Editorial

Vermischte Meldungen

E-Mail-Virus beleidigt seine Opfer - «What a foolish thing you have done», meldet er sich beim Öffnen des betroffenen E-Mails.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/43

     

"E-Mail-Virus beleidigt seine Opfer", so eine Cnet-Schlagzeile vom 27. November. Der Winevar-Wurm, so der Nachrichtentext weiter, präsentiert beim Öffnen des betroffenen E-Mails als Erstes eine Dialogbox mit der netten Meldung "What a foolish thing you have done."


Das Lächeln auf den Stockzähnen

Ich kann nicht verhehlen, dass sich bei der Lektüre ein süffisantes Lächeln auf meine Lippen geschlichen hat. Endlich ein Virus, das dem tumben User die Meinung sagt. Schliesslich weiss spätestens seit meiner letzten Kolumne jeder, dass die allermeisten elektronischen Nachrichten ohnehin Spam sind und man E-Mails eigentlich grundsätzlich nicht öffnen sollte - man könnte sonst zumindest innerlich zum Serienmörder werden.



Dummerweise belässt Winevar es nicht bei der neckischen Verbalinvektive; es ist darüber hinaus gemäss der russischen Antivirenbrigade von Kaspersky "mit diversen extrem gefährlichen Nutzlasten behaftet, die zu unwiederbringlichem Datenverlust führen können". In gewissen Fällen, so eine andere virenunfreundliche Firma namens Symantec, versuche das Winevar-Gewürm sogar, alle Files auf der Harddisk zu löschen. Gemäss dem Motto, das zum Beispiel auf dem Schaffhauser Stadttor zu finden ist, rät Symantec denn auch, keine Attachments zu öffnen, besonders nicht solche vom Typ .pif oder .ceo - von .exe, .com und .vbs schweigt man für einmal vornehm.





Verminderte Umleitung

In diesem Zusammenhang möchte ich dem Leser eine nette Geschichte über Web-Piraterie nicht vorenthalten. Haben Sie die Kaspersky Labs schon einmal auf dem Web besucht und dabei die Adresse falsch eingegeben?



Bis vor kurzem erschien unter www.kapersky.com, als verwechselnde URL-Eingabe für Nichtrussen ein Leichtes, statt der Antivirenfirma das Angebot für ein E-Book zum Thema "3 Easy Steps to Rock-Solid Virus Protection", das unter anderem darauf hinweist, auch mit aktivierter Virenschutzsoftware könne ein System gut und gerne von den schlimmsten Viren befallen werden: "Many people use antivirus software so incorrectly that it is not worth the hard disk space it occupies." Als notorischer Nichtuser von Virenschutzprogrammen gratuliere ich zu dieser Erkenntnis, die im übrigen auch für viele andere Softwarekategorien gilt.




Kapersky statt Kaspersky - von Powerful Publications aus Schulenburg, Texas geschickt eingefädelt, möchte man sagen, zumal der URL-Falscheingeber dann erst noch geografisch ertappt wird: "A special welcome to our many Basel visitors" prangt in meinem Fall als erstes Sätzchen zuoberst auf der Seite; möglich offenbar dank dem Geotargeting-Service www.geoup.com.



Inzwischen scheinen die Russen reagiert zu haben: Heute kommt unter www.kapersky.com nach einer kurzen Umleitung die Kaspersky-Original-Site, pikanterweise gleich mit Start im Online-Shop-Bereich der Antivirenschmiede. Das E-Book gibt es immer noch, nun allerdings unter www.antivirusebook.com. Ob eine Bestellung jedoch ratsam ist, sei dahingestellt - vielleicht ist die Antivirusebook-Site selbst eine Art Virus und sammelt bloss Kreditkartennummern, auf dass der Betreiber auf meine Kosten schweinischen Vergnügungen nachgehen kann? Who knows...




"Forum für Lehrer bleibt Leerlauf"

Dies, und nicht etwa die Niederlage des FCB gegen GC samt Fast-Spielabbruch aufgrund von durch Wurfgegenstände getroffenen Spielern und Linienrichtern, ist heute Montag der Aufhänger von Basels grösster Gratiszeitung. Und weiter: "Die Austauschplattform www.denkpause.ch registriert zwar viele Besucher, aber kaum aktive Nutzer." Die Site wurde im Juni "auf persönliche Initiative von Departements-Vorsteher Christoph Eymann" eingerichtet, um Lehrpersonen den Web-basierten Meinungs- und Erfahrungsaustausch zu ermöglichen.



Da fungiert der Basler Regierungsrat gewissermassen buschorgleich als Facilitator, der dem verstaubten Lehrertum die elektronische Kommunikation näherbringen will, und keiner geht hin - denn auch die täglich 55 Besucher der Site sind wohl eher als spärlich zu bezeichnen; von den insgesamt genau drei Forums-Einträgen aktiver User wollen wir gar nicht weiter reden.




Es verwundert dann allerdings nicht, dass, wie weiter unten im Artikel erwähnt, auch bei vergleichbaren Plattformen in Deutschland ähnliche Erfahrungen gemacht wurden. Heidi Mück, Sekretärin der Gewerkschaft Erziehung, bringt es im Baslerstab-Interview auf den Punkt: "Die Seite entspricht offenbar keinem Bedürfnis." Ob es angesichts dessen hilft, dass die Site nun nicht mehr bloss mit Passwort ausgestattetem Basler Lehrpersonal, sondern der gesamten Webgemeinde frei zugänglich ist, wird sich weisen.




Web-Usage widerspiegelt Gesellschaftsusanzen

Das Beispiel Denkpause zeigt zweierlei auf: Erstens bringt es keinen Vorteil, den Zugang zu Web-Informationen auf eine bestimmte Benutzergruppe einzuschränken. Anders als beim Online-Banking oder beim Firmen-Intranet, in dem Geschäftsgeheimnisse besprochen werden, ist bei einem Online-Forum mit allgemein interessierender Thematik eben gerade die Möglichkeit der unkomplizierten Teilnahme das grosse Plus.



Dass die Lehrerschaft offensichtlich noch nicht so weit ist und statt im Internet lieber im Lehrerzimmer diskutiert, weist allenfalls auf Modernitätsdefizite im Erziehungswesen hin. Die zahlreichen Softwareanbieter, die den Produktsupport geschickt auf die User-Foren ausgelagert haben, beweisen, dass es auch anders geht - und zwar genau dann, wenn der Zugang nicht nur hochoffiziell registrierten Anwendern offensteht. Benutzer gecrackter Versionen sind oft die aktivsten und hilfsbereitesten Forumsteilnehmer; ähnliches dürfte zum Beispiel für die InfoWeek-Site gelten - auch hier sind wohl nicht alle regelmässigen Beitragsschreiber gleichzeitig Abonnenten der Print-Ausgabe.




Zweitens widerspiegelt das kärgliche Aktivitätslevel an vielen Online-Treffpunkten die gesellschaftliche Realität: Auch im Real Life sind es oft einige wenige Aktive, die einer schafherdenähnlichen Masse passiver Konsumenten gegenübersteht. Das trifft auf die Politik mit manchmal deprimierenden Stimmbeteiligungen ebenso zu wie aufs Vereinswesen. Mir kommt da beispielsweise der MUS in den Sinn, eine Vereinigung von Macintosh-Anwendern mit immerhin gegen 2000 Mitgliedern, von denen seit Jahren immer in etwa die gleichen drei Dutzend mit Aktivitäten wie der Organisation von Informationsmeetings, der Niederschrift von Artikeln fürs monatliche Vereinsorgan oder der Koordination von Special Interest Groups glänzen.



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