Editorial

Kostenpflichtiger Content: Abonnenten im Abseits

Aus dieser Online-Strategie kann man eigentlich nur schliessen, dass Abonnenten bei den Verlagshäusern nicht sonderlich hoch im Kurs stehen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/04

     

Seit einiger Zeit beziehe ich privat ein kostenloses Probe-Abonnement der NZZ. Zwar liegt die Zeitung wie die meisten relevanten Schweizer Presseerzeugnisse auch in unserer Redaktion auf, doch ziehe ich es vor, gerade längere Artikel gemütlich daheim auf dem Sofa zu lesen.



Schnell musste ich allerdings feststellen, dass mir unter der Woche meist die Zeit fehlt, um die Berichterstattung im Detail mitzuverfolgen. Aus diesem Grund lege ich immer öfter grössere Artikel beiseite, um sie mir zu einem späteren Zeitpunkt zu Gemüte zu führen.




Ich bin mir bewusst: Dieses Vorgehen ist antiquiert und im Zeitalter der digitalen Archive eigentlich ein Irrsinn, doch die NZZ-Verlagsleitung lässt mir mit ihrer Politik keine andere Möglichkeit. Zwar verfügt das Medienhaus über ein komplettes Online-Archiv mit allen seit 1993 erschienen NZZ-Artikeln. Wer aber glaubt, als Abonnent ohne weitere Kosten darauf zugreifen zu können, täuscht sich gewaltig. Jeder Artikel kostet rund 3 Franken.



Aus dieser Strategie kann man eigentlich nur schliessen, dass Abonnenten bei den NZZ-Verantwortlichen nicht sonderlich hoch im Kurs stehen. Wie anders lässt es sich erklären, dass ihnen der kostenlose Zugriff auf das Online-Archiv - zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt - nicht gewährt wird? Wohlgemerkt: Was im Webarchiv geboten wird, ist genau dasselbe, was mir zur Zeit jeden Tag in den Briefkasten geworfen wird.



Nicht viel besser sieht es beim grossen Konkurrenten, der Tamedia aus. Zwar wird den Abonnenten hier immerhin der Zugriff auf 25 archivierte Artikel zugestanden; allerdings nicht etwa pro Monat, sondern pro Jahr. Ein Angebot, das ich bestenfalls als Online-Schnupperabo bezeichnen kann.



Immerhin zeigt sich die Tamedia beim Pricing einiges moderater als der NZZ-Verlag: Für das Lesen von zehn archivierten Artikeln werden hier 15 Franken verrechnet. Unter dem Strich ist der Archivzugriff also rund halb so teuer wie bei der NZZ.



Erfreulich ist auch die Tatsache, dass bei einer Suche im Tages-Anzeiger-Archiv die Trefferanzeige erweitert wurde: Neu findet man für jede gefundene Geschichte eine kurze Zusammenfassung, ähnlich wie dies auch bei Spiegel Online der Fall ist (ein Archiv, das im übrigen nach wie vor kostenlos zur Verfügung gestellt wird). Dafür fehlt leider eine Angabe über die Länge der gefundenen Artikel.



Bei der NZZ verzichtet man auf eine Zusammenfassung. Dafür umschreiben die Titel die jeweiligen Artikel recht treffend und es wird eine zusätzliche Unterzeile mitgeliefert, welche die Stossrichtung meist detailliert beschreibt. Ausserdem findet sich die beim Tages-Anzeiger vermisste Angabe über die Länge der gefundenen Artikel.



Mein Stapel mit Zeitungsartikeln wächst übrigens von Tag zu Tag und ich frage mich mittlerweile ernsthaft, ob ich mir den Luxus eines privaten NZZ-Abonnements leisten werde. Mein Entscheid wird wesentlich davon abhängen, ob ich als künftiger Stammkunde des Verlags auch kostenlos und unbeschränkt auf das Online-Archiv werde zugreifen können. Auf keinen Fall lasse ich mich für die selbe Leistung zweimal zur Kasse bitten.

(rd)


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