.



Vor allem die Trennung von Leistungserbringer und -bezüger ist zwar theoretisch vollzogen. Praktisch diktieren aber vielerorts noch immer die Informatiker Angebot und Preis. So sieht sich Kurt Hess vom eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) heute in der unbefriedigenden Position eines Marionettenspielers, der beide Figuren gleichzeitig dirigiert. Hoffnung besteht, dass dies ändert, wenn die Leistungsrechnung eingeführt wird. Dies ist allerdings auf 2007 verschoben, da zu diesem Zeitpunkt in der ganzen Verwaltung die Kostenwahrheit Einzug halten soll. Die nicht kreditwirksame Kostentransparenz soll immerhin schon 2005 kommen.



Auch die Widerstände in den einzelnen Ämtern sind offensichtlich alles andere als überwunden. Man fahnde jetzt nach versteckten Leistungserbringern, so Bernhard Horrisberger vom Militärdepartement (VBS). Insider sprechen von Selbsthilfegruppen, die sich formieren, weil die zentralen Dienste den Supportaufgaben in den Aussenstellen teils nicht gewachsen seien.



Am stärksten driften die Meinungen aber zu Fragen des Outsourcing auseinander (siehe Kasten). Die Weiterentwicklung von Nove-IT dürfte demnach noch für einige rote Köpfe sorgen. Während Roland Meier vom Volkswirtschaftsdepartement (EVD) für einen Marschhalt plädiert, damit die Mitarbeiter ein wenig zur Ruhe kommen können, prophezeit Hess unter dem anhaltenden Kostendruck eine weitere Konsolidierung auf noch einen Leistungserbringer. Das sehen auch die meisten anderen Beteiligten im informellen Gespräch so.


Outsourcing sorgt im BIT für rote Köpfe

Am 1. Oktober des vergangenen Jahres wurde im Rahmen von Nove-IT durch eine Verordnung die Möglichkeit geschaffen, dass Bezüger auch intern angebotene Leistungen von extern beziehen können. Denn Commodity-Informatik gehört nicht zu den Kernaufgaben des Bundes und muss darum auch nicht zwingend intern erbracht werden, so die Überzeugung.
Als erstes Departement hat das EVD von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und seine
Büroautomatisation an IBM ausgelagert. Dies hat offensichtlich das Bundesamt für Informatik (BIT) verärgert. Im BIT sieht man die eigene Strategierolle unterwandert und auch die Effizenz gefährdet. Man könne gar nicht mit gleich langen Spiessen gegen die externe Konkurrenz kämpfen, so BIT-Pressesprecher Claudio Frigerio: "Wir dürfen unsere Angebote nicht quersubventionieren." Weil die Einbindung des externen Anbieters in die Netzdienste des Bundes sicherheitstechnisch zu komplex sei, wird zudem dieser Teil bei der EVD-Auslagerung weiterhin vom BIT betrieben. So wird durch nach aussen kostenwirksames Outsourcing eigentlich nur eine Umschichtung der Kosten betrieben, befürchtet Frigerio. Dass in Sachen Outsourcing in der Bundesinformatik alles andere als eine durchdachte Gesamtstrategie umgesetzt wird, zeigen die Äusserungen aus den Departementen. Nur Bernhard Horrisberger vom VBS kann sich vorstellen, in absehbarer Zeit zum Beispiel das Hotelsystem des Sportzentrums Magglingen fremd zu vergeben. Alle anderen Departementsverantwortlichen winken derzeit grundsätzlich ab.




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