Überlegungen zum SaaS-Einsatz

Mit Software as a Service (SaaS) bahnt sich eine der Revolutionen der IT-Geschichte an. Wir zeigen, wie Firmen sich auf die SaaS-Zeit vorbereiten und davon profitieren können.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/02

     

Unter Software as a Service (SaaS) verstehen wir einen Service, der die Benutzung einer Software erlaubt. Der Service ist aus der Sicht des Anbieters mandantenfähig. Das heisst, der Service kann mehreren Kunden ohne zusätzlichen Aufwand angeboten werden. Trotzdem ist der Service in dem Sinne exklusiv, als der Kunde die Software an seine Bedürfnisse anpassen kann und nur er über den Zugriff auf seine Daten und Dateien entscheidet.

Verschiedene SaaS-Lösungen kommunizieren über standardisierte Protokolle und offene Schnittstellen, die gewährleisten, dass die Funktionen und Daten der einen Lösung auch von allen anderen genutzt werden können. Eine strenge Trennung von Kernfunktionen und Profilen zur Definition der Individualisierung gewährleistet die Unabhängigkeit zwischen Versionen und Konfigurationen, mit dem Vorteil, dass die Kernfunktionen jederzeit erweitert und korrigiert werden können.


Stärken von SaaS

Bei der Frage nach den Vorteilen einer SaaS-Lösung muss vorerst klar sein, was die Alternativen sind. Wir grenzen SaaS-Lösungen der Einfachheit halber nur generell gegen alle Formen der installierten Softwarelösungen ab. Dies kann eine Client-Server-, eine Web-basierte Intranet- oder gar eine Host-Anwendung sein. Solche Lösungen sind entweder auf der Infrastruktur des Kunden installiert und werden über das LAN distribuiert oder sie sind im Rechenzentrum eines Dienstleisters installiert und werden beispielsweise im Application Service Providing (ASP) für den Kunden verfügbar gemacht.



Dagegen hat eine SaaS-Lösung eine Reihe von Vorteilen. Wie gross diese sind, hängt auch vom Verhalten des SaaS-Anbieters ab:




- Die Lösung kann im realen Betrieb ausprobiert werden, bevor sie «gekauft» wird.

- Keine Folgekosten für Installa­tionen von neuen Releases, Upates und Patches.

- Im allgemeinen sind keine bis sehr geringe Investitionen notwendig, die Software wird nach Gebrauch bezahlt.

- Eine Distribution von Client-Software ist nicht notwendig, mit Ausnahme allenfalls von Plug-ins in bestehende Anwendungen.

- Integration in bestehende Lösungen kann nur über Services erfolgen, so dass auch die Integration geschützt wird.


Für die Anwender ergeben sich daraus diverse Vorteile:

- Sie können mit den Anbietern sofort über Anwendungsszenarien und spezifische Konfigurationen sprechen, ohne sich um die Technologie kümmern zu müssen.

- Sie profitieren von Weiterentwicklungen sofort, ohne dass zuerst ein neues Release installiert werden muss.

- Anpassungen an einzelnen Modulen können unabhängiger voneinander vorgenommen werden. Der Bedarf an Abstimmung zwischen den Abteilungen und den verschiedenen Lösungen wird geringer, was die Autonomie einzelner Anwendergruppen erhöht.


Allfällige Nachteile einer SaaS-Lösung gegenüber installierter Software betreffen den Fortbestand des Anbieters: Wird eine Software vom Anbieter aus welchen Gründen auch immer nicht weiter gepflegt, kann sie trotzdem beim Kunden noch installiert bleiben und dort genutzt werden. Beendet ein SaaS-Anbieter seine Geschäftstätigkeit, so fällt der Service sofort aus. Oft wird auch ins Feld geführt, dass die Datenspeicherung beim SaaS-Betrieb kritisch ist. In einigen Fällen kann dies relevant sein, beispielsweise wenn es sich um Daten handelt, die nicht ausser Landes gebracht werden dürfen. Alle derartigen Nachteile werden mit zunehmender Reife des Marktes kompensiert werden. Für den Moment sind sie aber ernst zu nehmen.




SaaS: Anfang bei den Commodities


Für SaaS geeignete Bereiche

SaaS-Angebote sind noch zu selten, als dass sich eine eindeutige Form der Diffusion abzeichnen würde. Wir unterscheiden zwei Diffusionspfade:



1. Commodities: Das Potential von SaaS ist dort am grössten, wo eine möglichst grosse Anzahl Kunden einen möglichst identischen Service benutzen will: Je grösser die Anzahl Kunden, desto geringer sind die Kosten pro Kunde unter anderem für Infrastruktur oder Updates. Und je identischer der Service ist, desto einfacher ist seine (kostspielige) Entwicklung und desto sicherer führen Updates zu keinen Einschränkungen. Es ist also zu erwarten, dass Standard-Anwendungen schneller in Form von SaaS-Lösungen im Markt angeboten werden als sehr spezialisierte Lösungen.



Der prominenteste Anbieter derartiger Lösungen ist derzeit Google. An diesem Beispiel zeigt sich eine der besonderen Dynamiken im Softwaremarkt: die Commodity-Falle. Bei SaaS-Lösungen sind die Grenzkosten pro zusätzlichen Anwender noch geringer als bei installierter Software. Theoretisch liegen sie bei null Franken. Dies führt im freien Wettbewerb dazu, dass der Preis für eine SaaS-Lösung gegen null tendiert, sobald sehr viele Anbieter im Markt sind.



2. Nischen-Produkte: Es gibt einen zweiten Diffusionspfad von SaaS: Die Erfahrung zeigt, dass es für einen Softwarehersteller mit zum schwierigsten und aufwändigsten gehört, seine Kunden zu erreichen und von den Vorteilen seiner Lösung zu überzeugen. Gerade dazu bietet SaaS hervorragende Möglichkeiten: Der Anbieter kann auch geografisch weit verteilte Kunden mit sehr spezifischen Bedürfnissen erreichen. Im E-Commerce spricht man von der Long-Tail-Strategy, die durch SaaS auch in der Software-Industrie umgesetzt werden kann.
Es ist deshalb durchaus denkbar, dass sich SaaS-Lösungen für einzelne, spezifische Anwendungen schnell durchsetzen werden.


Vorgehen beim Umstellen

Die Einführung von SaaS-Lösungen in den produktiven Betrieb sollte strategisch motiviert sein. Die typische Motivation für ein zunehmend SaaS-basiertes Anwendungsportfolio kommt von den Linienmanagern und selten aus der IT-Abteilung. Linienmanager wollen ihre Prozesse möglichst schnell anpassen können, sie wollen aber auch die Abwicklung neuer Dienstleistungen schnell mit IT unterstützen können. Time-to-Market, unkompliziertes Vorgehen, schnelle erste Anwendungen sind ihnen wichtig.



Mit SaaS können Aufgaben, die wenig unternehmensspezifisch sind, sofort und einfach ausgelagert werden. Im Gegenzug kann sich die interne IT-Abteilung stärker auf die Unterstützung des Business konzentrieren, indem sie Unterstützung zur Konfiguration leistet und Schnittstellen für die Automation von Geschäftsprozessen verfügbar macht. Wir beobachten in der Praxis folgerichtig, dass SaaS-Lösungen vorerst als Übergangslösungen geplant wurden, dann aber nicht mehr ersetzt werden, weil sich mit der Zeit die Überlegenheit des Ansatzes auch aus Sicht der IT-Abteilung manifestiert.




Software wird (fast) nie auf «der grünen Wiese» neu beschafft. In allen Fällen bestehen bereits andere Systeme, die in die neu zu beschaffende oder abzulösende Software integriert werden müssen. SaaS-Lösungen sind einfacher in eine Anwendungslandschaft zu integrieren, die über dieselbe Architektur verfügt wie eine gut implementierte SaaS-Lösung. Es handelt sich dabei um eine Service-orientierte Architektur. Die Software-Komponenten sind in der Lage über standardisierte Protokolle und offene Schnittstellen zu kommunizieren.



Für die Einführung erster SaaS-Lösungen in den produktiven Betrieb stellen sich deshalb vorerst zwei Fragen:



- Weil der SaaS-Markt noch jung und damit klein ist: Gibt es für das aktuelle Bedürfnis genügend gute SaaS-Lösungen?

- Weil die SaaS-Lösung in bestehende Software integriert werden muss: Ist die vorhandene Software in der Lage an den nötigen Stellen mit der gewählten SaaS-Lösung zu kommunizieren?



Es zeichnen sich für ein Anwenderunternehmen also zwei Aufgaben ab:



- Beobachten des SaaS-Marktes und anpassen der ICT-Strategie auf das wachsende Angebot.

- Schrittweise Ablösung und/oder Umbau des bestehenden Anwendungsportfolios auf potentiell oder tatsächlich SaaS-fähige Lösungen.



Diese Schritte lohnen sich in jedem Fall, denn eines ist sicher: Bis auf weiteres werden verschiedene Lösungen nebeneinander existieren, so dass die Fähigkeit einer Software-Abteilung zur flexiblen Integration dem Business einen grösseren Nutzen stiften kann.



Für den Anfang ist es ratsam, eine Software auszuwählen, die den Anwendern schnell einen Nutzen stiftet. Dies erhöht die Chance, dass SaaS-Lösungen auf Akzeptanz stossen. Es bieten sich vier Ansätze für eine schmerzlose Transition zu SaaS:


- Bei welcher Anwendung könnte derzeit durch die Adaption einer SaaS-Standardlösung die Prozesseffizienz gesteigert werden? CRM ist für diesen möglichen «Anfang mit SaaS» ein gutes Beispiel. In vielen Unternehmen sind die CRM-Prozesse noch nicht rationalisiert. Die verfügbaren SaaS-CRM-Lösungen bilden den State of the Art im CRM-Prozessmanagement ab. Das Unternehmen kann von der Software lernen.


- Bei welcher Anwendung sind die Prozesse im einen Unternehmen schon lange identisch mit den Prozessen in vielen anderen Unternehmen? Finanzbuchhaltung ist dafür ein gutes Beispiel: Sie verläuft in allen Unternehmen ungefähr gleich. Zudem differenzieren sich Unternehmen nicht am Markt durch besonders spezifische Finanzbuchhaltungsprozesse, so dass eine SaaS-Lösung, auch wenn sie noch nicht sehr viel Parametrisierungen anbietet, schnell produktiv genutzt werden kann.


- Welche Anwendungen sind auf absehbare Zeit nicht auf eine Real-Zeit-Integration angewiesen? Dazu könnte beispielsweise das Katalogmanagement zählen, das in einem Unternehmen in diesem Jahr das erste Mal eingeführt wird. Für das Katalogmanagement müssen sowieso die Daten bereinigt werden, und es müssen neue Daten wie Produktbilder neu erfasst werden. Die Integration mit der ERP-Lösung ist in einem Batch-Betrieb möglich, indem zum Beispiel die Preise einmal im Tag in die Kataloglösung exportiert werden.


- Bei welchen Anwendungen ist der ortsunabhängige Zugriff besonders wichtig? Eine solche Anwendung könnte unter anderem eine Collaboration-Lösung sein, die für die Abwicklung von Projekten in Zusammenarbeit mit Kunden, Lieferanten und/oder Partnerfirmen eingesetzt wird. Eine SaaS-Lösung bietet hier wesentliche Vorteile: Sie ist hoch verfügbar und von überall her erreichbar. Support und Schulung werden vom SaaS-Anbieter erledigt.


Die Auswahl eines SaaS-Anbieters folgt grundsätzlich gleich wie bisher: Gute Referenzen und ein erfahrener Implementierungspartner sind Pluspunkte. Besonders ist bei SaaS-Anbietern (noch) darauf zu achten, dass die Mandantenfähigkeit vollständig gegeben ist, andernfalls sind kaum Kostenvorteile zu erwarten.


Zudem ist die Anzahl der Kunden oder Anwender eines SaaS-Anbieters eine wichtige Grösse. Die Skaleneffekte sind bei SaaS-Lösungen noch bedeutender als bei installierter Software. Bei kritischer Software ist es deshalb noch wichtiger, auf einen Gewinner zu setzen.


Standortfrage

Mit SaaS werden immer mehr Daten und Funktionen physisch an verschiedenen Orten lagern, logisch aber auf dem Bildschirm des Anwenders verfügbar sein. Deshalb wird es noch wichtiger, dass die Rechenzentren und die Datenübertragung sicher sind. Die Schweiz ist als «Lagerort» für SaaS-Lösungen in einem enormen Vorteil. Einerseits, weil Informatiksicherheit in der Schweiz sichergestellt werden kann, und andererseits, weil die Energieversorgung auf einem äusserst hohen Niveau liegt. Aus der Sicht von kleineren Unternehmen ist es von Vorteil, wenn die Verträge mit einem heimischen Anbieter geschlossen werden können. Es fällt dann leichter, seine Rechte durchzusetzen. In der Schweiz bestehen dafür die besten Aussichten. Für international tätige Unternehmen ist die Gewährleistung von Datenschutzbestimmungen im Zusammenhang mit SaaS genau zu prüfen. Auch für sie sind Schweizer Anbieter oft die richtige Wahl.


SaaS ist die vorläufig vollendete Form der Ausschöpfung von öffentlichen Ressourcen, namentlich des Internets, aber auch von Standards zur Distribution von Funktionalitäten für den Endanwender. SaaS zwingt die Anbieter zudem zu einer Software-Architektur, die überlegen ist. Man kann also damit rechnen, dass SaaS überlegene Software in einem überlegenen Distributionsmodell hervorbringen wird. Es lohnt sich deshalb, sich mit SaaS eingehend zu befassen und Erfahrungen damit zu sammeln.




SaaS-Verbreitung: IT-Abteilung massgeblich


Der Autor

Pascal Sieber ist Gründer des Beratungsunternehmens Sieber & Partners (www.sieberpartners.ch).




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