Lotus: Mehr Domino als Notes

In IBMs Lotus-Strategie wird Domino immer dominanter. Der Notes-Client wird derweil auch vom neuen IBM Workplace in den Hintergrund gedrängt.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/13

     

Es ist mittlerweile schon einige Jahre her, dass Lotus von IBM übernommen wurde. Inzwischen hat sich Lotus, ähnlich wie Tivoli auch, von einem eigenständigen Unternehmen zu einem Teil der Softwaregruppe von IBM gewandelt. Dabei wird Domino immer mehr zur bestimmenden Marke, während Lotus und Notes mehr und mehr in den Hintergrund rücken. Diese Äusserlichkeiten sind aber für den Anwender nicht so wichtig, selbst wenn sie gelegentlich Verwirrung stiften. Viel wichtiger ist die Frage der Investitionssicherung und des potentielle zukünftigen Kundennutzens.


Mehr als ein kleines Upgrade

Relativ schnell nach der Version 6.0 hat Lotus die Versionen 6.5 und nun 6.5.1 herausgebracht. Neben vielen kleineren Optimierungen der Funktionalität gibt es dabei zwei herausragende Neuerungen. Bei der Version 6.5 hat Lotus noch einmal Domino Web Access (DWA) aufgebessert. DWA ist der Web-Client für den Zugriff auf Domino. Damit können Benutzer Mails lesen, auf ihre ToDo-Listen zugreifen, Kontakte verwalten und vieles mehr. Neben funktionalen Verbesserungen lässt sich DWA erstmals auch mit dem Mozilla-Browser 1.3.1 und höher von Linux-Clients aus nutzen – mit annähernd dem gleichen Funktionsumfang wie beim Internet Explorer unter Windows. Einer der wichtigen Unterschiede: Beim Windows-Client funktioniert auch die Notes-Mail-Verschlüsselung.






Mit der Version 6.5.1 ist endlich eine grundlegende Überarbeitung von Domino Access for Microsoft Outlook erschienen, das es seit Version 5.0.8 gibt. Die erste Implementierung war aber weder besonders leistungsfähig noch stabil. Über eine Zwischenversion 6.0 hat man nun in der Version 6.5.1 die Architektur grundlegend verändert und eine viel engere Integration mit Outlook durchgeführt. Das Ergebnis ist ein Outlook-Add-on, mit dem der Benutzer in praktisch der gleichen Weise auf einen Domino-Server zugreifen kann, wie mit Outlook auf einen Exchange Server.
Mit diesen beiden Clients hat Lotus eine der grössten Hürden für die Verbreitung von Domino als Mail-Server wirksam adressiert. Denn mit Outlook und dem Browser werden nun zwei echte Alternativen zu Lotus Notes angeboten. Da zudem auch Domino-Anwendungen mittlerweile sehr gut webfähig gemacht oder von Java-Anwendungen aus angesteuert werden können, lassen sich jetzt die meisten Domino-Funktionen auch ohne Notes nutzen.


Web Services und mehr

Das noch weiter zu verbessern, ist das Ziel der Version 7.0. Davon gibt es derzeit eine erste Betaversion. Erscheinen wird das Produkt aber wohl erst im nächsten Jahr. Bei Domino wird dabei die Unterstützung von Web Services im Mittelpunkt stehen. Diese können über vordefinierte Design-Objekte einfach in Domino-Anwendungen eingebunden werden. Damit wird die Strategie von IBM, Domino als speziellen Anwendungsserver für kollaborative und dokumentenorientierte Anwendungen zu positionieren, fortgesetzt. Schon mit der Version 6 wurde die Java- und XML-Unterstützung wesentlich erweitert. Mit der vollen Einbindung von Web Services lassen sich nun Anwendungsdienste auch so bereitstellen. Zusammen mit der guten Integration mit der WebSphere-Welt ist Domino damit eine interessante Option für die Anwendungsentwicklung – auch weil diese immer noch vergleichsweise einfach ist, soweit die Anwendungen vor allem die Funktionsbereiche adressieren, in denen die Stärken von Domino liegen.






Spannend wird in der Version 7.0 auch der sich anbahnende Abschied sowohl von den klassischen NSF-Dateien – den proprietären Notes-Datenbanken – als auch von Domino Directory. Domino-Datenbanken können zukünftig auch in der DB2 UDB gespeichert werden. Das ist einerseits für grössere Unternehmen mit einer bestehenden DB2-Infrastruktur interessant, da dann alle Storage-Management-Funktionen dieser Umgebung auch für die Domino-Datenbanken genutzt werden können. Es ist aber auch für die Integration von Domino- und DB2-Daten nützlich. Anstelle des Domino Directory können für Benutzer- und Gruppeninformationen nun künftig LDAP-Verzeichnisse sowie Tivoli Directory eingesetzt werden.
Bei Domino Web Access soll in der Version 7.0 noch die Unterstützung für S/MIME folgen, während bei Domino Access for Outlook beispielsweise ein Domino-Verzeichniskatalog auch auf den Outlook-Client repliziert werden kann. Damit können mobile Benutzer auch ohne Verbindung zum Netzwerk auf diese Informationen zugreifen.


Workplace – das Ende für Notes?

Auch wenn mit DWA, Domino Access for Outlook und den vielen offenen Standards für die Anwendungsentwicklung wie Java, XML und den Web Services mittlerweile ein hohes Mass an Offenheit erreicht wurde, stellt sich für viele Anwender die Frage nach der Zukunft von Notes. IBM hat zudem mit dem Workplace Messaging noch eine andere E-Mail-Lösung vorgestellt. Der IBM Workplace ist IBMs Idee für eine Client-Lösung der Zukunft, wobei sich dahinter zunächst einmal der WebSphere Portal Server verbirgt. Statt aber auf eine generische Portalsoftware zu setzen, stellt IBM für den Workplace funktionale und branchenorientierte Lösungen vor. Neben dem Workplace Messaging gibt es derzeit Dienste für das E-Learning, das Dokumentenmanagement, das Content Management sowie die Zusammenarbeit von Teams, aber auch für mehrere Branchen. Dahinter stehen neben dem Portal Server teilweise auch Lotus-Serveranwendungen.






Mit dem IBM Workplace gibt es eine Browser-basierende Alternative, wobei beispielsweise das Workplace Messaging nur eine Basisfunktionalität bietet. Die Version 7.0 von DWA wird sich wesentlich besser in das Portal integrieren lassen als bisher und avanciert damit für anspruchsvollere Aufgaben zur ersten Wahl.
Für den Notes-Client bedeutet die Entwicklung aber, dass er immer mehr an Bedeutung verliert. Es gibt Aussagen aus dem IBM-Umfeld, die für die Version 8.0 – die noch in weiter Ferne ist – einen in den IBM Workplace integrierten Hybrid-Client sehen, der die volle Notes-Funktionalität bietet, aber keine eigenständige Anwendung mehr ist. Bei ausreichend Alternativen und einem fliessenden Übergang ist das aber nicht negativ. Viel wichtiger für die Kunden ist, dass sie schon heute wesentlich mehr Optionen auf der Client-Seite haben und dass der Domino-Server als Back-end eine strategisch wichtige Rolle in der Server-Infrastruktur von IBM spielt – auch wenn einzelne Funktionen mehr und mehr von der DB2 UDB oder dem Tivoli Directory übernommen werden.




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