Gesucht: Das schnellste Internet für unterwegs

Mit welchem Anbieter kommt man unterwegs am besten ins Internet? Wir haben die Netze und Angebote von Orange, Sunrise und Swisscom miteinander verglichen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/16

     

Höhere Bandbreiten, der Trend zu Web 2.0 und Webapplikationen machen das Arbeiten und Surfen von unterwegs immer interessanter. Doch für ein gelungenes Online-Erlebnis spielen nicht nur die Konditionen eine Rolle, sondern auch die Abdeckung, der Ausbaustand und die Kapazität der Netze. InfoWeek hat deshalb zum grossen Feldtest geblasen und die Netze und Angebote von Orange, Sunrise und Swisscom für mobiles Breitbandinternet unter die Lupe genommen. Uns hat dabei nicht nur interessiert, wer das beste Netz hat, sondern auch, wer das beste Preis-LeistungsVerhältnis bietet.





Von Option bis Huawei

Um dies herauszufinden, haben wir von jedem Anbieter ein aktuelles UMTS-Modem mit USB-Anschluss für den drahtlosen Internetzugang via Mobilfunknetz bestellt. Von Orange erhielten wir ein Option iCon 225, von Sunrise ein Huawei E220 und von Swisscom das etwas handlichere Huawei E172. Die Installation aller Modems ist – zumindest unter Windows – trivial. Nachdem man sie eingesteckt hat, installieren sich Gerätetreiber und Steuerungssoftware bei aktiviertem Autostart automatisch. Als Anwender muss man nur darauf warten, dass das Modem seine Einsatzbereitschaft meldet. Einzig auf dem Mac muss man die Software noch selber installieren.



Sowohl Orange als auch Sunrise liefern die Standardsoftware vom jeweiligen Modem-Hersteller aus. Sie ist recht spartanisch, erfüllt aber ihren Zweck. So kann man beispielsweise die bevorzugten Netzwerk-Modi auswählen und SMS versenden. Eine Statistikfunktion, die auf einen Blick über den verbrauchten Datenverkehr informiert, gibt es nur bei Swisscom, wobei die Daten nach Tag, Monat und Jahr aufgeschlüsselt werden. Bei Sunrise sieht man nur die Daten der aktuellen Session, findet das Total seit dem letzten Reset aber versteckt in einem Menü (ein separates Werkzeug gibt es auf der Sunrise-Homepage). Bei der Orange-Software konnten wir trotz intensiver Suche überhaupt keinen Volumenzähler ausmachen, was angesichts beschränkter Datenvolumen ein echtes Manko ist. Auch nur bei Swisscom gibt es Unterstützung für mehrere Profile. Damit ist es beispielsweise auf einfache Weise möglich, mehrere SIM-Karten verschiedener Anbieter mit demselben UMTS-Modem zu verwenden.


Kilobits statt Megabits

Wie viele Datenpakete pro Sekunde aus dem Modem tröpfeln, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Massgeblich ist natürlich der Ausbaustand der Netze der Anbieter, der sich recht stark unterscheidet (siehe Wertungstabelle). So bieten beispielsweise alle drei Carrier die UMTS-Erweiterung HSDPA an, die momentan mit Downstream-Datenraten von maximal 3,6 Mbps (Orange) respektive 7,2 Mbps (Sunrise, Swisscom) theoretisch ADSL-Niveau erreicht. Das Gegenstück HSUPA für einen schnelleren Upload (max. 1,4 Mbps) gibt’s dagegen nur bei Swisscom. Allerdings sind nicht alle Technologien überall verfügbar. Ebenfalls einen grossen Einfluss hat die Umgebung und die Anzahl Leute, mit denen man sich die Bandbreite einer Funkzelle teilt. Wer eine EDGE-Zelle für sich alleine hat, ist unter Umständen schneller unterwegs als jemand mit HSDPA, der noch ein paar Dutzend «Mitsurfer» hat.
Wir haben uns deshalb mit den Modems und einem Laptop mit Windows XP in und um den Kanton Zürich auf die Reise gemacht und die «Real Life Performance» gemessen.


Städter im Vorteil

In einer ersten Mess-Serie haben wir an verschiedenen belebten und weniger belebten Plätzen, innerhalb und ausserhalb der grossen Agglomerationen Halt gemacht und am Ort eine Reihe von Tests durchgeführt. Dabei zeigte sich das erwartete Bild: In Zürich, um den Zürichsee und in Winterthur sind die Netze aller Carrier stark ausgebaut, sodass fast überall HSxPA zur Verfügung steht. Bandbreiten zwischen 1 Mbps und 2 Mbps werden dabei problemlos erreicht. Überraschender ist dabei schon eher, dass an etlichen Messpunkten Sunrise die höchsten Download-Bandbreiten liefert. Swisscom liegt aber dicht dahinter und bietet vor allem am Hauptbahnhof Zürich absolute Spitzenwerte von fast 4 Mbps, was man getrost als ADSL-Niveau bezeichnen kann. Die Leistung des Orange-Netzes ist dagegen eher enttäuschend. In den Agglomerationen war die erzielte Bandbreite teils nur halb so hoch wie bei der Konkurrenz, was aufgrund des uneinheitlichen Resultats aber an Mitnutzern liegen könnte.



Beim Upload sieht das Bild dagegen anders aus: Dank HSUPA bietet Swisscom konkurrenzlose Bandbreiten im Bereich von über 1 Mbps, die an einigen Messpunkten sogar über dem Downstream liegen. Orange und Sunrise sind mit Werten zwischen 250 und 350 kbps deutlich langsamer, wobei auch hier Orange hinter Sunrise zurückliegt – wenn auch nur ganz leicht. HSUPA wollen beide noch in diesem Jahr einführen.




Die Unterschiede bei den Datenraten haben entsprechende Auswirkungen auf die Surfgeschwindigkeit: Während mit Sunrise am Hauptbahnhof Zürich eine typische News-Seite wie «Spiegel Online» mit 1,2 MB «Gewicht» bereits in 24 Sekunden abgerufen ist und Swisscom auch nur 2 Sekunden mehr benötigt, muss ein Orange-Kunde dafür 40 Sekunden warten.



Das verhältnismässig schlechte Bild, das Orange bislang hinterlässt, konnte auch bei den Latenz-Tests nicht verbessert werden: Während hier Swisscom die besten Werte liefert und Sunrise nur 7 Prozent dahinterliegt, ist Orange mit rund 88 Prozent Rückstand auf Swisscom weit abgeschlagen.
Beachten muss man generell etwas: Die Bandbreiten, die wir – abgesehen vom Check-in 3 des Flughafens Zürich – draussen gemessen haben, können innerhalb von Gebäuden deutlich tiefer liegen. So stehen in der InfoWeek-Redaktion trotz HSxPA vor der Türe nur Bandbreiten auf EDGE-Niveau zur Verfügung.


Von Hügeln und Tälern

Verlässt man die Stadt und geht hinaus aufs Land, wird aus der Freude über das mobile Breitband schnell ein gequältes Lächeln über das mobile Schmalband – ausser man ist Kunde von Swisscom. Bei unserer Expedition ins «hügelige» Zürcher Weinland entlang der Bahnstrecke zwischen Winterthur und Stein am Rhein bis zur Thur lieferte Swisscom in jeder grösseren Senke oder Tal mit mehreren Gemeinden HSxPA mit Bandbreiten von gut 1 Mbps (Up- und Downstream). Zwischen den Gemeinden gab des dagegen schnell einmal «Funklöcher» mit EDGE wie beim Teststandort Dägerlen, wo kleine Hügel die Sicht zur näch-s­ten Funkzelle versperren.


Orange-Kunden steht HSxPA in etwa gleichem Umfang zur Verfügung, auch wenn hier wieder die Bandbreiten mit 926/330 kbps (Teststandort Thalheim) hinter Swisscom zurückliegen. Schlecht steht man dagegen in HSxPA-freien Gebieten da: Hier bietet Orange nur GPRS und entsprechend lausige Bandbreiten (33/26 kbps am Teststandort Dägerlen). Der Download einer News-Seite dauert damit über 10 Minuten, während Swisscom und Sunrise am gleichen Ort mit EDGE in 70 Sekunden respektive gut 2 Minuten fertig sind.



Für Sunrise-Kunden beginnt im Gegensatz zur Konkurrenz schon ausserhalb der Sichtweite von Winterthur die HSxPA-freie Zone. Als Ersatz gibt’s immerhin EDGE (179/106 kbps in Thalheim) – und das überall.
Wer in die Berge in die Ferien geht und dort ebenfalls ab und zu aufs Internet zugreifen will, fährt ebenfalls am besten mit Swisscom, wie ein Test im Feriengebiet Hoch-Ybrig hinter Einsiedeln zeigte. Selbst weit oben in Oberiberg bietet Swisscom HSxPA, während Orange und Sunrise mit GPRS respektive EDGE deutlich langsamer sind.


Zügig im Zug

In einer zweiten Mess-Serie haben wir uns noch in den Zug gesetzt und sind mehrmals die Strecke zwischen Winterthur und Zürich (via Flughafen) abgefahren, um in Intervallen von einigen Sekunden die Download- respektive Upload-Geschwindigkeit zu ermitteln. Für alle Carrier gilt auch hier: Solange der Zug durch die Agglomeration kurvt, gibt es HSxPA oder UMTS und entsprechend gute Bandbreiten. Tunneleinfahrten sind dagegen Gift für eine konstante Verbindung und sorgen für kleine Aussetzer, bis auf EDGE (Sunrise, Swiss­com) respektive GPRS (Orange) umgeschaltet ist. Dann kann aber munter weitergesurft werden. Bei der Fahrt über Land gilt, was schon im Absatz «Von Hügeln und Tälern» steht. Bandbreitenmässig liegen die Vorteile einmal mehr bei Swisscom – wohl auch dank der Repeater in den IC2000-Zügen –, gefolgt von Orange, das wohl von der höheren HSxPA-Abdeckung im Vergleich zu Sunrise profitiert.

Abdeckung hat ihren Preis

Bei welchem Anbieter ist man denn nun richtig? Wer viele Daten senden muss oder auf eine gute Versorgung angewiesen ist, fährt mit Swisscom sicher am besten, wie die Testergebnisse zeigen. Man muss allerdings vor allem bei den Tages- und Stundentarifen mit höheren Preisen leben. Der Testsieg ist für Swisscom trotzdem mehr als verdient. Wer dagegen vor allem in den Agglomerationen unterwegs ist und der Upload weniger wichtig ist, findet in Sunrise eine leistungsfähige und preisgünstige Alternative, insbesondere mit der neuen Daten-Flatrate. Auf dem Land wird man von Sunrise im Notfall mit EDGE versorgt, was für einen guten zweiten Platz sorgt. Orange kommt in der Agglomeration nicht an die Konkurrenz heran. Auf dem Land kann man immerhin Sunrise überflügeln, solange eine HSxPA-Antenne in der Nähe ist. Fehlt die aber, dümpelt man mit GPRS durchs Netz. So liegt leider nicht mehr als ein dritter Platz drin.



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