Virtualisierung auf dem Mac

Nun hat auch der Virtualisierungs-Marktführer VMware ein Mac-Produkt mit aktuellen Features im Programm.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/22

     

Mit dem Wechsel vom
PowerPC zu Intels Core-Architektur wurde die Mac-Plattform urplötzlich für völlig neue Anwenderschichten interessant. Konnten Windows-Programme auf dem Mac früher nur mühsam mit Hilfe von leistungsschwacher Emulationssoftware betrieben werden, eignet sich die Hardware von Apple nun bestens dazu, Windows mit Hilfe der Dual-Boot-Funktion Boot Camp, die im neuesten Mac OS X 10.5 enthalten ist, direkt auszuführen. Der Nachteil: Mit Boot Camp nutzt man auf dem Mac entweder Mac OS X oder Windows, nicht aber beide Systeme gleichzeitig.


Virtualisierung in zwei Varianten

Bereits seit letztem Jahr ist die Mac-Virtualisierungslösung Parallels Desktop von der SWSoft-Tochter Parallels auf dem Markt. Das Produkt ist in der Mac-Szene beliebt und funktioniert ordentlich. Im Frühling 2007 doppelte der Virtualisierungs-Marktführer Vmware mit einem eigenen Mac-Produkt nach. VMware Fusion ist nun bereits in Version 1.1 erhältlich und bietet mehr oder weniger die gleichen Features wie die aktuelle Version 3.0 von Parallels Desktop.



Beide Produkte erlauben nicht nur den parallelen Betrieb von Mac OS X und Windows, sondern ermöglichen auch die Virtualiserung anderer Betriebssysteme wie NetWare, Linux und Solaris. Das Schwergewicht liegt jedoch klar auf der Windows-Virtualisierung, wie unser Testkandidat mit speziell darauf abgestimmten Features an manchen Stellen deutlich macht.


Problemlose Installation

Wir haben zunächst die Beta- und dann die Release-Version von Fusion 1.1 auf einem MacBook mit 2-GHz Core 2 Duo und 2 GB RAM installiert – ein problemloser Vorgang, der durch einen Assistenten unterstützt wird. Auf dem System war bereits eine Boot-Camp-Partition mit Windows Vista Ultimate vorhanden. Wir nutzten deshalb die Möglichkeit, die bestehende Vista-Installation als Basis für eine virtuelle Maschine zu verwenden. Mit einer einzigen Einschränkung stellt Fusion auch in diesem Betriebsmodus sämtliche Features zur Verfügung. Das einzige, was so nicht funktioniert, ist die Snapshot-Funktion, mit der sich der aktuelle Zustand einer virtuellen Maschine festhalten und später jederzeit wiederherstellen lässt.


Fusion verwaltet beliebig viele virtuelle Maschinen, die sich bei genügend grossem Arbeitsspeicher auch gleichzeitig aktivieren lassen. Als zweites haben wir deshalb eine virtuelle Windows-2000-Umgebung aufgesetzt. Fusion bietet dazu die Option «einfache Windows-Installation», die eine unbeaufsichtigte Installation durchführen sollte, nachdem man im Startdialog die wichgisten Angaben gemacht hat. Das hat fast, aber nicht ganz funktioniert: Der spezifizierte Admin-User wurde anstandlos angelegt, aber den Product-Key mussten wir während der Installation ein zweites Mal manuell eingeben.



Neben MS-DOS und sämtlichen Windows-Versionen inklusive Windows Vista und Windows Server 2008 unterstützt Fusion auch die Virtualisierung von NetWare, Solaris und verschiedenen Linux-Distributionen. Bei Linux ist allerdings Vorsicht geboten: Für die neuesten Ausgaben, zum Beispiel Ubuntu 7.04 und 7.10, bietet Vmware in Fusion offiziell keinen Support. Die Systeme lassen sich zwar ab einem CD- oder DVD-Image problemlos installieren – wir haben es am Beispiel von Mandriva One 2008 getestet –, Gastsystem und Host sind dann aber nicht ideal verzahnt. Die Abbildung von Geräten der virtuellen Maschine auf die Hardware des Host-Systems wird bei Fusion durch die Installation der für jedes Gastsystem unterschiedlichen Interface-Software VMware Tools realisiert.


Knackpunkt VMware Tools

Für ältere Versionen der gängigen Linux-Distributionen gibt es zwar Vmware Tools, die Software muss aber im Textmodus installiert werden, während die virtuelle Maschine läuft. Moderne Linux-Distributionen machen dies zumindest dem Gelegenheitsanwender nicht gerade einfach, da das System von Anfang an mit einer grafischen Oberfläche glänzt. Der Umfang des 262-seitigen VMware-Dokuments

«Guest Operating System Installation Guide» macht ebenfalls deutlich, dass die Einrichtung einer virtuellen Maschine nicht immer vollautomatisch zu erledigen ist. Fusion-Anwender dürften zudem etwas enttäuscht sein, dass viele Systeme sich zwar unter den Servervirtualisierungslösungen und der Desktop-Lösung Workstation virtualisieren lassen, nicht aber unter Fusion. Dummerweise sind viele der unterstützten Linux-Varianten bei den Distributoren gar nicht mehr erhältlich – bei Ubuntu zum Beispiel stehen die von VMware sanktionierten Versionen 5.10 und 6.10 nicht mehr zum Download bereit. Immerhin bietet VMWare selbst auf dem Virtual-Appliance-Marktplatz eine vorkonfigurierte Ubuntu-6.10-Umgebung an, die man nur herunterladen und entpacken muss und dann ohne Installation sofort als virtuelle Maschine starten kann.



Auch in einer virtuellen Windows-Maschine müssen die VMware Tools installiert werden. Das geht im Gegensatz zu Linux jedoch ganz einfach über die Menüoption «VMware Tools installieren». Danach ist jedoch nicht immer auf den ersten Blick klar, ob und wann die Tools wirklich fertig installiert wurden. Eigentlich sollte die Option nach einer erfolgreichen Tools-Installation durch «VMware Tools aktualisieren» ersetzt werden – in unserer Testinstallation steht aber nach wie vor «installieren». Das sicherste Indiz für eine gültige Installation der VMware Tools unter Windows ist das zugehörige Icon im System Tray.


Windows mal drei

Fusion bietet für virtuelle Windows-Maschinen drei Möglichkeiten: Im Modus «Einzelfenster» wird die komplette Windows-Umgebung mit Desktop, Fenstern, Taskbar und allenfalls Sidebar in einem Fenster auf dem Mac-OS-Desktop dargestellt. «Vollbild» zeigt die Windows-Maschine auf dem gesamten Bildschirm an. Zum Mac-Desktop wechselt man über die gängige Task-Umschaltfunktion mit der Tastenkombination Command-Tab.


Die nahtloseste Integration zwischen Mac OS und Windows bietet der dritte Modus: «Unity» stellt die unter Windows geöffneten Fenster einzeln auf dem Mac-Desktop dar, der Windows-Desktop wird nicht angezeigt. Unter Windows Vista geht dies nicht ganz problemlos: Ist die Sidebar aktiviert, werden nicht nur die Minianwendungen eingeblendet, sondern auch der Desktop-Hintergrund im gesamten Sidebar-Bereich.

Das sieht vor allem für den ästhetisch anspruchsvollen Mac-User hässlich aus. Die elf Seiten langen Release Notes zu Fusion 1.1 nennen eine ganze Reihe weiterer Probleme und Einschränkungen, die im Unity-Modus zu beachten sind. So wird zum Beispiel darauf hingewiesen, dass Unity mit dem Leopard-Feature Spaces Probleme hat und dass Windows-Anwendungen wie Excel, die MDI nutzen (Multiple Document Interface), ihre Fenster unter Unity möglicherweise nicht korrekt darstellen.



Bestens funktioniert dagegen der Datenaustausch zwischen der Mac- und der Windows-Welt, und zwar in allen drei Modi. Textstellen lassen sich markieren und per Copy&Paste zwischen Windows- und Mac-Anwendungen hin- und herkopieren, Files zieht man per Drag&Drop vom Windows- auf den Mac-Desktop. Optional lassen sich Ordner im Mac-Filesystem als Shared Folders definieren. Von Windows aus greift man dann im Lese- oder Schreib/Lesemodus auf die enthaltenen Dateien zu.


Performance erfreulich

Eine der ersten Fragen, die man sich bei virtualisierten Systemen stellt: Läuft das Ganze mit vernünftiger Geschwindigkeit? Parallels Desktop wurde des öfteren wegen eher schwacher Performance kritisiert. Bei Fusion ist die Angst ziemlich unbegründet, wie unser Test zeigt. Die Arbeit in der virtuellen Windows-Umgebung geht flott vonstatten, einzig die Effekte der Aero-Oberfläche fallen weg, weil die virtuelle Maschine keine 3D-Beschleunigung und kein DirectX 9 unterstützt.

Den von Vmware angepriesenen «experimentellen DX9-Support ohne Shader» konnten wir nicht testen, da der Grafikadapter des MacBook dafür angeblich zu schwach ist – obwohl genau die gleiche Intel-GPU unter Boot Camp die komplette Aero-Oberfläche völlig problemlos bewältigt. Sonst funktioniert die Unterstützung der Mac-Hardware aber tadellos. So lässt sich die integrierte iSight-Kamera des MacBook für Videochats und Schnappschüsse nutzen, und USB-Geräte funktionieren in der Windows-Umgebung auch dann, wenn Mac-seitig gar kein Treiber existiert.



Mit dem Performance-Test 6.1 von Passmark haben wir die Systemleistung in verschiedenen Konfigurationen überprüft. Die beste Leistung bietet naturgemäss der Betrieb unter Boot Camp – dann hat man eigentlich ein «echtes Windows-Notebook» mit einem aktuellen Dual-Core-Prozessor vor sich. Gesamtleistung (immer ohne DX9-Test): knapp 300 Punkte. Mit gegen 220 Punkten ist das virtualisierte Windows Vista nicht einmal ein Drittel weniger leistungsfähig. Da der Test erfolgte, ohne dass gleichzeitig Windows-Anwendungen liefen, spielt auch der Arbeitsspeicher, den wir der virtuellen Maschine zuteilten, eine geringe Rolle – egal ob 512 MB oder 1 GB, die Installation läuft ungefähr gleich schnell.

Wird ein zweiter virtueller Prozessor zugeschaltet, reduziert sich die Leistung sogar leicht – der Overhead zur Verwaltung des virtuellen Multicore-Prozessors scheint den allfälligen Geschwindigkeitsvorteil in unserer Testinstallation zu übertreffen. In der Grundeinstellung konfiguriert Fusion die virtuellen Maschinen denn auch bloss mit einer virtuellen Single-Core-CPU.

(ubi)


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