Freie Software fürs Business

Open Source gibt es auch in Form von Geschäftsanwendungen - vor allem CRM und ERP sind gut vertreten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/08

     

Nur ein halbes Prozent aller Open-Source-Projekte befasst sich mit Geschäftsanwendungen wie CRM und ERP. Offenbar macht vielen Programmierern das Herumtüfteln an Betriebssystemen, Middleware und CMS-Lösungen fürs Web mehr Spass als die Auseinandersetzung mit kaufmännischen Fragestellungen. Dennoch gibt es eine Anzahl freier Business-Anwendungen, die vielen proprietären Systemen durchaus das Wasser reichen können und sich wachsender Beliebtheit erfreuen.


Unterschiedliche Abdeckung

Es gibt für praktisch alle Geschäftsbereiche freie Business-Software – aber nicht jede Kategorie ist gleich gut vertreten. CRM-Systeme sind vergleichsweise häufig. Zehn der 21 Lösungen in unserer Übersicht bieten mehr oder weniger umfassende CRM-Funktionalität, die aber in jedem Fall über eine blosse Adressverwaltung hinausgeht und bei ausgewachseneren Produkten wie OpenCRX oder Centric CRM das Niveau der meisten kommerziellen Lösungen mindestens erreicht. Die Projektwebsites enthalten meist eine detaillierte Feature-Übersicht, und bei vielen Lösungen findet sich online eine Demo-Installation zum Ausprobieren.





Etwas weniger gängig, aber immer noch relativ gut vertreten sind freie ERP-Systeme. Auch hier ist die Bandbreite gross, sie geht von klassischen KMU-Lösungen mit Windows-Client und Server-Back-end – ein allerdings ziemlich seltener Fall – bis zu hochskalierbaren Suiten, die sich auch für mittlere und grössere Unternehmen eignen. Die meisten Lösungen basieren auf einem J2EE-Server, die .NET-Architektur ist naturgemäss nicht vertreten – sie setzt ja eine proprietäre und kostenpflichtige Serverplattform voraus.





Zunehmende Tendenz auch bei freier Business Intelligence: Neben verschiedenen Reporting-Lösungen, die InfoWeek kürzlich in einer separaten Marktübersicht vorgestellt hat, existieren derzeit mehrere umfassende BI-Plattformen mit Analytics, Reporting, Data Mining und ETL-Funktionalität. Das steigende Interesse an kompletten BI-Suiten mit freiem Quellcode zeigt sich an Firmen wie Jaspersoft und Pentaho, die eine interessante Geschichte aufweist: Im Lauf der Zeit sind zum ursprünglichen Pentaho-Projekt immer wieder andere BI-Projekte dazugestossen, darunter der OLAP-Server Mondrian, die Reporting-Library JFreeReport und die Datenintegrationstools des Kettle-Projekts. Diese Entstehungsgeschichte unterscheidet sich im übrigen nicht sonderlich von der History der meisten kommerziellen Softwarehersteller, die ihr heutiges Produktportefeuille ja ebenfalls fast immer durch Akquisitionen zusammengestellt haben.





Das Angebot an freien Accounting-Lösungen beschränkt sich im wesentlichen auf SQL-Ledger, analog ist OrangeHRM die einzige bekannte Open-Source-Personalverwaltung mit vollständigem Funktionsumfang. Bei den Kategorien Enterprise-CMS und Document Management haben wir uns auf die beiden bekanntesten Lösungen Alfresco (die Projektgründer stammen hier unter anderem aus der EMC-Tochter Documentum) und KnowledgeTree beschränkt, die beide als Enterprise-tauglich gelten. Daneben gibt es eine Reihe kleinerer CMS und DMS mit freiem Quellcode.


Firma versus Community

Eines fällt bei den freien Business-Software-Lösungen rasch auf: Im Gegensatz zum Löwenanteil der übrigen Open-Source-Projekte steht hinter der Software fast immer eine Firma mit herkömmlicher Organisationsstruktur und nicht eine weltweit verteilte Gemeinde, die sich aus einzelnen Entwicklern und kleinen Teams zusammensetzt. Dementsprechend haben die Hersteller auch durchaus handfeste kommerzielle Interessen. Der Branchenjargon spricht denn auch von «Commercial Open Source».
Im Unterschied zu den Anbietern proprietärer Software stammt der Erlös jedoch nicht aus dem Lizenzverkauf, sondern wird auf andere Weise generiert. Die FAQ von Pentaho unterscheiden bei der Frage, woher das Geld bei Open-Source-Firmen denn komme, zwischen drei Varianten:



- Dual Licensing: Es gibt einerseits eine freie Variante des Produkts, die unter einer Open-Source-Lizenz vertrieben wird, wobei meist eine Variante der Mozilla Public License zum Zug kommt. Auf der anderen Seite bietet der Hersteller eine kostenpflichtige Ausgabe an, entweder ohne offenen Quellcode oder ohne Erlaubnis beziehungsweise Verpflichtung zur Weitergabe allfälliger eigenentwickelter Erweiterungen.
Die Produktvarianten unterscheiden sich unterschiedlich stark, zum Beispiel durch die maximale Anzahl der bedienten User oder in einzelnen Features. Bei einigen Lösungen kommt die Open-Source-Variante stark abgespeckt daher, Beispiele sind SugarCRM und KnowledgeTree. Ebenfalls häufig anzutreffen: Die Lösung wird vom Hersteller selbst auch im Abonnement als kostenpflichtige ASP-, Hosted-Service- oder On-Demand-Variante anbgeboten.





- Kostenpflichtige Dienstleistungen: Manche Open-Source-Unternehmen finanzieren sich mit Dienstleistungen wie Beratung, Implementation und Support. Die Preise für solche Services entsprechen meist dem gängigen Niveau kommerzieller Softwareanbieter und weisen darauf hin, dass die Lösung eigentlich eher für grössere Umgebungen gedacht ist und weniger fürs Kleinstunternehmen. Der Anbieter des Tiny ERP aus Belgien zum Beispiel verlangt für einen Supportvertrag 1900 Euro pro Jahr. Billiger kommt’s beim indischen Softwarehaus Vtiger, dort sind die Supportpreise nach Anzahl User abgestuft und beginnen bei jährlich 149 Dollar.




- Spenden: Die finanzielle Alimentierung eines Open-Source-Projekts durch Einzelspenden ist bei Business-Software praktisch nicht vertreten. Häufig unterstützt jedoch ein Sponsor, zum Beispiel eine Stiftung oder ein kommerzieller IT-Hersteller, die Weiterentwicklung mit namhaften Beträgen – oft mit dem Ziel, die Software auch in eigene Lösungen einzubinden oder durch die eigene Serviceorganisation zu betreuen.
In den meisten Fällen erfolgt die Finanzierung des Unternehmens durch eine Kombination der drei Methoden – und einige Hersteller haben weitere innovative Wege zum Geld gefunden. So ist bei SQL-Ledger zwar die Software gratis, das Manual dazu ist aber unüblicherweise nicht im freien Online-Zugriff, sondern erst gegen Zahlung von mindestens 190 Dollar zu haben. Wer diesen Betrag nicht entrichten will, meint die Projektwebsite, muss halt im Internet nach Anleitungen und Tips googeln.




Freie Open-Source-Business-Software von CRM bis HRM

(ubi)


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