Intel und das digitale Heim: Hintergründe, Strategien

Interview mit Donald MacDonald, Senior Vice President und General Manager, Digital Home Group bei Intel

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/20

     

InfoWeek: Welche Bedeutung hat die Viiv-Plattform für Intel?

Donald MacDonald: Die Entertainment-Industrie steht am Beginn eines neuen Zeitalters: Das Motto in der Unterhaltungselektronik hiess bisher «analog und standalone», neu lautet es «digital und vernetzt». Intel hat die Gelegenheit, diese Zukunft mitzugestalten – und es wird eine grosse Zukunft sein: Die digitalen Technologien erlauben es, zusammen mit dem Internet als Distributionsmedium, Inhalte jederzeit und überall auf beliebigen Geräten zu konsumieren. Daraus ergeben sich neue Arten von Content, neue Distributionswege und neue Gerätetypen. Es zeichnet sich also ein echter Wandel der Entertainment- und Consumer-Electronics-Industrie ab. Mit Viiv will Intel einen neuen Standard für Unterhaltungselektronik setzen. Die Systeme werden viel mehr Funktionen bieten, aber nach wie vor gleich einfach zu bedienen sein.






Was ist nötig, damit die Digital-Home-Idee den Durchbruch
schafft?


Es braucht natürlich Kerntechnologien wie Chips und Home-Networking, insbesondere aber eine enge Zusammenarbeit zwischen Plattformanbietern, Geräteherstellern und Content-Lieferanten. Mit proprietären Insellösungen wird man künftig keinen Erfolg mehr haben – Geräte verschiedener Marken müssen nahtlos zusammen funktionieren und Inhalte aus verschiedensten Quellen wiedergeben. Essentiell dafür sind Standards. Der Kunde ist ausserdem nicht bereit, für «mehr vom Gleichen in einem anderen Format» zu zahlen. Neue Produkte kommen nur an, wenn sie mehr oder bessere Funktionen bieten.



Was muss alles standardisiert werden?

Standards sind in vielen Bereichen nötig: Home Networking, Micropayment – ich will ja als Benutzer nicht separate Logins für zig Bezahldienste. Dazu kommen Standards
für die Kategorisierung von Inhalten
per XML-Tagging, um das Gewünschte im Internet rasch zu finden. Besonders essentiell sind Display-Interface-Standards für die Anpassung der Formate an das jeweilige Endgerät: Wie bringe ich einen Widescreen-Film in HD-Auflösung auf meinen portablen Multimediaplayer? Die Umwandlung zwischen verschiedenen Formaten muss transparent ablaufen, der Benutzer sollte sich darum nicht kümmern müssen.



Und wer definiert diese Standards?

Die Industrie. Im Umfeld der Unterhaltungselektronik gibt es die Industrievereinigung DLNA (Digital Living Network Alliance), die derzeit über 240 Mitglieder zählt. Am wichtigsten ist, dass die CE- und PC-Industrie zusammenkommen und mit einheitlichen Begriffen über das Gleiche reden.




Wann kommt denn die Vereinheitlichung endlich? Im Moment herrscht ja bei Schnittstellen und Formaten das nackte Chaos.

Mit der technischen Schnittstelle zwischen PCs und CE-Geräten sind wir dank DLNA auf sehr gutem Weg. Standards fürs XML-Tagging der Inhalte sind ebenfalls recht fortgeschritten. Die nächste grosse Herausforderung, die noch nicht gelöst ist, ist das Unified Display Interface (UDI) – das wird vermutlich erst etwa in einem Jahr soweit sein.



Chaos herrscht auch bei DRM-Systemen – Inhalte von einem Anbieter laufen oft nur auf bestimmten Geräten. Wird sich dies bessern?

Persönlich möchte ich als Anwender am liebsten gar kein DRM – ohne gäbe es weniger Kosten, Komplexität und Konfusion. Viele Content-Anbieter sehen dies mit den Musiktauschbörsen im Hinterkopf aber anders; wir werden also auch in Zukunft mit einer ganzen Reihe von DRM-Systemen leben müssen. Die Viiv-Plattform unterstützt sie alle: Die Inhalte werden am Eingang des Home-Netzwerks DRM-geprüft und freigegeben. Innerhalb des Netzwerks werden sie mit der Link-Protection-Technologie DTCP weiterverteilt.
Ein Problem dabei sind die unterschiedlichen Verteilrechte: Ein Anbieter erlaubt fünf Kopien eines Films, ein anderer gar keine. Ich finde, das sollte sich ändern – Intel regt die Content-Anbieter deshalb an, sich zusammenzuraufen und die Broadcast Rights zu vereinheitlichen.



Glauben Sie, das wird wirklich geschehen?

Ja, denn der Konkurrenzdruck ist hoch. Es wird allerdings einige Zeit dauern – die Content-Lieferanten bewegen sich sehr langsam, wie Gletscher. Ich vergleiche die Situation mit der DVD-Technologie, die von den Filmstudios anfangs ja bloss als Konkurrenz zum Kino gesehen wurde. Als erste haben Warner Brothers dann begonnen, ihre Produktionen auf DVD anzubieten, mit grossem Erfolg. Heute macht die Filmindustrie einen Grossteil des Profits mit dem DVD-Verkauf. Es braucht also einen erfolgreichen Pionier, dann zieht der Rest nach.



Dem Konsumenten wird der Umgang mit legalen Downloads bisher
aber eher schwergemacht, oder die Inhalte sind viel zu teuer...


Es gibt durchaus schon einige visionäre Content-Anbieter. Die BBC offeriert demnächst im Rahmen des «Creative Archive»-Programms Inhalte aus ihrem Archiv völlig ohne DRM mit einer Lizenz, die der Creative-Commons-Lizenz nachempfunden ist. Ein anderes Beispiel ist die koreanische Seoul Broadcasting Company: Dort sind Folgen einer Soap Opera für jeweils 40 Cent zu haben. Diese Anbieter folgen einem simplen Prinzip, das auch der Philosophie von Intel entspricht: Es muss für den Konsumenten einfacher sein, Inhalte vom rechtmässigen Anbieter zu erwerben, als sie illegal von einer Tauschbörse herunterzuladen oder durch Piraterie erzeugte Kopien zu kaufen – dann profitieren Anbieter und Kunde gleichermassen, und alle sind zufrieden.



Sie finden also, dass Digital-Home-Plattformen wie Viiv den einfachen Zugang zu erschwinglichen Inhalten fördern?

Auf jeden Fall! Technologie ist vermutlich der wichtigste Katalysator, damit alle Beteiligten fair zusammenspielen. Das Digital Home bringt ja beiden Seiten völlig neue Möglichkeiten – individuell angepassten Content, grosse Verbreitung auch für kleine Studios und Autoren, die rein wirtschaftlich niemals einen Film ins Kino bringen könnten und so
weiter... Die Viiv-Plattform bringt Konsumenten und Anbieter auf eine Weise zusammen, die vorher nicht denkbar war.

(ubi)


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