Wenn ICT-Professionals von Tuten und Blasen kaum eine Ahnung haben
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/06
Dass die Schweiz im Bildungswesen nicht gerade tonangebend ist, hat bereits die PISA-Studie im vergangenen Jahr gezeigt. Wissensdefizite machen sich aber nicht nur bei Schweizer Schülern bemerkbar, auch in der ICT-Welt ist fehlendes Grund- und Spezialwissen immer wieder anzutreffen.
Diesem Wissensmanko in Schweizer ICT-Unternehmen will das Studienprojekt "Bildungslücken" auf die Spur kommen. Die Erhebung wird im Auftrag des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie vom Consulting- und Research-Unternehmen Pascal Sieber & Partners durchgeführt. Ziel ist es, Unterschiede zwischen den geforderten Fähigkeiten einerseits und dem tatsächlich vorhandenen Know-how andererseits zu ermitteln. "Untersuchungen über den Erfolg von Informatikprojekten zeigen immer wieder, dass es zu Kosten- und Zeitüberschreitungen kommt", erläutert Pascal Sieber gegenüber InfoWeek. Insbesondere die Schweizer Software-Anbieter stünden beim Vergleich der Produktivität und Leistungsfähigkeit im internationalen Vergleich nicht an vorderster Stelle, so Sieber.
Im Februar hat Pascal Sieber & Partners jeweils ein halbes Dutzend ICT-Nachfrager und -Anbieter in ausführlichen Interviews befragt, um anhand der Praxiserfahrung dieser Firmen die Know-how-Defizite zu ermitteln. Wie die Befragung der CIOs und IT-Chefs dieser Unternehmen und Behörden ergeben hat, bestehen die Defizite primär in den Bereichen Konfliktmanagement, Kundenorientierung, Qualitäts- und Security-Management. Zudem würden oftmals die Kundenerwartungen im Consulting- und Service-Management-Umfeld nur "ungenügend erfüllt", wie Pascal Sieber präzisiert.
Die Resultate dieser Befragungen waren keineswegs voraussehbar. Pascal Sieber zeigt sich insbesondere erstaunt darüber, dass "ausgerechnet die Kernkompetenzen der Planer bei den Kunden durchwegs ungenügend eingeschätzt" werden. Weitere Mankos wurden laut Sieber in der Dokumentation festgestellt.
Nachdem die Auswertung der Interviews jetzt vorliegt, sollen die Ergebnisse anhand einer Online-Befragung überprüft werden. IT-Profis aus den Unternehmen werden daher aufgerufen, ab Ende März über Ihre Erfahrungen mit Wissensdefiziten Auskunft zu geben.
Die Projektverantwortlichen schätzen den Wert der Resultate für ICT-Unternehmen bereits im Vorfeld als äusserst wertvoll ein: Anbieter könnten anhand der Ergebnisse ihre Leistungen kundengerechter gestalten, während die Nachfrager Anhaltspunkte erhielten, auf was sie bei Auftragsvergabe und in der Planungsphase achten sollten.
Mit der fertigen Studie wird voraussichtlich Ende Juni gerechnet. Den Teilnehmern der Online-Befragung werden die Ergebnisse gegen einen Unkostenbeitrag zur Verfügung gestellt.