Sourcing - zwischen Hype und Nachhaltigkeit


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/19

     

Alle reden von Sourcing. Wie bei jedem Schlagwort, ob wir uns hier auf dem «Peak of Inflated Expectations» des Hype-Cycles befinden oder ob es sich um ein nachhaltiges, fundamentales Phänomen handelt.
Für Nachhaltigkeit spricht die Tatsache, dass bereits in einer den Zeitraum 1975 bis 1995 abdeckenden Studie das Thema «Outsourcing» zu den wenigen Dauerbrennern gehörte. Infrastruktur-Outsourcing wird denn auch schon seit drei Jahrzehnten erfolgreich betrieben.







Gegen Nachhaltigkeit spricht, dass uns eine Vielzahl aktueller Whitepapers und Hochglanzbroschüren Glauben machen will, das Thema sei erst jetzt reif, jede Unternehmensleitung hätte sich damit auseinander zu setzen und es bestünde akuter Handlungsbedarf. Themen, die einen hohen Allgemeinheitsanspruch (zum Beispiel als «new rules of the new economy») mit grossem Zeitdruck verbinden, sollten spätestens seit dem Platzen der Internet-Blase mit höchster Vorsicht betrachtet werden.
Wie immer ist es hilfreich, ein komplexes Phänomen zunächst differenziert zu analysieren, um damit eine Grundlage für weniger pauschale Aussagen zu schaffen. Konkrete Sourcing-Projekte lassen sich auf Grundlage eines Koordinatensystems mit den vier Dimensionen 1. «betroffene Aktivitäten» (Wartung, Betrieb, Entwicklung und / oder Planung), 2. «betroffene Objekte» (IT-Infrastruktur, Applikationen, einzelne Aufgaben und oder ganze (Teil-)Prozesse), 3. «Grad der Unabhängigkeit» (Divisionalisierung, Ausgliederung oder Auslagerung) und 4. «Standardisierungsgrad» (Individuallösung, mehrfach verwendete Lösung oder Standard) gut einordnen.





Bei dieser Einteilung entstehen sieben Cluster oder Sourcing-Szenarien, vier für IT-Outsourcing und drei für Business-Outsourcing. Im IT-Outsourcing lassen sich IT-Infrastruktur-Outsourcing, Shared Hosting, Application Service Providing und Application Hosting unterscheiden. Im Business-Outsourcing ergeben sich Outtasking, Business Process Outsourcing und Processing Services als Cluster.
Nun weiss man, dass der Reifeprozess aller ökonomischen Systeme gleichartig verläuft: Sie bewegen sich vom «Handwerker-Modell», das für hohe Fertigungstiefe, breiten Angebotsumfang, individuelle Strukturierung, wenige 1:1-Schnittstellen sowie proprietäre Lösungen steht zum industriellen Modell. Für dieses sind geringe Fertigungstiefe, spezialisiertes Leistungsangebot, Nutzung offener Integrationsplattformen sowie m:n-Vernetzung charakteristisch. Denn, um die industrielle Arbeitsteilung effizient zu organisieren, müssen sich spezialisierte Einheiten auf allen Ebenen (Strategie, Organisation, IT-Systeme) vernetzen. Wesentliche Voraussetzungen für Vernetzung sind wiederum Offenheit und Standardisierung.





Sourcing ist ein vielschichtiges Instrumentarium, um sich gezielt in diese Richtung zu entwickeln. In der Summe ist Sourcing darum ein nachhaltiges, fundamentales Phänomen. Im Detail muss allerdings sehr genau analysiert werden, wie das Instrumentarium differenziert einzusetzen ist. Als Konsequenz davon können bestimmte Sourcing-Szenarien sehr aktuell sein, während andere überhaupt keine Rolle spielen. Erfolgskritisch ist vor allem ein systematisches und ganzheitliches Transformationsmanagement – zum Beispiel ist Netzwerkfähigkeit ein organisatorisches und kein IT-Phänomen. Daneben
muss eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Unternehmungen sowie zwischen Unternehmungen und Sourcing-Anbietern gepflegt werden, um Standardisierung und Offenheit voranzutreiben.




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