WLAN - Wachstumsmarkt mit Grenzen

Das Wireless LAN boomt – auch in der Schweiz. Viele Unternehmen halten sich aber vorläufig zurück, da schnellere Standards vor der Tür stehen. Doch das Bakom lässt sich Zeit.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/35

     

Die Zukunft scheint kabellos zu sein. Erkenntnissen und Prognosen zahlreicher Marktforschungsunternehmen zufolge wird der Markt für WLAN-Produkte in den nächsten Jahren massiv wachsen. So rechnet die kalifornische Marktforschungsgesellschaft Dell'Oro vor, dass der weltweite Umsatz mit 802.11-Geräten in den nächsten fünf Jahren auf 3,1 Milliarden Dollar jährlich ansteigen wird. Im vergangenen Jahr lagen die entsprechenden Einnahmen noch bei 1,2 Milliarden Dollar. Die Auguren schätzen, dass sich die WLANs insbesondere im Bereich Small Office/Home Office (Soho) steigender Popularität erfreuen werden. So sollen die Einnahmen in diesem Segment in den kommenden drei Jahren jährlich um rund 40 Prozent wachsen. Als Erklärung gab Dell'Oro an, die fallenden Preise hätten die Einrichtung von Drahtlosnetzen in Haushalten beschleunigt.




Aber auch die Unternehmen scheinen sich zusehends für WLAN zu interessieren. Zumindest in den USA. Nach einer Untersuchung der Yankee Group hat sich die Zahl der geschäftlichen WLAN-Implementierungen dort in den vergangenen zwölf Monaten verdoppelt. Demnach befinden sich derzeit über eine Million Drahtlos-Netze bei mehr als 700'000 Firmen im Einsatz. Neben der normalen Geschäftstätigkeit können die Companies ihren Kunden und Geschäftspartnern den Zugriff auf Hot-Spots als zusätzlichen Vorteil anbieten. Für Betreiber von öffentlichen Einrichtungen wie Restaurants oder Flughäfen besteht die Möglichkeit, Nebeneinkünfte zu generieren, indem sie den Besuchern einen mobilen Internetzugriff ermöglichen. Um von der parallelen Nutzung wirklich zu profitieren, müssten die Anbieter allerdings einen Weg finden, die Besucher von privaten Informationen sicher abzuschirmen.


Mehr Mobilität wegen 11. September

Gründe für die zunehmende Verbreitung von WLAN dürfte in einer veränderten Arbeitswelt liegen. Nach Einschätzung der Marktforscher von IDC werden Ende 2002 nur noch rund 33 Prozent aller Arbeitnehmer in den USA an einem festen Büroarbeitsplatz anzutreffen sein. Zwei Drittel werden sich demnach als sogenannte "Mobile Worker" per Handy und über Notebook, das an ein Wireless LAN angeschlossen ist, mit Kollegen und Kunden verständigen. Dies wird auch dazu führen, dass VPNs (Virtual Private Networks) an Bedeutung gewinnen werden, sagen die Analysten. Mit VPN lassen sich sichere Verbindungen zu Firmennetzen aufbauen. Seit dem 11. September habe die Popularität der Telearbeit nur noch zugenommen.



Mobile Worker in den Vereinigten Staaten lassen sich laut IDC in mehrere Gruppen teilen. Rechnet man die Heimnutzer nicht dazu, bleiben Personen, die von Berufes wegen viel reisen müssen - bis 2006 wird diese Zahl auf 24 Millionen Nutzer geschätzt. Die zweite Gruppe umfasst Arbeitnehmer, die zwar nicht reisen, jedoch oft Konferenzen besuchen oder aus anderen Gründen selten im Büro anzutreffen sind (2006 rund 13 Millionen). Ausserdem rechnet IDC Berufstätige dazu, deren Reisetätigkeit bis zu 20 Prozent der Arbeitszeit ausmacht, die jedoch sonst an ihrem Schreibtisch sitzen. Zu dieser Gruppe kann IDC noch keine Angaben machen. Total schätzt IDC die Zahl der mobilen Arbeiter auf über 92 Millionen, was einer Quote von rund 60 Prozent entspricht.





Blauäugige Anwender!

Bevor die Prognosen der Marktforscher allerdings eintreffen, ist noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten, denn das Wireless LAN gilt in vielen Betrieben noch als unsicher. Zu Recht, wie der internationale Wardriving Day zeigte, der am 31. August stattfand. An verschiedenen Orten in Europa und den USA versammelten sich Hacker, um gemeinsam ihrem nicht ganz alltäglichen Hobby zu frönen und ungesicherte drahtlose lokale Netzwerke (Wireless LAN, WLAN) aufzuspüren und zu kartografieren. Dies mit dem Ziel, parasitär veranlagten Surfern Orientierungshilfen zu bieten. Auch in Zürich wurde ein Wardriving organisiert. Laut Angaben der im Untergrund operierenden Organisation wurden in der Limmatstadt total 177 Hotspots gefunden. Bei nur gerade 30 Prozent war die Verschlüsselung aktiviert (Wireless Encryption Protocol, WEP). Und in immerhin 21 Fällen war nicht mal die Standardeinstellung für die Netz-Identifikation (SSID) verändert - ein (allzu) leichtes Spiel für die Wardriver.



Diese jüngste Wardriver-Auswertung zeigt, wie sorglos mit WLAN umgegangen wird. Und es zeigt sich einmal mehr, dass es nicht damit getan ist, ein WLAN einfach in Betrieb zu nehmen - was dank Plug-and-Play-Funktionalität innerhalb von 10 Minuten realisierbar ist. Die Achillesferse von WLAN bleibt die Sicherheit.




Viele Nutzer wissen schlicht nicht, dass ihre WLAN-Kits ab Fabrik ohne vorkonfigurierten Sicherheitsschutz ausgeliefert werden. Das bestätigt auch Frank Studerus. Er ist Importeur der Marken Zyxel und Proxim, die unter anderem WLAN-Produkte im Angebot haben: "Viele Anwender geben sich bereits damit zufrieden, wenn Sie das WLAN zum Laufen gebracht haben. Dass ihr Funknetz damit aber so offen ist wie ein Scheunentor, das kümmert sie dann wenig." Er empfiehlt Nutzern deshalb, das Sicherheitskapitel der Bedienungsanleitung genau zu lesen. Wer das mache, sei auf jeden Fall auf der sicheren Seite, sagt Studerus.



Die Zahl der offenen WLANs dürfte sich in den nächsten Monaten noch vergrössern. So weiss Studerus, dass Service-Provider den Verkauf von ADSL-Routern planen, die bereits einen WLAN-Hotspot eingebaut haben. Damit würden WLANs in Schweizer Haushalten wie Pilze aus dem Boden schiessen. Mit speziellen Security-Flyers will man die Klientel auf die Problematik aufmerksam machen. Ob die User sich damit beeindrucken lassen, muss hingegen bezweifelt werden.




Performance - ein leidiges Thema

Sicherheit ist der eine Makel von WLAN - der andere ist die Performance. Auf Verpackungen und in Werbetexten wird beim weit verbreiteten Standard 802.11b zwar immer von einer Bandbreite von 11 Mbit/s gesprochen, doch effektiv lässt sich davon nur ein Bruchteil erzielen. Wer's auf die Hälfte bringt, also Daten mit einem Durchsatz von 600 Kilobytes pro Sekunde durch die Luft schaufelt, kann zufrieden sein. Meistens ist es deutlich weniger. Die Gründe dafür sind zahlreich: Das öffentliche 2,4-GHz-Frequenz-Band wird von einer Vielzahl von Systemen und Geräten benutzt, entsprechend "verschmutzt" ist es, entsprechend hoch sind die Datenverluste, das wiederum bremst die Übertragungsgeschwindigkeit.



Das ist aber nur ein Grund: Ebenso leistungshemmend wirkt sich die Tatsache aus, dass sich die Bandbreite eines WLAN durch die Anzahl Nutzer, die auf einen Hotspot zugreifen, teilt. Dies ganz im Gegensatz zum kabelgebundenen LAN, das dank Switches die Durchsatzrate unabhängig der Nutzerzahl halten kann.




Es ist klar, dass ein 802.11b-Netz im Unternehmenseinsatz schnell zum Bremsklotz werden kann. Wer 600 MByte auf die Schnelle vom Server ziehen will, wartet geschlagene 20 Minuten aufs letzte Bit. In einem fest verkabelten Fast-Ethernet-LAN (geswitcht) ist dieser Datentransfer bereits in einer Minute abgeschlossen. Für Andreas Dürst, Chef der Schweizer Niederlassung des Distributionsunternehmens Techdata, ist die dürftige Performance allerdings kein stechendes Argument gegen den Einsatz von 802.11b im Unternehmen. Bereits seit sieben Jahren nutzt er WLAN privat und geschäftlich: "Die Vorteile überwiegen ganz deutlich. Für den normalen Office-Alltag ist die Bandbreite von 802.11b mehr als genügend."




802.11b im Unternehmen - warten oder kaufen?

Eher zurückhaltend zum Unternehmenseinsatz äussert sich Frank Studerus, Chef von Studerus Telecom. Die von seinem Unternehmen betreuten Wireless-Produkte von Zyxel und Proxim würden zu dreivierteln von Privatpersonen gekauft. Wer zwei oder drei PC für den Heimgebrauch auf Basis von 802.11b vernetze, werde von der Performance nicht enttäuscht werden. Auch im öffentlichen und semiöffentlichen Bereich (Public WLAN in Flughäfen, Sitzungszimmern, Hotels) wird man 802.11b-Netze noch lange antreffen.



Anders gelagert sei die Sache allerdings in den Unternehmen, so Studerus. "Wer jetzt ein WLAN plant, sollte mit der Realisierung noch ein wenig zuwarten." Der Importeur hofft, dass das Bakom noch diesen Herbst einen positiven Zulassungsentscheid für Produkte auf Basis des schnelleren Standards 802.11a fällen wird. Er hat ein Interesse an einer schnellen Einführung: 802.11a wird in Fachkreisen gerne als Nachfolgestandard von 802.11b gesehen, verfügt über eine Bruttobandbreite von immerhin 54 Mbit/s, ist damit rund fünfmal schneller als 802.11b (siehe Kasten), und es ist Studerus' Firma, die in der Schweiz exklusiv die Produkte von Proxim vertreibt, einer der wenigen Hersteller, die bereits in Europa mit der Auslieferung von 802.11a-Geräten begonnen haben.





Europa in der Defensive


Ob die schnellen 802.11a-Produkte tatsächlich bereits in wenigen Monaten eingeführt werden können, das entscheidet hierzulande allein das Bakom. Sprecher Bernhard Bürki will sich jedenfalls auf keinen Termin festnageln lassen. Der Grund, warum die Schweiz und andere europäische Staaten den 802.11a-Produkten bisher die kalte Schulter gezeigt haben, liegt darin, dass die von US-Firmen propagierte Drahtlostechnik europäischen Interessen in die Quere kommt. Der Knackpunkt: Das Frequenzband des europäischen Funk-LAN-Standards (Hiperlan/2) überlappt sich mit demjenigen des 802.11b-Standards. Mit dieser Unstimmigkeit wird sich im November die Europäische Konferenz der Verwaltungen für Post und Telekommunikation (CEPT) beschäftigen. In Fachkreisen mehren sich die Stimmen, wonach der Widerwillen der Europäer gegenüber 802.11b weniger technisch als vielmehr wirtschaftspolitisch motiviert sei.





Wird Schweiz WLAN-Insel?

Doch die Politik des CEPT wird von zahlreichen europäischen Staaten unterlaufen. Halb Europa hat schon das Lager gewechselt: In Belgien, Dänemark, England, Frankreich, Holland, Irland, Norwegen, Österreich und Portugal werden die 802.11a-Produkte bereits jetzt verkauft. Dabei handelt es sich jedoch um leicht veränderte Geräte. Eingebaut wurde die sogenannte Transmit Power Control, die dafür sorgt, dass zwischen Sender und Empfänger nur so stark gesendet wird, wie gerade nötig. Während in den genannten Staaten die schnelle Drahtloswelt bereits heute Realität ist, muss man in der Schweiz noch zuwarten. Der Grund: Laut Bakom-Sprecher Bürki belegt ausgerechnet das Militär für 802.11a wichtige Teile des 5-GHz-Frequenzbands. Bürki bleibt aber optimistisch, dass die Schweiz noch dieses Jahr Anschluss an die schnelle Drahtloswelt finden wird. Man wird sehen.




Zudem in der Print-Ausgabe: 802.11b-WLAN-Lösungen im Preisvergleich und WLAN-Standards: Eine heillose Verwirrung



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