Fibre Channel versus iSCSI

Im Low-end ist iSCSI schon jetzt konkurrenzlos. Der Durchbruch im High-end kommt mit 10-Gigabit-Ethernet frühestens in drei Jahren.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/11

     

Sämtliche Experten sind sich einig: iSCSI hat Zukunft. Ebenso einig ist man sich, dass deswegen Fibre-Channel-basierte SANs ihre Berechtigung auf absehbare Zeit nicht verlieren. Mit anderen Worten: Die Frage, ob iSCSI oder Fibre Channel (FC), beantwortet sich nicht von selbst – die Wahl der Technologie hängt weitgehend vom Einsatzszenario ab.


Fibre Channel dominiert, iSCSI kommt

«Zur Zeit ist Fibre Channel ganz klar noch dominierend», meint Ralf Damerau, Managing Director von Dicom Security, einem der wenigen Schweizer Dienstleister, die sich auf Storage-Integration konzentrieren. Die Nachfrage nach iSCSI halte sich bei seinen Kunden noch im Rahmen; aufs dritte Quartal sieht Damerau iSCSI jedoch für einige Projekte als «ernsthaftes Thema». Damerau betont zudem, dass «überall dort, wo heute schon FC im Einsatz ist, der Wechsel auf iSCSI wenig Sinn macht» und stellt fest: «Generell würde ich vor allem bei grösseren SANs mit mehr als 20 Servern auf FC setzen.» Als Umkehrschluss lässt Damerau gelten, dass iSCSI in kleineren SANs, speziell dort, wo auf dem LAN noch genug Kapazität frei ist, schon heute die richtige Lösung sein könnte. Auch die Anbindung entfernter Server via IP-WAN sieht Damerau als gute Anwendungsmöglichkeit für iSCSI - falls der Server an einem FC-SAN teilnehmen soll, bieten Hersteller wie Cisco oder - als OEM - auch HP heute sogenannte iSCSI-Router an, die genau die Aufgabe erledigen, ein FC- mit einem iSCSI-SAN zu verbinden.




Ganz ähnlich klingt es bei der Konkurrenz: Stephan Schneider steht dem Schweizer Mitglied der ProAct-Gruppe vor, einem weiteren bekannten Storage-Integrator, und hat mit seinem Unternehmen schon mehrere iSCSI-Projekte realisiert. Auch Schneider meint aber, FC sei keineswegs auf dem absteigenden Ast: «Ein grosses Data Warehouse zum Beispiel, das sehr grosse I/O-Bandbreiten benötigt, würde ich nicht via iSCSI anschliessen.» Es gebe genügend Beispiele von Applikationen und ganzen Umgebungen, die Bedarf nach hoher Performance hätten, die sich am besten in einem FC-SAN realisieren liessen.




iSCSI-Implementationsvarianten


iSCSI im KMU

Schneider sieht vor allem einen Bereich, wo iSCSI brilliert: In kleineren Umgebungen werden Storage-Konsolidierungsprojekte überhaupt erst mit iSCSI zu vernünftigen Preisen möglich. Die Technologie ist heute da – auch für anspruchsvolle KMU-Szenarien genügt ein separates Gigabit-LAN mit handelsüblichen Gigabit-Ethernetkarten und -Switches für den Speicherverkehr. Die Protokollverarbeitung übernimmt dabei der iSCSI-Initiator, der als Software in den meisten aktuellen Betriebssystemen integriert ist.
Im Einstiegsbereich ist iSCSI also eigentlich nicht die Alternative zu FC, sondern die kostenmässig einzige Möglichkeit, Storage-Konsolidierung zu betreiben. Gerade KMU, die oft mit einer Vielzahl von im Lauf der Zeit eingerichteten Servern und Datenbanken arbeiten und mittlerweile im totalen Datenchaos herumwursteln, könnten von zentralem Datenhandling enorm profitieren.


...und im Midrange

Nur besonders leistungshungrige Anwendungen machen hardwareunterstützte TCP- oder iSCSI-Verarbeitung nötig. Dazu bieten Hersteller wie Adaptec, QLogic und Xiran Netzwerkkarten mit TCP-Offload-Engine oder sogar iSCSI-Host-Bus-Adapter an (HBA), die den Systemprozessor von allen iSCSI-bedingten Rechenoperationen entlasten. Einzig Emulex, in der FC-Szene wohlbekannter HBA-Hersteller, zeigt iSCSI bis anhin die kalte Schulter.




Dafür kommen Storage-Hersteller immer mehr auf den iSCSI-Geschmack. Die NAS-Filer von Network Appliance sind wie alle NAS-Geräte hardwareseitig von Natur aus iSCSI-fähig, unterstützen iSCSI-Connectivity auch im Betriebssystem und sind optional mit nativen iSCSI-Ports erhältlich. Sogar EMC, mit den Symmetrix-Systemen die Gralshüterin des High-end-Speichermarktes, verkauft diese auf Wunsch mit iSCSI-Anschluss und offeriert seit kurzem auch ihre Midrange-Systeme vom Typ Clariion mit iSCSI-Support. In der Folge dürfte auch Dell, in der Schweiz mit den Storage-Produkten im Europavergleich besonders erfolgreich, das Dell/EMC-Cobranding-Produkt Clariion CX100 mit iSCSI-Port ausstatten.





Branchenauguren wie die Gartner- und Metagroup-Analysten prophezeien, dass der gesamte Midrange-Markt in zwei, drei Jahren in Richtung iSCSI schwenken wird. Der definitive Durchbruch wird in drei bis fünf Jahren mit 10-Gigabit-Ethernet kommen. Dann droht Fibre Channel auch im High-end Konkurrenz, was auch für Ralf Damerau Sinn macht: «Mit 10-Gigabit-Ethernet bleibt für das Gros der Schweizer Unternehmen genug Bandbreite für User- und Storage-Kommunikation über das gleiche Netzwerk. Das könnte dann tatsächlich der langsame Tod von Fibre Channel sein.»


SAN-Evaluationskriterien

Bis dann gehen aber noch einige Jahre ins Land. Wer sich heute mit Speicherkonsolidierung beschäftigt, hat bei der Auswahl der Technologie zahlreiche Aspekte zu berücksichtigen. Die wichtigsten Evaluationskriterien:


• Zeitpunkt der Einführung: Heute, morgen oder in zwei Jahren? Noch ist FC-Technologie reifer, aber iSCSI holt mit Siebenmeilenstiefeln auf.


• Datenmenge und Nutzung: Für kleinere Datenmengen ist iSCSI schon jetzt klar die bessere Wahl. Grosse Datenmengen, die stark genutzt werden und deshalb viel Traffic verursachen, bewältigt FC noch besser.


• Anzahl Server: Auch hier spielt die benötigte Storage-Kapazität eine wichtige Rolle. Je mehr Server, desto teurer werden im FC-SAN die HBA und Switches insgesamt. Auf der anderen Seite schlagen diese Kosten mit steigender Datenmenge im Verhältnis immer weniger zu Buche. Anders gesagt: Wirklich riesige Storage-Einheiten sind so teuer, dass die Kosten fürs Speichernetzwerk fast nicht mehr ins Gewicht fallen.


• Serverstandorte: Entfernte Server lassen sich ohne Rückgriff auf exotische Technologien wie FCIP und iFCP nicht via Fibre Channel anbinden. iSCSI ist mit seiner TCP/IP-Basis von Haus aus WAN-fähig.


• Verfügbare LAN-Bandbreite: Weniger wichtig. In den allermeisten Fällen empfiehlt sich sowieso ein getrenntes IP-Netzwerk für den Storage-Verkehr. Die Idealvorstellung von einem Netz für alle Zwecke dürfte fast immer eine Illusion bleiben - der Speicherzugriff ist so wichtig, dass er auch nicht potentiell durch andere LAN-Dienste gestört werden darf.

(ubi)


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