Serviceorientierung wird zertifizierbar

Schafft eine IT-Abteilung die Kundenorientierung nicht, riskiert sie, durch einen Outsourcer ersetzt zu werden. Eine Zertifizierung nach BS 15000 hilft sowohl gegen innen als auch gegen aussen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/11

     

Mit Kundenorientierung, Kostensenkung und der effizienteren Unterstützung der Geschäftsprozesse stehen hinter ITIL (IT Infrastructure Library) genau die Ziele, die eine zeitgemässe IT verfolgt. ITIL wurde bereits vor rund zwanzig Jahren zum ersten Mal publiziert. Die Buchreihe ist aber auch heute noch das Standardwerk des IT-Service-Managements. 2003 hat das British Standards Institute (BSI) mit dem BS 15000 nun auch noch die Möglichkeit einer auf ITIL abgestimmten Zertifizierung des IT-Service-Managements geschaffen.


Verbesserungspotential

Das derzeit rege Interesse an ITIL deutet darauf hin, dass Unternehmen sowohl bei den IT-Kosten wie auch bei der Qualität der Unterstützung der Geschäftsprozesse durch die Informatik immer noch Verbesserungspotential erkennen. Sie machen oft die Erfahrung, dass bereits ein kritisches Durchleuchten der bestehenden Prozesse ein erhebliches Verbesserungspotential zu Tage fördert. Die bestehenden, gewachsenen Abläufe erweisen sich oft als unnötig komplex, ungenau definiert und nicht ausreichend aufeinander abgestimmt. Zudem ist derselbe Prozess häufig für verschiedene Applikationen und Standorte sehr unterschiedlich ausgestaltet, wodurch unnötige Mehrspurigkeiten entstehen. Transparenz in den Prozessen hilft der IT aber auch Schnittstellen zum Business zu identifizieren, die gegenseitigen Anforderungen besser festzulegen und Verantwortlichkeiten zu klären. Anstelle des Versuchs, das Rad neu zu erfinden, ziehen es IT-Verantwortliche heute üblicherweise vor, sich bei der Optimierung ihrer Prozesse auf die bewährten Grundlagen von ITIL zu stützen.




Zertifizierung nach BS15000


Qualität ist relativ

Die Bereitschaft des Kunden, für eine Dienstleistung zu bezahlen, ist direkt mit der von ihm wahrgenommenen Qualität verbunden. Es ist nicht nur für IT-Verantwortliche, sondern auch für andere Anbieter von Dienstleistungen und Waren bisweilen frustrierend, wenn Aspekte ihrer Leistungserbringung, auf die sie besonders stolz sind, von ihren Kunden kaum wahrgenommen werden und schon gar nicht in ihrer Qualitätsbeurteilung gewürdigt werden. Trotzdem ist es entscheidend, die Qualität der Dienstleistung in denjenigen Bereichen zu optimieren, die für die Qualitätsbeurteilung durch den Kunden und letztlich für seine Kaufentscheidung ausschlaggebend sind.


ITIL als Grundlage für transparente Kosten

Ein Handicap für Informatikleiter ist, dass die Qualitätserwartungen ihrer Kunden bisweilen etwas realitätsfremd sein mögen, da es ihnen vielfach an den Vergleichsmöglichkeiten fehlt, die ihnen eine marktgerechte Qualitätsbeurteilung erlauben würden. Zudem sind sie sich der Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Qualitätsstufen (beispielsweise der Verfügbarkeit einer Applikation) einer Leistung und den mit ihrer Erbringung verbundenen Kosten nicht bewusst. Die Kunst besteht darin, den Anwender im Unternehmen einerseits kompetent zu beraten und andererseits nicht
in den Verdacht zu geraten, ihn
bevormunden zu wollen.




Die transparente Darlegung des Zusammenspiels von Leistungsanforderungen und Preis ist ein wichtiger Faktor dieser Beratung. Der Kunde wird seine Idealvorstellungen als Qualitätsmassstab verwenden und alles, was davon abweicht, als unzureichend ansehen, solange er das seinen Bedürfnissen angemessene Qualitätsniveau nicht auch über die damit verbundenen Kosten wählen kann.






Damit die IT ihre Kunden aber verlässlich über die Kosten ihrer Dienstleistungen informieren kann, muss sie ihre Kostenstruktur im Griff haben. Um kostengerechte Preise für bezogene Dienstleistungen nennen zu können, muss die Informatikabteilung aber wissen, welches ihre Kostentreiber sind. Dafür muss sie über klare, geordnete Prozesse verfügen. Transparente Prozesse sind deshalb auch in der Informatik eine Voraussetzung für die Einführung eines Activity Based Costings (ABC). Wenn zudem noch aufgezeigt werden kann, dass diese Prozesse anerkannten Standards folgen, erhöht dies die Glaubwürdigkeit der IT noch zusätzlich.




Audit-Prozess der BS15000-Zertifizierung


Vom Staubfänger bis zur Zertifizierung

Viele IT-Verantwortliche geben heute an, ITIL in der einen oder anderen Form als Orientierungshilfe bei der Gestaltung der Prozesse ihrer Services zu verwenden. Die Intensität des ITIL-Einsatzes, der sich dahinter verbirgt, variiert aber gewaltig. Die einen begnügen sich, die ITIL-Bände auf dem Bücherregal verstauben zu lassen, während andere ihre Prozesse möglichst nahe an der Library orientieren. Abhängig von Art und Grösse eines Betriebes können jedoch unterschiedliche Stufen der Formalisierung des ITIL-Einsatzes angemessen sein. Es ist für einen IT-Manager darum ratsam, begründen zu können, weshalb die Art, in der er ITIL einsetzt, für das Unternehmen und dessen Bedürfnissen die angemessenste ist und weshalb ein verstärkter Einsatz die Effektivität sowie die Effizienz des IT-Betriebes nicht noch zusätzlich steigern könnte.






Die Krönung des ITIL-Einsatzes ist sicherlich die Zertifizierung nach BS 15000. Zwar mag eine gewisse Skepsis den vielen Zertifikaten gegenüber, die heute Unternehmen angeboten werden, durchaus angebracht sein. Diese Skepsis sollte jedoch nicht als vorschnelle Ausrede dafür dienen, das Aufwand-/Nutzenverhältnis einer BS 15000-Zertifizierung des IT-Service-Managements nicht genauer abzuwiegen.


Wem die Zertifizierung nützt

Die Selbstverpflichtung zur Zertifizierung kann dazu verwendet werden, um die Disziplin bei der Erreichung selbstgesetzter Ziele zu verbessern. Wird im Unternehmen bekannt gemacht, dass eine Zertifizierung angestrebt wird, erhält ITIL dadurch einen Platz auf der Prioritätenliste, der nicht so einfach immer wieder nach hinten verschoben werden kann, ohne dass ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt würde.





Eine BS 15000-Zertifizierung ist aber auch ein klarer Leistungsausweis; dies sowohl gegen innen, wie auch gegen aussen. Die internen Kunden zweifeln die Qualität und Kosten der von der IT erbrachten Leistungen immer wieder an. Aber auch die IT-Mitarbeiter sind nicht immer ohne Zweifel, wenn es um die Bewertung der eigenen Leistungen geht. Da ist es hilfreich, von einem kompetenten Dritten attestiert zu bekommen, dass das eigene Service-Management den Vergleich mit einem anerkannten Standard nicht zu scheuen braucht. So gewinnt die IT an Selbstbewusstsein, und ihre Leistung wird gleichzeitig für das Business transparenter und glaubwürdiger. Im Falle, dass ein Outsourcing zur Diskussion steht, kann die IT ein Zertifikat zu ihren Gunsten in die Waagschale werfen, in dem sie verlangt, dass von der externen Konkurrenz ein gleichwertiger Leistungsnachweis verlangt wird.






Aber auch Anbieter von IT-Services, die ihre Dienstleistungen auf dem Markt anbieten, können durch ein Zertifikat ihre Reputation verbessern. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die nicht zu den bekannten Anbietern auf dem Outsourcing-Markt gehören.


Der Autor

René Zimmermann ist Manager
im Bereich Information Risk Management von KPMG Fides Peat, Zürich




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