Spiegelreflex mit Live-Vorschau

Die Olympus E-330 lässt dem Fotografen bei Bildkomposition und Scharfstellung die Wahl zwischen Sucher und LC-Display.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/09

     

Ambitionierte Fotoamateure, und die Profis sowieso, schwören seit Jahrzehnten auf die Spiegelreflextechnik. Im Gegensatz zu den Kompaktkameras der Consumer-Klasse zeigt eine SLR-Kamera (Single-Lens Reflex) statt der ungefähren Annäherung durch eine separate Sucheroptik tatsächlich das Bild, das beim Durchgang des Lichts durch das Objektiv entsteht.
Zu Beginn waren digitale Spiegelreflexkameras mit Preisen von mehreren tausend Franken für das Gehäuse allein der professionellen Fotografie vorbehalten. Seit ein, zwei Jahren werden die Systeme billiger – eine Einsteiger-DSLR wie die Nikon D50 oder die Canon EOSD350 sind heute inklusive Standardobjektiv für unter tausend Franken zu haben.


SLR-Nachteil behoben

Unser Testobjekt ist zwar etwas teurer, behebt aber als bisher einziges Spiegelreflexmodell einen Nachteil der Technik, der Kompaktkamera-Benutzer bisweilen vom Umstieg auf ein Spiegelreflex-System abhält: Da sich bei SLR-Kameras üblicherweise der Sucherspiegel zwischen Optik und Sensor befindet, ist eine permanente Bildvorschau auf dem LC-Monitor nicht möglich. Zur Bestimmung des Bildausschnitts muss man zwingend durch den Sucher blicken, das Display dient ausschliesslich der Nachkontrolle.
Mit der E-330 führt Olympus zwei sogenannte Live-View-Modi ein, die sich wahlweise zuschalten lassen. In beiden Modi zeigt das helle 6,4-Zentimeter-Display das vom Objektiv erfasste Bild kontinuierlich an, so dass sich der Bildausschnitt ohne Blick durch den Sucher bequem vor der Aufnahme festlegen lässt.


• In Modus A, der auch mit Autofokus funktioniert, zeigt das Display das Bild eines zweiten, im Sucher untergebrachten Bildsensors. Dieser Hilfssensor empfängt das Bild über einen zusätzlichen, halbdurchlässigen Spiegel im Lichtweg des Suchers. Dadurch reduziert sich die Helligkeit des optischen Suchers merklich. Im Vergleich zu anderen SLRs wirkt das Sucherbild der E-330 zudem eher klein, was sich allerdings mit einer optionalen Sucherlupe kompensieren lässt. Weil nicht der Hauptsensor zum Zug kommt, lässt sich überdies der Weissabgleich im Vorschaubild nicht kontrollieren.
Mit ihrer Kritik am «dunklen, kleinen» Sucherbild der E-330 mögen hartgesottene Spiegelreflexfotografen einen Schwachpunkt der Olympus-Innovation erkannt haben. Die Vorteile der Live-Anzeige überwiegen aber bei weitem: Da sich das LCD mit Hilfe eines stabilen Mechanismus aus Metall herausklappen und stufenlos nach oben oder unten neigen lässt, sind Aufnahmen aus extremen Blickwinkeln möglich (Froschperspektive, aus der Hüfte, über Kopf...), ohne dass sich der Fotograf dabei in lächerliche Posen verrenken muss und über Gebühr auffällt.


• Im Modus B wird der Spiegel weggeklappt, das Licht fällt also direkt vom Objektiv auf den Haupsensor, und das Display zeigt das gesamte Sensorbild. In diesem Modus fällt die automatische Scharfstellung weg – die Schärfe lässt sich nur manuell einstellen, dies aber dank wahlweiser zehnfacher Vergrösserung des LCD-Bilds mit der hohen Genauigkeit, die für präzise Makroaufnahmen benötigt wird.


Familienmitglied im E-System

Im Gegensatz zur Konkurrenz, die meist entweder mit CCD- oder CMOS-Bildsensoren im Kleinbild-Vollformat (24x36 mm) oder in APS-C-Grösse (22x15 mm) arbeitet, kommt in der E-330 ein völlig neu entwickelter NMOS-Sensor mit 7,5 Megapixel Auflösung und einer Diagonale von 22,5 mm zum Einsatz, der laut Olympus bei geringerem Stromverbrauch qualitativ ebenbürtige Ergebnisse liefert.
Auch bei der Optik geht Olympus einen eigenen Weg: Passend zum Sensor wurden spezielle Objektive entwickelt. Die Kombination von Gehäuse, Im Gegensatz zur Konkurrenz, die meist entweder mit CCD- oder CMOS-Bildsensoren im Kleinbild-Vollformat (24x36 mm) oder in APS-C-Grösse (22x15 mm) arbeitet, kommt in der E-330 ein völlig neu entwickelter NMOS-Sensor mit 7,5 Megapixel Auflösung und einer Diagonale von 22,5 mm zum Einsatz, der laut Olympus bei geringerem Stromverbrauch qualitativ ebenbürtige Ergebnisse liefert.





Auch bei der Optik geht Olympus einen eigenen Weg: Passend zum Sensor wurden spezielle Objektive entwickelt. Die Kombination von Gehäuse, Sensor und Objektiv nennt sich marketingtechnisch
«E-System» und folgt dem von Olympus und Kodak Ende 2002 definierten Four-Thirds-Standard (FT). Objektive im FT-Standard sind auf die Sensoren im FT-Format abgestimmt. Unerwünschte Effekte, die beim Einsatz konventioneller Spiegelreflexobjektive auf Digitalkameras mit nicht vollformatigen Sensoren auftreten, fallen damit weg; dies gilt insbesondere für die lästige Vignettierung im Weitwinkelbereich.
Bis heute stellt nur Olympus Kameras im FT-Standard her: Die 5-Megapixel-Profikamera E-1 geniesst mit ihrem Metallgehäuse punkto Robustheit einen sehr guten Ruf, lässt beim Rauschverhalten in höheren Empfindlichkeitsstufen aber zu wünschen übrig. Bei den Nachfolgemodellen E-300 und E-500 und besonders bei der E-330 konnte der Hersteller das Rauschproblem, das sich nicht zuletzt aufgrund der geringeren Sensorgrösse bemerkbar macht, sukzessive verringern.






Eine weitere Innovation des E-Systems kommt auch in der E-330 zum Tragen. Als bisher einziger Hersteller stattet Olympus seine Spiegelreflexkameras mit einem Staubschutzmechanismus aus: Bei einem Objektivwechsel dringen praktisch immer Staub oder andere Fremdpartikel ins Gehäuse ein, der sich auch auf dem Bildsensor niederlässt. Der «Supersonic Wave Filter» rüttelt den Sensor per Ultra–schall-Vibration bei jedem Einschalten der Kamera durch; der abgeschüttelte Staub landet auf einer Klebefolie, die alle paar Jahre ersetzt werden sollte.
Im übrigen hat der FT-Standard mit den bereits erhältlichen Objektiven von Sigma und dem angekündigten Einstieg von Panasonic und Leica kürzlich eine klare Bestätigung erhalten. Böse Zungen, die dem Four-Thirds-Konzept schon das Totenglöcklein läuten wollten, dürften damit verstummen.


Bildqualität gut, Handling angenehm

Die E-330 liefert auch mit einer Empfindlichkeitseinstellung bis 400 ISO tadellose Bilder; bei mehr als 800 ISO ist das Rauschen zwar deutlich, wirkt aber nicht unangenehm und erinnert an die Körnung hochempfindlicher Filme. Andere wichtige Bildparameter wie der Weissabgleich lassen sich flexibel der Aufnahmesituation oder den eigenen Vorlieben anpassen, entweder bei jeder Aufnahme über gut erreichbare, griffgünstig angebrachte Bedienungsknöpfe oder per Voreinstellung: In einschlägi–gen Foren liest man zum Beispiel, der ab Werk mit leichtem Grünstich definierten Default-Farbeinstellung begegne man am besten mit einer Justierung des Weissabgleichs
(Rot +1, Grün -3).






Auch Schärfung, Kontrast und andere Parameter lassen sich anpassen, und verschiedene Tasten können vom Benutzer mit beliebigen Funktionen belegt werden. Insgesamt lässt sich die E-330 bis ins Detail weit mehr auf die persönliche Arbeitsweise zuschneiden als viele Konkurrenzmodelle der Einstiegsklasse. Zum Beispiel die Belichtungsmessung: Neben einer Mehrfeldmessung mit 49 Zonen und der klassischen mittenbetonten Integralmessung stellt die E-330 drei verschiedene Spot-Metering-Methoden zur Verfügung. Oder die Empfindlichkeitseinstellung: Im Gegensatz zu anderen Einstiegs-SLRs erlaubt das neue Olympus-Modell die ISO-Einstellung auch in Drittel- statt nur ganzen EV-Schritten. Je nach Lichtverhältnissen und Motiv kann die feinere Einteilung den Trade-Off zwischen Empfindlichkeit und Bildrauschen entscheidend erleichtern.


Re-formiertes Äusseres

Beim Design des Kameragehäuses hat Olympus wohl die teils irritierten Reaktionen auf das doch recht kantige Vorgängermodell E-300 berücksichtigt: Der E-330 fehlt zwar durch den seitlich orientierten Porro-Spiegelsucher konstruktionsbedingt das «Häubchen», unter dem sich das Pentaprisma des sonst üblichen Prismensuchers verbirgt; ansonsten wirkt das Gehäuse mit seinen gerundeten mormen aber viel eher wie eine konventionelle SLR. Die kompakt gebaute E-330 liegt gut in der Hand und ist zwar deutlich grösser als die durchschnittliche Schnappschuss-Digicam, fühlt sich aber im Gegensatz zu mancher anderen digitalen SLR überhaupt nicht klobig an. Der Griff wurde gegenüber der E-300 stark verbessert, er ist mit einer handschmeichelnden, ledergeprägten Gummierung umfasst. Insgesamt fühlt sich das ganze Gehäuse hochwertig an und wirkt sehr sorgfältig verarbeitet.






Die E-330 ist in verschiedenen Konfigurationen erhätltlich. Neben dem Gehäuse selbst offeriert Olympus acht verschiedene Kits mit Preisen zwischen 1798 Franken (mit Objektiv 14-45 mm/1:3,5-5,6) und 7898 Franken («Nature Pro Kit» mit Body, Systemtasche und vier Objektiven, darunter das legendäre 7-14-mm-Extremweitwinkelzoom und ein lichtstarkes Makroobjektiv).
Dem Gehäuse und allen Kits liegen die üblichen Zubehörteile bei (Akku, Ladegerät, Schultergurt, Kabel...). Einziger Wermutstropfen: Die zweihundertseitige «erweiterte Anleitung», die man zwecks näherem Kennenlernen der Kamera unbedingt studieren sollte, ist nur als PDF auf der Software-CD vorhanden.

(ubi)


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