CRM im Private Banking
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/16
CRM stand im Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns einer jeden Privatbank lange bevor der Begriff CRM erstmals verwendet wurde. Gleichwohl hat es kaum ein grösseres Unternehmen gegeben, in dem in den letzten Jahren nicht CRM-Projekte durchgeführt wurden – mit höchst unterschiedlichen Erfahrungen. Im Folgenden sollen einige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Implementierung von CRM in einer Privatbank diskutiert werden.
Ein wichtiger Aspekt gilt zunächst dem gedanklichen Rahmen des Projektes. Die Vorstellungen, was CRM – speziell im Private Banking – bedeutet, sind zum Teil auch heute noch sehr unterschiedlich. Geht es mitunter lediglich um eine Effizienzsteigerung durch grafische Interfaces und ansprechende Präsentation von Information, stehen bei anderen Projekten Qualitätssicherung und Systematisierung der Kundenbeziehungspflege sowie eine zentrales Controlling der Aktivitäten der Relationship Manager genauso in den Pflichtenheften wie die Einführung von Kundensegmenten und zielgruppengerechten Kampagnen. Eine Zielsetzung, welche allzu häufig unerwähnt bleibt, ist die gewünschte Veränderung des Verhaltens der Mitarbeitenden an der Kundenfront.
Eine detaillierte Darlegung und Abgrenzung der strategischen Ziele des Projektes sollte zu Beginn in aller Deutlichkeit formuliert und von allen betroffenen Führungskräften mitgetragen werden, um die Konsequenzen und die Hindernisse überhaupt beurteilen zu können.
Ein zentraler Punkt für eine erfolgreiche Implementierung ist die Akzeptanz der designierten User eines CRM Tools. Anders als im Retail Banking, wo der Banker durch zentrale Planung und Steuerung überhaupt erst in die Lage versetzt wird, eine Vielzahl von Kunden in angemessener Weise zu beraten und seine Vertriebsziele zu erfüllen, sind die Private-Banking-Berater nicht nur weitaus besser über ihre Kunden informiert, sondern auch wesentlich weniger bereit, externe Einflussnahme auf ihre Arbeit zu akzeptieren.
Der Nutzen eines CRM Tools für die Mitarbeitenden ist umso schwieriger zu realisieren, je vertrauter sie bereits mit den Kunden sind. Im Private Banking sind die Kunden hinsichtlich der Kundenorientierung des Beraters zudem äusserst anspruchsvoll verglichen mit einem Retail-Anbieter. Dort ist ein Service-Mitarbeitender bereits mit wenig detaillierten Informationen in die Lage, die Erwartungen der Kundschaft zu übertreffen. Ein Private-Banking-Berater, der häufig weniger als 200, selten mehr als 500 Kunden betreut, ist in der Regel skeptisch, wenn ihm von zentraler Stelle Unterstützung beim täglichen Umgang mit seinen Kunden angeboten wird. Nicht vergessen werden darf zudem, dass Berater in unterschiedlichem Ausmass ihren beruflichen Wert aus ihren Kundenbeziehungen ableiten und daher einer zentral zugänglichen Dokumentation gegenüber zurückhaltend sind. Zu guter Letzt stellt jede CRM-Einführung einen Eingriff in den Arbeitsalltag der Mitarbeitenden dar – eine Veränderung, die in den seltensten Fällen auf Anhieb begrüsst wird.
Aus obigen Ausführungen geht hervor, dass eine sorgfältige Definitions- und Planungsphase für ein erfolgreiches CRM-Projekt unerlässlich ist, im Private Banking vielleicht noch mehr als in anderen Branchen. Auch wenn CRM ohne IT undenkbar ist und ein CRM-Projekt in aller Regel die Einführung einer neuen Software bedingt, so greift die Definition einer CRM-Einführung als IT-Projekt zu kurz. Allzu oft wird der Change-Management-Charakter einer Einführung von CRM vernachlässigt und das Projekt an die technischen Abteilungen abgegeben, was zur Konzeption von technisch einwandfreien Systemen führen kann, die nicht oder nicht in ausreichendem Masse genutzt werden und daher ihre Wirkung auf der Kundenseite (und somit der Ertragsseite) verfehlen. Das beste CRM-System ist ohne versierte User nicht viel mehr als eine leere (und teure) Hülle, die ihren Wert erst durch ständigen Umgang und nicht zuletzt auch durch direkte und indirekte Auswirkung auf das Verhalten an der Schnittstelle zum Kunden entwickeln kann.
Ein Anhaltspunkt, um die genannten Schwierigkeiten zu überwinden, ergibt sich aus dem Vergleich zwischen Retail und Private Banking. Im Retail-Geschäft ist der Mitarbeitende viel eher geneigt, ein CRM-System zu nutzen und einer allgemeinen CRM-Philosophie zu folgen. Dies rührt daher, weil er unmittelbaren Profit von einem System erfährt und unmittelbar einen positiven Einfluss auf der vertrieblichen Ergebnisse spürt. Im Private Banking ist der Erfolgsbeitrag in der ersten Phase für den Relationship Manager eher gering. Im Gegenteil, die Einführung ist zunächst mit signifikanten Mehrarbeiten verbunden, die aus Lernprozessen, Dateneingabe und redundanten Tätigkeiten bestehen. Eines der Ziele der Projektleitung sollte daher sein, das System dergestalt zu konzipieren und einzuführen, dass der Kundenbetreuer bereits in einer frühen Phase merkbare Vorteile durch die Nutzung des Systems spürt.
Eine der Möglichkeiten dabei ist die abgestufte Einführung. Hierdurch wird die Anwendung erleichtert, vor allem dann, wenn die ersten Module neu eingeführte Prozesse betreffen, bei denen sich noch keine Routinen gebildet haben. So kann beispielsweise eine veränderte Risikoaufklärung oder eine neue Kundensegmentierung über das System dargestellt werden, ohne in der ersten Phase zu sehr in die gewohnten Arbeitsabläufe einzugreifen. Weiteres Potenzial zur Verbesserung der User-Akzeptanz besteht darin, Teile von bestehenden administrativen Aufgaben an zentrale Stellen auszulagern. Dies ist ein Versprechen, das sich CRM-Projekte seit jeher auf die Fahne schreiben, das jedoch zu selten auch spürbar eingelöst wird. So kann die Überwachung von bestimmten Geschäftsvorfällen, wie z.B. Fälligkeiten, Saldi, bestimmte Transaktionen etc., welche anhand von Listen vorgenommen wurde, in das System integriert werden. Verbunden mit „weichen“ Workflow-Vorgaben, die bei Bedarf auch übergangen werden können, sowie der Möglichkeit, bestimmte standardisierte Prozesse per Knopfdruck auszulösen, kann dies den Kundenbetreuer wertvoll unterstützen. Gleichzeitig werden solche Massnahmen auch bereits recht früh in der Einführungsphase wirksam.
Werden die einzelnen Implementierungsschritte sorgfältig darauf überprüft, welche Vorteile sie dem Anwender bringen, dann besteht eine gute Chance, dass das System als Ganzes akzeptiert und auch genutzt wird. Dies ist zudem ein sich selbst verstärkender Prozess, denn je mehr die Kundenbetreuer mit dem Applikation arbeiten, desto grösser wird die Datenbasis und damit die Nutzbarkeit der Anwendung und zwar sowohl dezentral durch die Relationship Manager als auch zentral durch die verschiedenen Stellen bei denen sich System-Berührungspunkte ergeben (Marketing, Controlling, Compliance, Customer Services etc.). Auf diese Weise lässt sich die angestrebte Veränderung des Verhaltens in Bezug auf die Kundenbeziehungen häufig besser erreichen, als mit rigiden Vorgaben und der Implementierung einer umfangreichen Applikation in einem einzigen Schritt.