Ohne Konsumentenschutz auch keine digitale Signatur?

Vor knapp einem Jahr konnte sich der Schweizer Wirtschaftsverband Vorort endlich durchringen, Bundesrätin Metzler einen Brief zu schreiben. Man solle doch vorwärts machen mit der Anerkennung der digitalen Signatur. Inzwischen ist das Bundesamt für Justiz aktiv geworden: Im November soll ein erster Vorschlag für eine Gesetzesanpassung vorgelegt werden.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2000/34

     

Mit der Revision soll zunächst ein Artikel 15a im Obligationenrecht eingeführt werden, der die digitale Signatur der eigenhändigen Unterschrift für manche Anwendungen vor allem im Vertragsrecht gleichstellt. Zugleich soll die erst kürzlich in Kraft getretene Zertifizierungsdiensteverordnung zu einem Gesetz werden; sie definiert heute, was eine sichere digitale Signatur überhaupt ist. Dies soll dereinst mit Haftungsbestimmungen für Zertifizierungsdienste - gewissermassen die Passbüros im Netz - und Inhaber von Signaturen ergänzt werden. Denn wer eine beglaubigte Signatur nach dem geplanten Gesetz einsetzt und keine Nutzungsbeschränkungen vorsieht, wird für alles einstehen müssen, was mit seiner Signatur ausgestattet ist, wie wenn er das Dokument eigenhändig unterzeichnet hätte.



Soweit so gut. Dennoch dürfte die Wirtschaft an den Gesetzgebungsarbeiten, wie sie bisher verliefen, keine Freude haben. An einer kürzlichen Sitzung musste der Vorort die bittere Nachricht schon zur Kenntnis nehmen: Mit der Anerkennung der digitalen Signatur sollen zugleich gewichtige Teile des EU-Konsumentenschutzrechts auch in der Schweiz ihren Einzug feiern. Mit anderen Worten: Es wird ein Päckchen geschnürt - wohl in der Hoffnung, die Wirtschaft werde eine Gesetzesvorlage mit der von ihr geforderten Anerkennung der digitalen Signatur nicht ablehnen.




Konkret werden zum Beispiel wesentliche Teile der EU-Fernabsatzrichtlinie umgesetzt werden. Damit könnten neu nicht mehr nur Haustürgeschäfte, sondern auch Einkäufe via Internet vom Konsumenten innerhalb einer bestimmten Frist nach dem Vertragsschluss ohne Grundangabe widerrufen werden. Auch sollen Informationspflichten eingeführt und - wie in der E-Commerce-Richtlinie der EU festgelegt - gewisse Abläufe und Dialoge im Kontakt mit Konsumenten vorgeschrieben werden. Schweizer Online-Shops müssten somit von Gesetz wegen gewisse Mindestanforderungen beim Konsumentenschutz erfüllen. Dass sich die Wirtschaftsvertreter in Politik und Verbänden dagegen wehren, ist abzusehen und verständlich.



Doch fürchtet die Wirtschaft die Pläne zurecht als Schreckgespenst? Es darf gezweifelt werden. Zwar liegt der Vernehmlassungsentwurf noch nicht vor und bis dahin hat es keinen Sinn, über mutmassliche Details zu diskutieren. Doch die Realität wartet ohnehin nicht ab. Denn sprechen Schweizer Internetanbieter Konsumenten auch in der EU an, so müssen sie für diese heute schon die Bestimmungen der EU-Fernabsatzrichtlinie einhalten - oder noch strengere Regeln, wie sie etwa Deutschland kennt: Dort kann das Rücktrittsrecht des Kunden zum Beispiel bis zu vier Monate bestehen bleiben, nicht nur drei, wie in der EU-Richtlinie festgehalten. Während also EU-Konsumenten einen guten Schutz geniessen (den sie auch vor Schweizer Gerichten durchsetzen können), sind Schweizer Kunden bei denselben Anbietern von Gesetzes wegen schlechter gestellt. Dass dies manchem unbefriedigend erscheint, liegt auf der Hand.



Der wesentliche Punkt ist allerdings ein anderer: Ein Schweizer Anbieter ist ohnehin gut beraten, sich auch ohne gesetzlichen Zwang gegenüber seinen Schweizer Kunden so zu verhalten, wie es viele der Konsumentenschutzbestimmungen vorsehen: Eine klare und vollständige Orientierung der Kunden, transparente Benutzerdialoge sind Pflicht. Ein Rückgaberecht, wie es Versandhäuser schon seit Jahren kennen, sollte für Internetanbieter keine untragbare Last sein. Im Gegenteil: Es bringt ihnen jenes Vertrauen, das im Internet so wertvoll geworden ist. Haben Sie eine Meinung dazu? Schreiben Sie mir.




Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wieviele Fliegen erledigte das tapfere Schneiderlein auf einen Streich?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER