Editorial

Diskriminierung der Technologie

Wer sich etwas eingehender mit der «Geschäftsbücherverordnung» (GeBüV) und der «Verordnung des EFD über elektronisch übermittelte Daten und Informationen» (ElDI-V) befasst, merkt bald, dass es mit der angestrebten Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft nicht viel auf sich hat.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/32

     

Wenn Rechnungen ins Haus flattern, ist das meist kein Grund zur Freude. Für Unternehmen gilt das in besonderem Masse: Nebst dem Bezahlen ist auch das Bearbeiten von Rechnungen mit einigem Aufwand verbunden. Erste Betriebe erwägen darum die elektronische Fakturierung via Internet. Seit März dieses Jahres ist sie auch in der Schweiz vom Gesetzgeber anerkannt.



Auch die elektronische Aufbewahrung von Geschäftsakten wurde neu geregelt. Die Pressemitteilung des EJPD zur Geschäftsbücherverordnung klingt vielversprechend: Auslegungsfragen und Rechtsunsicherheiten durch den vermehrten Einsatz von E-Mail würden "beseitigt". Bei der Buchführung und Archivierung von Geschäftsakten erlaube es der Gesetzgeber nun, "die heute aktuellen, rationellen" Methoden einzusetzen, und leiste damit einen "Beitrag zur Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Wirtschaft."




Wer sich etwas eingehender mit der "Geschäftsbücherverordnung" (GeBüV) und der "Verordnung des EFD über elektronisch übermittelte Daten und Informationen" (ElDI-V) befasst, merkt bald, dass es mit der angestrebten Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft nicht viel auf sich hat.



Die Erlasse beweisen, wie schwer sich der Gesetzgeber mit der Materie noch tut: Statt der Wirtschaft eine einheitliche, für alle Bereiche geltende Regelung für die digitale Bearbeitung und Archivierung von Geschäftsakten zu bescheren, legt er ihr zwei inkompatible Regelwerke vor, die die Rechtsunsicherheiten mitnichten beseitigen.



Der Teufel steckt oft im Detail. Die Mehrwertsteuer gibt in der ElDI-V zum Beispiel ganz genau vor, wie beweiskräftige elektronische Belege nach ihrer Vorstellung digital signiert sein müssen. Die GeBüV wiederum schlägt bei der Aufbewahrung solcher Belege auf veränderbaren Informationsträgern wie zum Beispiel Festplatten oder Tapes allgemein den Einsatz von "digitalen Signaturverfahren" vor. Welche Bedingungen solche erfüllen müssen, sagt die Verordnung nicht - und eine einzige Behörde, die dies autoritativ auf Anfrage festlegen kann, gibt es nicht.



Dafür verlangt die GeBüV anders als die Mehrwertsteuer, dass Daten auf veränderbaren Informationsträgern einen Zeitstempel haben. Würden dieselben Geschäftsakten auf Papier oder einer CD-R abgelegt, also einem "nicht veränderbaren" Informationsträger, wäre der Zeitstempel nicht nötig.



Das Beispiel zeigt zwei Dinge: Zum einen macht es deutlich, dass es der Gesetzgeber mit der Wirtschaft zwar gut meint, es ihr aber oft nicht leicht macht, innovativ zu sein. Wer auf konventionelle Archivierungsmittel verzichten will und seine Daten nicht auf Papier, Mikrofilm oder einer CD-R aufbewahren oder einen voll-elektronischen Rechnungsverkehr einführen möchte, muss derart viele Vorkehrungen treffen, dass sich das Ergebnis nur noch dann wirtschaftlich betreiben lässt, wenn es um grosse Volumen geht.



Zum anderen belegt das Beispiel, dass der Gesetzgeber den neuen Technologien noch immer nicht traut. Er tut so, als wäre es ein leichtes, elektronische Belege zu manipulieren, während altmodische Belege auf Papier als fälschungssicher gelten. Dementsprechend sind die Anforderungen an die elektronische Bearbeitung und Aufbewahrung von mehrwertsteuer- und geschäftsrelevanten Daten ungleich höher. Es werden Sicherheiten vorgesehen, die es anderswo nicht gibt. Auch wenn dafür gute Gründe genannt werden können, ist dies letztlich eine Diskriminierung neuer Technologien. Sie fördert deren Einsatz nicht, sondern erschwert ihn.



Das führt letztlich dazu, dass es sich viele Betriebe in den kommenden Jahren nicht leisten können werden, auf effizientere Methoden im Rechnungsverkehr und bei der Geschäftsaktenaufbewahrung umzustellen: Die hohen Anforderungen des Gesetzgebers verteuern sie zu sehr - selbst wenn sie vollkommen kompatibel miteinander wären. Dabei dürfte es heute sehr viel einfacher sein, einen Fax oder Brief zu fälschen als etwa eine E-Mail.



Es werden freilich die E-Mail-Systeme sein, die in den Unternehmen in vielen Fällen den neuen Vorschriften nicht genügen werden. Diese schreiben nämlich nicht nur eine langfristige und vor Veränderung geschützte Aufbewahrung vor, sondern etwa auch, dass die archivierten Daten von aktuellen Daten zu trennen sind und der Zugriff auf das Archiv nicht nur beschränkt, sondern auch protokolliert wird. Für Firmen, die sich auf Archivierungslösungen und -Know-how spezialisiert haben, dürften bald gute Zeiten anbrechen.




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