Hohes Alter, kein Problem

In der IT-Branche spielt das Alter eine untergeordnete Rolle – viel wichtiger sind Know-how, Erfahrung, Flexibilität und Eigeninitiative.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/08

     

Die Spitzenpositionen im Top-Management in der Old Economy sind unter 50 gar nicht oder nur selten zu erreichen. Ganz anders sieht es im IT-Bereich aus.



Das Durchschnittsalter der Geschäftsleitung bei Compaq Schweiz beispielsweise liegt bei knapp 40 Jahren, wobei das jüngste Mitglied gerade mal 34 und das älteste 46 Jahre zählt. Auch bei IBM Schweiz ist das Kader mit 51 Jahren Altersdurchschnitt noch ziemlich jugendlich. Sam Palmisano, der neue CEO der IBM Corporation, ist gerade mal 50 Jahre alt, und auch Carly Fiorina, CEO der HP-Company, zählt mit ihren 47 Jahren nicht unbedingt zum alten Eisen.




So gesehen könnte man meinen, dass ein IT-Worker mit 50 Jahren entweder den Höhepunkt der Karriere erreicht oder bereits ausgedient hat. Dem ist allerdings nicht so - vielmehr liegt es in der Natur der Sache, wie Ulrich Halscheidt, Director Human Ressources, Compaq Schweiz, begründet: "Viele der IT-Firmen sind an sich noch jung." Compaq beispielsweise hat gerade das 20-jährige Jubiläum gefeiert. Zahlreiche Führungskräfte sind mit der Firma gross geworden und sind dementsprechend noch jung. "Das bewirkt, dass diese jungen Manager auch von aussen kommenden jüngeren Managern das entsprechende Vertrauen entgegenbringen", fährt Halscheidt fort, "ausserdem gilt auch, dass die Fachkräfte rar sind und insbesondere Manager mit Erfahrung in der IT-Branche nicht gerade leicht zu finden sind."


Das ideale Alter gibt es nicht

Dass das Alter in einem IT-Unternehmen keine prioritäre Rolle spielt, erläutert Halscheidt: "Wir achten auf eine gleichmässige Verteilung von Mitarbeitern unterschiedlichen Alters in den Teams."



Auch bei IBM Schweiz achtet man auf einen gesunden Altersmix, wie Germaine Graf, Manager Personalrekrutierung und Betreuung bestätigt: "Das Durchschnittsalter von 40 Jahren bei IBM ist wohl für die Branche relativ hoch, zeigt aber, dass eine gute altersmässige Durchmischung des Personals durchaus wünschbar ist."




Auch bei HP stellt das Alter keine Hürde dar. Für den HR-Manager Walter Zahnd stehen Faktoren wie die Qualifikation, bisheriger Leistungsausweis, der Wille zur Weiterbildung und Wachstumspotential im Vordergrund. So gesehen gibt es auch kein bevorzugtes Alter für eine Anstellung. Vielmehr wird die Alterslimite abhängig von der zu besetzenden Position gemacht. "Es ist klar, dass Jobs, die mit vielen Reisen verbunden sind, eher an Kandidaten unter 40 Jahren vergeben werden", bestätigt Zahnd.



Ältere Mitarbeiter haben eigentlich nur Vorteile, wie Compaqs HR-Direktor bestätigt: "Vielleicht nimmt rein biologisch begründet die Fähigkeit, Neues zu lernen, mit zunehmendem Alter ab. Dafür steigt die Routine, mit der Ältere lernen und sich auf ungewohnte Situationen einstellen." Für Germaine Graf bringen ältere Menschen wertvolle fachliche sowie menschliche Erfahrungen mit: "Bei IBM werden ältere Mitarbeiter gerne als Coaches oder Mentoren von Jüngeren eingesetzt."




Qualität hat ihren Preis

Noch vor wenigen Jahren waren finanzielle Aspekte wie höhere BVG-Prämien mit zunehmendem Alter wesentliche Faktoren für die Einstellung Jüngerer. Diesbezüglich hat sich die Politik in den Personaletagen teilweise geändert, wie Halscheidt bestätigt: "Die Gehälter einzustellender Mitarbeiter hängen wesentlich mehr davon ab, ob jemand besonders gefragtes Wissen hat. Daher spielt diese Überlegung in der IT-Industrie keine Rolle." Und bei HP war das schon immer so. "Heute wie schon früher wurden Mitarbeiter aufgrund ihrer Qualifikation eingestellt", erklärt Zahnd.



Anders sieht es bei IBM Schweiz aus: "Finanzielle Aspekte wie Pensionskasse und in der Regel höhere Saläre spielen natürlich weiterhin eine Rolle", bestätigt Germaine Graf.





Weiterbilden - weiterkommen

In der schnellebigen IT-Industrie wird besonderen Wert auf die Weiterbildung gelegt, egal ob bei jung oder alt. "In der IT-Branche hat das Wissen eine Halbwertszeit von drei Jahren. Daher können wir es uns absolut nicht leisten, bei der Aus- und Weiterbildung Unterschiede zu machen", betont der HR-Direktor von Compaq.



Auch für Germaine Graf gehört laufende Weiterbildung für alle dazu: "Der IT-Markt erfordert von allen Mitarbeitern eine kontinuierliche Weiterbildung. Auch hier gilt der Grundsatz, dass Weiterbildung abhängig vom Potential und vom Einsatz des einzelnen Mitarbeiters ist und nicht vom Alter." Und Walter Zahnd glaubt, dass ältere Menschen die Weiterbildung selber in die Wege leiten sowie stets Bereitschaft zur Veränderung zeigen sollten: "Die Möglichkeit zur Weiterbildung ist eine direkte Folge der Eigeninitiative."




Flexibilität und Offenheit gegenüber Neuem sind überdies wichtige Erfolgsfaktoren. "Durch Routine und Erfahrung können Ältere oft schneller an neue Aufgaben herangehen als Jüngere", weiss Ulrich Halscheidt und fährt fort: "Das sollten die Älteren so oft wie möglich nutzen, anstatt an dem Vertrauten festzuhalten, mit dem man mal Erfolge hatte."



Und wenn Jüngere neue Ideen haben, die den Älteren bekannt vorkommen, sollten die Älteren keinesfalls das Vorhandene mit den Worten "das hatten wir schon vor 10 Jahren" zu wahren versuchen. Besser ist es, die neuen Ideen mit den Erfahrungen aus früheren Zeiten zu verbessern.



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