Basislehrjahr: Starthilfe für Informatiklehrlinge

Mit einem Lehrling aus dem Basislehrjahr entfällt für das Unternehmen das betreuungs- und kostenintensive erste Lehrjahr.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/20

     

Hochqualifizierte Informatiker sind Mangelware. Je nach Schätzung fehlen in der Schweiz 10'000 bis 40'000 Fachleute. Damit die Wirtschaft mit genügend Spezialisten versorgt werden kann, müssen alle, die Informatiker benötigen, ihre Ausbildungsverantwortung wahrnehmen. IT-Lehrstellen sind äusserst begehrt, doch leider sind immer noch zu wenige Firmen bereit, Lehrlinge auszubilden.




1998 gab der Bundesrat grünes Licht für das Basislehrjahr. Das Pilotprojekt des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie soll es den meist noch jungen Informatikunternehmen, die wegen zu grossem Zeit- und Geldaufwand dazu nicht in der Lage sind, erleichtern, Lehrlinge einzustellen. Das Informatik-Basisjahr ist eine spezielle Form eines ersten Jahres der Berufslehre. Als Vorbereitung für die Ausbildung im Lehrbetrieb lernen die Jugendlichen das Basiswissen ihres Berufs in einem Ausbildungszentrum. Gleichzeitig besuchen sie die Berufsschule und zwar mehr als bei der normalen Form der Berufslehre (dafür befinden sie sich dann in den weiteren Lehrjahren weniger in der Berufsschule). Das ausbildungs- und betreuungsintensive erste Lehrjahr in der Firma entfällt somit. Ziel des Basislehrjahrs ist die Vorbereitung auf die weitere Ausbildung im Lehrbetrieb und damit auch die Entlastung des Betriebs von der Vermittlung der Grundfertigkeit.
1999 starteten zehn solche Modellversuche. Darunter ist auch das Basisjahr Informatik von der Zürcher Lehrmeistervereinigung Informatik (ZLI). Möglich sind die Lehren Geräteinformatiker, Informatiker Fachrichtung Systemtechnik und Informatiker Applikationsentwickler.


650 Bewerbungen für 2001

Derzeit nehmen im ZLI rund 120 Lehrlinge dieses Angebot war. Rund die Hälfte der Lehrlinge haben einen Lehrvertrag einer Informatikfirma in der Tasche, der Rest wird jeweils vom ZLI angestellt und nach Beendigung des Basisjahrs an Unternehmen vermittelt. Die Kosten für das Basisjahr übernimmt der Lehrbetrieb. Im Kanton Zürich existiert noch ein drittes Vertragsmodell. Die Lehrlinge werden nach Beendigung des Basislehrjahres in den drei darauffolgenden Lehrjahren an verschiedene Firmen vermittelt. So haben die Stifte bereits während der Ausbildung die Möglichkeit, drei unterschiedliche Branchen kennenzulernen. Jean-Pierre Kousz, Leiter des Basislehrjahrs bei der Zürcher Lehrmeistervereinigung Informatik: "Für das nächste Basislehrjahr haben sich bereits 650 Mädchen und Jungen beworben. Leider können wir in Zürich und Winterthur nur 120 einstellen. Für die Selektion müssen die Bewerber einen Eignungstest bestehen."





Theorie und Praxis

Wenn die jungen Berufsleute nach dem Basislehrjahr in die Firma kommen, verfügen sie über einen Grundstock an theoretischen und praktischen Kenntnissen und können betriebsintern eingesetzt werden. Die Lehrlinge der Richtung Support sind in der Lage, PCs und Peripheriegeräte an ein Netzwerk zu installieren. Die Systemtechniker lassen sich mit dem Niveau des PC-Supporters SIZ vergleichen, und die Applikationsentwickler haben SQL-Erfahrung und programmieren mit C, Java und Perl. Damit in diesem ersten Jahr die angehenden IT-Profis neben Theorie auch technische Erfahrung sammeln, hat Jean-Pierre Kousz dafür gesorgt, dass das Basislehrjahr als Firma eingetragen wird, die ihre Dienste auf dem Markt anbietet, beispielsweise beim Aufbau von Netzwerken oder Einrichten von Web-Servern.





Noch zu wenig bekannt

Leider wissen viele Unternehmen noch immer nicht, dass sie eigene Lehrlinge ins Basislehrjahr schicken können oder aber auch einen bereits "basisausgebildeten Stift" gegen eine Ablösesumme von 13'500 Franken einstellen können.



Im Moment ist das ZLI noch auf der Suche nach geeigneten Lehrfirmen für die Junginformatiker, welche die Absolventen in den nächsten drei Jahren bis zur Lehrabschlussprüfung führen wollen. Utku Günay ist einer der Lehrlinge, der einen Lehrvertrag mit dem ZLI hat. Vor zwei Wochen haben die Verantwortlichen des Basislehrjahrs eine Firma für ihn gefunden, wo der 17-jährige seine Lehre als Applikationsentwickler fortsetzten kann. Er wird von der Generali Versicherung für eine Ablösesumme von 13'500 Franken übernommen. Utku freut sich auf die neue Stelle: "Jetzt hat es doch noch geklappt!" Weil Utku mit dem ersten Stellenangebot nicht glücklich war, haben die Lehrkräfte vom ZLI weitergesucht und eine Lehrstelle bei Generali für ihn gefunden. "Wir schauen bei der Plazierung, dass beide Seiten, Lehrling und Lehrbetrieb, zufrieden sind. Bevor ein Vertrag unterschrieben wird, sollen sich beide Seiten beschnuppern, um eventuelle Unstimmigkeiten von vornherein auszuschliessen", so Kousz.




Auch Utkus Kollege, Johannes Grötsch, freut sich auf das zweite Lehrjahr. Obwohl es ihm im Basislehrjahr sehr gut gefällt. "Erst hab ich gedacht, ich sei im falschen Film, aber dann habe ich gemerkt, dass die Ausbildung gut ist. Und wenn der Wille zum Lernen da ist, kann man viel profitieren und tolle Verbindungen knüpfen". Johannes macht eine Lehre als Applikationsentwickler bei der Firma Systor. Das Unternehmen schickt seine Lehrlinge seit Beginn ins Basislehrjahr. 1999 waren es zwei, im Jahr 2000 waren es vier und für das nächstes Lehrjahr werden es fünf Auszubildende sein. Lehrlingsverantwortlicher von Systor Schweiz, Egbert Götzen, ist sehr zufrieden mit dieser Lösung. "Wir sehen was am ZLI geleistet wird. Besser kann man es nicht machen. Die Zürcher Lehrmeistervereinigung verpflichtet immer wieder hervorragende Lehrkräfte, welche die jungen Leute vorbildlich betreuen. Wir werden weiterhin unsere Erstjahr-Lehrlinge ins ZLI schicken."




Nicht nur Fachliches

Aber nicht nur Fachtechnisches wird gelehrt. Wenn die Jungen und Mädchen ins Basislehrjahr eintreten, wissen sie in den meisten Fällen nicht, wie es in der Berufswelt zu und her geht. Jean-Pierre Kousz: "Wir bringen ihnen bei, was später im Business und im Leben alles gefragt ist. Die Palette ist breit, sie reicht von Pünktlichkeit über Anstand bis zu Disziplin, Eigenverantwortung und Allgemeinbildung. Schliesslich stehen wir für unsere Lehrlinge gerade, wenn wir sie nach einem Jahr an die Firmen abgeben."



Die Lehrlinge sind darüber nicht immer glücklich. Der 17-jährige Informatikstift Peter Winkler findet die Disziplin stressig, doch er sieht ein, dass es nicht anders geht. Peter wird seine Ausbildung im August bei der Firma IFB fortsetzten. "Ich habe viel gelernt im Basislehrjahr und auch gemerkt, dass die Informatiklehrlinge, die nicht daran teilnehmen, aber mit uns die Berufsschule besuchen, sich benachteiligt fühlen," sagt er grinsend. "Jetzt freue ich mich auf meinen Job als Applikationsentwickler-Lehrling, damit ich mein Wissen im Betrieb einsetzen kann.





Kontakt

Firmen, die Interesse haben, ihre Lehrlinge dem Basislehrjahr zu übertragen, stellt das ZLI jede mögliche Hilfe zur Verfügung: Von der Informationsveranstaltung bis hin zu Detailauskünften, Anmeldeformularen an den Kanton, Lehrvertragsformular-File und Ausbildungsleitfaden. Weitere Informationen über das Basislehrjahr findet man unter www.blj.ch, www.zli.basislehrjahr.ch, per Mail admin@basislehrjahr.ch oder per Telefon 052 214 23 43.



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