Teamwork fast ganz ohne Server

Mit Workplace 1.3 bietet der Zürcher Softwarehersteller Collanos ein Peer-to-Peer-Tool für die Zusammenarbeit in kleinen und mittelgrossen Teams.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/11

     

Vor einigen Wochen hat der Zürcher Softwarehersteller Collanos mit Nebensitz in San Francisco eine neue Version seines Peer-to-Peer-Collaboration-Tools Workplace freigegeben. Ausserdem wurde das Startup-Unternehmen soeben mit einem Red Herring 100 Europe Award ausgezeichnet. Der Preis wird alljährlich an die hundert innovativsten Technologiefirmen aus ganz Europa verliehen; dieses Jahr kamen insgesamt neun Schweizer Kandidaten in die Ränge. Die neue Version und die Einstufung als besonders beachtenswertes Jungunternehmen sind Grund genug, die Software von Collanos einmal etwas näher unter die Lupe zu nehmen.


Peer-to-Peer total

Workplace erleichtert die Zusammenarbeit im Team mit sogenannten Workspaces: Jedes Team­mitglied kann nach Belieben themen- oder projektbezogene Arbeits­räume einrichten und andere Mitarbeiter, Kunden oder Partner zur Teilnahme einladen. Ein Workspace stellt ein Repository bereit, das sich mit beliebig verschachtelbaren Verzeichnissen unterteilen und mit Dokumenten, URLs und Aufgaben befüllen lässt. Als Inhalte kommen nicht nur Office-Dokumente, sondern auch Bilder, Video- und Audiodateien in Frage. Dazu kommen Diskussionen mit einem oder mehreren Teammitgliedern, die sich online und offline bewirtschaften und ebenfalls thematisch einem Verzeichnis im Repository zuordnen lassen, sowie ein textbasiertes Chat-System für synchrone Online-Unterhaltungen.


Collanos Workplace arbeitet nicht auf Client-Server-Basis, sondern strikt nach dem Peer-to-Peer-Prinzip. Dementsprechend werden auch alle Daten, die in den Workspaces abgelegt sind, nicht zentral gelagert, sondern auf den einzelnen Rechnern der Teilnehmer. Damit trotzdem alle Informationen möglichst immer allen Teammitgliedern zur Verfügung stehen, werden sämtliche Änderungen, die ein Teilnehmer lokal vornimmt, automatisch zu den Rechnern aller anderen an einem Workspace beteiligten Teilnehmer repliziert – entweder sofort oder wenn die betroffenen Teilnehmer das nächste Mal online sind: Workplace repliziert auch alle Änderungen, die man im Offline-Modus ohne Internetverbindung vornimmt, so bald wie möglich zu den übrigen Teammitgliedern.



Eingegangene Änderungen werden durch ein unaufdringliches akustisches Signal gemeldet, das sich allerdings zumindest über die Oberfläche nicht anpassen lässt. Ausserdem markiert die Software die neuen Einträge und die betroffenen Verzeichnisse jeweils mit einem Sternchen in Orange. Auch der Präsenzstatus der Teammitglieder ist jederzeit einsehbar und wird mit unterschiedlichen Icons visualisiert.


Firewalls kein Problem

Innerhalb der geschützten Zone des Firmennetzwerks funktioniert die P2P-Kommunikation samt Replikation der Workspaces absolut problemlos und trotz AES-Verschlüsselung mit 256 Bit sehr schnell. Damit aber auch externe Teilnehmer reibungslos mit Teammitgliedern innerhalb des Unternehmens-LAN kommu­nizieren können, bietet Collanos zwei Optionen an: Entweder man gibt auf der Firewall die TCP-Ports 9700 und 9701 für ein- und ausgehende Verbindungen frei. In diesem Fall sind die externen Teilnehmer gewissermassen nativ ins P2P-Netz eingebunden, und es steht die volle nutzbare Bandbreite der Internetanbindung zur Verfügung.


Die zweite Variante: Falls die Freigabe der Ports 9700/9701 aus Sicherheitsgründen nicht möglich ist, nutzt die Software automatisch statt einer rein TCP-basierten Verbindung das HTTP-Protokoll, das mit den Ports 80 und 443 auskommt, die meist ohnehin geöffnet sind.



Die HTTP-basierte Kommunikation ist allerdings mit einer deutlichen Performance-Einbusse verbunden, was sich zwar nicht bei Text-Chats und Diskussionen, dafür aber umso mehr bei der Replikation umfangreicher Workspaces und grosser Dokumente wie Multimedia-Dateien bemerkbar macht.


Groove, aber anders

Als Collaboration-Tool auf P2P-Basis gleicht Collanos Workplace auf den ersten Blick dem bekannten Groupware-Tool Groove, das mittlerweile in Microsofts Office-Portefeuille eingegangen ist und durch eine optionale Serverkomponente ergänzt wurde.


Während sich Groove jedoch von Anfang an ausschliesslich auf Windows-Systemen nutzen liess, steht Workplace als Java-Anwendung von Haus aus auch Mac-OS-X- und Linux-Benutzern offen. Collanos stellt auf seiner Website Installer für Windows, Mac OS X und Linux zum Download bereit. Laut den Angaben wurde die Applikation unter Ubuntu 6.06 und Suse 10.1/10.2 getestet, sie lässt sich aber auch auf Fedora- und Red-Hat-Systemen installieren. Der Windows-Installer kommt samt Java-Runtime, auf dem Mac muss eine JRE-Umgebung in Version 1.5 oder neuer bereits vorhanden sein – was bei Mac OS X ja ohnehin der Fall ist. Als Basis für die Peer-to-Peer-Kommunikation setzt Collanos auf den JXTA-Stack, der sich allmählich als offener P2P-Standard etabliert.



Ein weiterer Unterschied zu Groove ist der Preis: Collanos Workplace ist in der vorliegenden Form völlig kostenlos und soll auch weiterhin gratis verfügbar bleiben. Einnahmen will der Hersteller mit kostenpflichtigen «Premium Services» generieren, die zusätzliche Funktionalität liefern. Bisher gibt es in dieser Richtung allerdings erst die Betaversion des Voice- und Instant-Messaging-Client Collanos Phone, der sich parallel zu Collanos Workspace einsetzen lässt und auf die gleichen User-Profile zurückgreift. Für die VoIP-Funktionalität will Collanos mit Translumina zusammenarbeiten. Konkrete Angebote für die Sprachkommunikation gibt es bisher jedoch nicht.


Zentrales User-Directory

Ganz ohne Server kommt die P2P-Plattform von Collanos aber doch nicht aus: Im Gegensatz zu den ersten Versionen setzt die aktuelle Ausgabe von Workplace auf ein zentrales Benutzerverzeichnis, das Collanos selbst auf einem eigenen Server führt. Jeder Benutzer muss sich in diesem Directory eintragen, sonst lässt sich Workplace nicht weiter nutzen. Das Programm präsentiert dazu nach der Installation automatisch eine Dialogbox, mit der man sich entweder mit einem bestehenden Benutzernamen identifiziert oder eine neue Identität registriert. Dabei wird ein User-Profil erstellt, das man optional mit zusätzlichen Angaben wie Telefonnummern und Website ergänzen kann.


Essentiell ist aber nur der Eintrag des Benutzernamens, des sogenannten «Collanos Name», der zusammen mit einem Passwort als Identifikation gegenüber dem System dient. Man kann ihn mit gewissen formatbedingten Restriktionen selbst wählen oder vom System aus Vor- und Nachname generieren lassen.



Das globale, vom Hersteller betriebene Benutzerverzeichnis birgt Vor- und Nachteile: Alle registrierten Teilnehmer können zumindest den Collanos Name aller anderen Teilnehmer einsehen. Die Kollaborationsplattform lässt sich trotz der P2P-Basis somit nicht völlig anonym nutzen. Auf der anderen Seite findet man so auch firmenexterne Collanos-User und kann sie unkompliziert zur Teilnahme an einem eigenen Workspace einladen.


Ein kleines Problem tritt auf, wenn Collanos Workplace auf einem System bereits installiert war, neu aber von einem anderen Teilnehmer genutzt werden soll. Der Uninstaller entfernt nämlich nicht alle Benutzerdaten, so dass die Software bei der Neuinstallation auf den früher benutzten Collanos Name zurückgreift und die Dialogbox zur Identifizierung gar nicht erst anzeigt. In diesem Fall muss man die früheren Benutzerangaben manuell löschen – auf dem Mac beispielsweise handelt es sich um das Verzeichnis /Library/AppliationSupport/CollanosWorkplace. Auf eine andere Art lässt sich die Identität leider nicht wechseln.


Neu in Version 1.3

Collanos bezeichnet die aktuelle Version 1.3 als «wichtigen Release» und führt acht Highlights an. Die bedeutendste Neuerung kommt unter der Haube zum Zug: Der Replikationsalgorithmus arbeitet neu nach dem Prinzip «Fetch to any». Bisher musste der Urheber eines Inhaltselements mit jedem anderen Teilnehmer mindestens einmal gleichzeitig online sein, damit gewisse Metainformationen ausgetauscht werden konnten. Erst danach liessen sich Inhalte vom betreffenden Urheber auch über Dritte replizieren. Diese Einschränkung fällt nun weg. Vor allem Teams, deren Mitglieder selten gleichzeitig online sind, profitie-
ren damit von einer massiv ver-
besserten Synchronisation der Workspaces.


Workplace 1.3 bringt auch ein runderneuertes Messaging-System. Statt der ziemlich rudimentären Funktion «Send Message» bietet die Software nun ein umfassendes Text-Chat-System, das sich sowohl synchron als auch asynchron nutzen lässt: Alle Meldungen werden persistent gespeichert, der ganze Dialog bleibt auch später jederzeit einsehbar. Ausserdem sind die Chats nicht mehr an einen bestimmten Workspace gebunden – für themenbezogene Kommunikation gibt es ja weiterhin die «Diskussionen».



Aufgaben präsentiert Workplace 1.3 auf Wunsch in einer neuen Ansicht: Während früher jeweils nur die Tasks eines bestimmten Workspace zusammen angezeigt wurden, steht neu auch eine Ansicht «Alle Aufgaben» zur Verfügung – eigentlich hat eine Taskliste ja nur so wirklich einen Sinn.


Collanos hat die Eclipse-basierte Oberfläche auch in anderen Punkten verbessert. So lassen sich nun einzelne Ordner oder ganze Ordnerstrukturen per Drag&Drop aus dem Workspace ins lokale Filesys­tem kopieren, und Dateien im Workspace öffnet man via Kontextmenü mit einem beliebigen Programm – bisher liess sich zum Beispiel ein Word-Dokument nur per Doppelklick mit Word selbst öffnen.


Alles in allem läuft die Software stabil, nur auf unserem PowerPC-basierten Mac-OS-System stürzte der Client in seltenen Fällen ab. Dafür lässt sich Collanos Work-
place in der aktuellen Ausgabe auch unter Windows Vista ohne jedes Problem installieren und betreiben.

(ubi)


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