Brüssel ruft Softwarepatente aus

Auch wenn Deutschland am Schluss noch zauderte, wurde die EU-Softwarepatentrichtlinie verabschiedet. Die Gegner rufen zum Kampf.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/11

     

Der EU-Ministerrat hat am 19. Mai nach einem kurzen Intermezzo die Softwarepatentrichtlinie verabschiedet, die in weiten Punkten der Ursprungsrichtlinie zur «grenzenlosen Patentierbarkeit» (siehe InfoWeek 10/ 2004) von Software entspricht, die ursprünglich vom EU-Parlament im Herbst 2003 umgestossen wurde. Dies, obwohl am Dienstag davor neben Luxemburg, Belgien, Ungarn und Spanien auch Deutschland gegen den Vorschlag der
irischen Ratspräsidentschaft war. So äusserte die deutsche Bundesjustizministerin Brigitte Zypries grundlegende Bedenken gegen die Richtlinie und kündigte eine Enthaltung an, wodurch die nötige Zweidrittelmehrheit im Ministerrat für die Richtlinie ins Wanken
geriet.




Am Entscheidungstag hielt Deutschland ursprünglich noch an den eigenen Vorsätzen fest, um nach einer kurzen Kompromisssuche doch noch dem Papier zuzustimmen. Zu den Ergebnissen des Kompromisses gehört unter anderem die Feststellung, dass ein «technischer Beitrag» sowohl «neu» als auch «erfinderisch» sein muss.
EU-Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein äusserte sich regelrecht euphorisch über den Entscheid des Ministerrats: «Die Einigung im Rat ist ein großer Schritt vorwärts auf dem Weg zur Verabschiedung dieser Richtlinie. In der jetzigen Form wird sie einen wesentlichen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit Europas leisten und zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes beitragen. Wenn es in Europa eine echte, florierende Wissenswirtschaft geben soll, müssen Investitionen in innovative Produkte honoriert werden. Es entspricht ganz einfach dem gesunden Menschenverstand, dafür zu sorgen, dass Erfindungen nicht allein deshalb vom Patentschutz ausgenommen werden, weil dabei Software verwendet wird.»





Anders sehen das die Gegner, besonders der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII). FFII-Vertreter bezeichnen die Einigung als Scheinkompromiss und werfen dem Rat vor allem vor, dass nicht festgelegt ist, was ein «technischer Beitrag» sei. So sieht man den durchgesetzten Vorschlag als Legitimation der grenzenlosen Patentierbarkeit, der sogar noch über den ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission hinausgeht. Oliver Moldenhauer von Attac ist besonders über das Verhalten der deutschen Regierung empört: «Offensichtlich waren die bisherigen Aussagen des Justizministeriums, sich gegen die Legalisierung von Softwarepatenten einzusetzen und nicht für die Richtlinie zu stimmen, reine Lippenbekenntnisse». Auch Andy Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club (CCC) steht der Entscheidung kritisch gegenüber: «Der sogenannte Kompromiss des Rates ist ein klares Votum pro Software-Patente. Sollte dieser Beschluss Gesetz werden, werden Softwarepatente auf breiter Basis legalisiert. Dies wäre eine existenzbedrohende Katastrophe für freie Software-Entwickler und für viele kleine und mittelständische Software-Unternehmen.»




Die Softwarepatentrichtlinie ist allerdings noch nicht beschlossene Sache. Dafür muss sie erst noch im Herbst durch die zweite Lesung des EU-Parlaments, das sich bereits im Herbst 2003 gegen die «grenzenlose Patentierbarkeit» stark gemacht hat. Dafür wollen die Gegner auch dieses Jahr sorgen. Moldenhauer: «Wir werden auf jeden Fall weiter gegen die Monopolisierung von Software mittels Patenten kämpfen.»




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