Editorial

Microsofts Beschwichtigungsversuche

Es versteht sich, dass Microsoft ein reges Interesse daran hat, dass der Prozess gegen das US-Justizministerium (DOJ) endlich vom Tisch ist. Ebenso wenig erstaunt deshalb das freiwillige Eintreten auf die Forderungen des DOJ.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/27

     

Es versteht sich, dass Microsoft ein reges Interesse daran hat, dass der Prozess gegen das US-Justizministerium (DOJ) endlich vom Tisch ist. Ebenso wenig erstaunt deshalb das freiwillige Eintreten auf die Forderungen des DOJ. Solange kein Richterspruch gefallen ist, wäre Microsoft dazu eigentlich nicht verpflichtet. Doch es könnte ja sein, dass ein Entgegenkommen im Vorfeld sich günstig auf das Urteil auswirken kann. In der Politik wird dieses Vorgehen als Appeasement bezeichnet. Man macht Zugeständnisse, um noch grösseres Unheil abzuwenden.



Beschwichtigungspolitik kann aber nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn die Zugeständnisse auch eine gewisse Substanz aufweisen.




Meiner Ansicht nach, ist dies bei Microsofts "Settlement Program Milestones" aber nur zum Teil der Fall.



Als reine Kosmetik beispielsweise empfinde ich die neuen Installationsfunktionen, die das Service Pack 3 den Windows-2000-Anwendern zur Verfügung stellt.



Neu ist es möglich, das System per Mausklick so zu konfigurieren, dass beispielsweise nicht mehr der Windows Media Player als Default-Medien-Player verwendet wird. Wer aber glaubt, dass der WMP damit von der Harddisk gelöscht wird, liegt falsch. Es werden lediglich die Icons aus Startmenü und Taskbar ausgeblendet und die entsprechenden Dateiverknüpfungen zurückgesetzt. Dafür brauche ich allerdings kein Service Pack, da sich dasselbe innert Sekunden auch manuell erledigen lässt.



In Tat und Wahrheit soll damit auch nicht unbedingt dem Anwender das Leben erleichtert, sondern all den Microsoft-Gegnern der Wind aus den Segeln genommen werden. Die Verantwortlichen in Redmond können fortan allen Kritikern sagen: "Hey, schaut her, wenn Ihr ein Drittprodukt statt dem Internet Explorer oder dem Windows Messenger installieren wollt, haben wir alles dafür vorbereitet! Ihr braucht bloss mit der Maus auf einen Button zu klicken!" Ob sich all die Microsoft-Kläger mit dieser Augenwischerei täuschen lassen, wage ich zu bezweifeln.



Kaum anders verhält es sich mit der Ankündigung, per Ende August rund 270 APIs ausführlich dokumentieren und der Allgemeinheit zugänglich machen zu wollen sowie 113 Client/Server-Protokolle offen zu legen. Dieser an und für sich vernünftige Schritt wäre meines Erachtens schon lange fällig gewesen.



Doch Microsoft wäre nicht Microsoft, wenn die Sache nicht einen Haken hätte: Die interessierten Entwicklerfirmen bekommen zwar die API-Informationen gratis, doch werden sie für die Protokoll-Dokumentationen via Lizenzgebühren zur Kasse gebeten.
Man muss eben Ideen für Business-Modelle haben und das Zwingende mit dem Nützlichen verbinden!



Ob diese doch eher halbherzigen Beschwichtigungsversuche den Prozessausgang zu Gunsten der Gates-Company werden beeinflussen können, wage ich zu bezweifeln. Immerhin liegen Welten zwischen der ursprünglichen Forderung, Microsoft aufzuteilen und den aktuellen Zugeständnissen. Wie die Geschichte ausserdem gezeigt hat, führten Appeasement-Strategien nur selten zum gewünschten Erfolg.

(rd)


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