Wieso Microsofts Propagandamaschine auf Hochtouren läuft

Matthias Pfander über das neue Lizenzmodell von Microsoft.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/18

     

Zuerst habe ich gedacht, ich sei vollends begriffsstutzig. Aber schliesslich ist mir doch noch klar geworden, wieso Microsoft vorletzte Woche so massiv gegen Linux vom Leder zog (wir haben im letzten Heft darüber berichtet). Dass die Rede von einem der zahlreichen Senior Vice Presidents von Microsoft, in diesem Fall war es Craig Mundie, an der Universität in New York zu einem Medienereignis aufgebaut wurde, macht nämlich erst aus der Retrospektive so richtig Sinn.



Eine kleine Chronologie der Ereignisse gefällig? Bereits am 2. Mai konnte man in US-Medien lesen, dass Herr Mundie - bis zu diesem Tag hatte ich den Namen noch nie gehört - einen Vortrag zum Thema Open Source und der Haltung von Microsoft zum besten geben wird. Seine Rede hatte dann ein klares Ziel. Er führte ein Beispiel nach dem anderen ins Feld, wieso Microsoft-Anwendungen gut und Open-Source-Produkte schlecht sind. Darauf nahm man in Redmond die Rede von Mundie, um die eigene Web-PR-Maschine namens PressPass einzufeuern und zum Grossangriff gegen Linux zu blasen. Dass Microsoft gegen die Konkurrenz schimpft, ist ja nichts neues, und die Konkurrenz tut es auch. Aber der Umfang der jüngsten Attacke übertraf die früheren bei weitem. Letzte Woche folgte dann, was man nun rückblickend als Grund für die PR-Salve interpretieren kann: Ein neues Lizenzmodell für Firmen wurde angekündigt, das ab dem 1. Oktober gültig sein wird (Seite 7).




Augenfällig am neuen Modell ist, dass Kunden, die 250 Clients und mehr im Einsatz haben und sich für eine Enterprise-Lizenz entscheiden, eine Update-Versicherung (Software Assurance) erhalten - ob sie wollen oder nicht. Während der Vertragslaufzeit kann man damit jeden Update-Schritt mitmachen. Die Verträge mit Redmond dauern 3 Jahre und können um weitere 3 Jahre verlängert werden. Wer also innerhalb dieser Fristen keine Updates plant, profitiert nicht von der Versicherung. Und das System schmeckt nach Kundenbindungsprogramm.



Microsoft rühmt hingegen die Einfachheit der neuen Lizenzierung. Das mag stimmen, zuvor war das Modell noch undurchsichtiger. Aber auch das sogenannte Licensing 6.0 ist komplex und keineswegs leicht verständlich. Microsoft geht davon aus, dass 80 Prozent der Kunden mehr oder minder davon profitieren werden. Ich hoffe, dass Sie nicht zu den anderen 20 Prozent gehören.



Vor diesem Hintergrund, wird klar, was Microsoft mit der Anti-Open-Source-Kampagne bezweckte. Man wollte das Terrain vorbereiten, um die dramatische Änderung in der Lizenzpolitik weniger dramatisch aussehen zu lassen. Die Vorteile, für geistiges Eigentum zu bezahlen - mehr zu bezahlen -, wollte man schon im voraus herausstreichen. Das nennt man eben Public Relations.



Schliesslich war das Ganze aber auch Wasser auf die Linux-Mühlen. Red Hat reibt sich schon jetzt die Hände, in der Hoffnung, dass die neue Lizenzpolitik ehemalige Microsoft-Kunden in Scharen der Open-Source-Gemeinde zutreibt.




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