Die ultimative Bootdisk

Ein spezialisiertes Bootmedium hilft bei Problemen auf der Festplatte.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/43

     

So zuverlässig heutige PCs auch sein mögen, die Wahrscheinlichkeit besteht weiterhin, dass der Zustand der Festplatte irgendwann nicht mehr dem entspricht, was der Anwender erwartet. Probleme mit Treibern, versehentlich gelöschte Dateien, Viren in grosser Zahl und mechanische Defekte sorgen immer wieder dafür, dass sich Windows nicht wunschgemäss verhält. In einer solchen Situation kann ein alternatives Bootmedium mit den entsprechenden Werkzeugen helfen, das Problem zu beheben, ohne den Rechner neu installieren zu müssen. Das Starten ab Bootdiskette, -CD oder -Zip erlaubt tiefgreifendere Eingriffe auf der Festplatte als unter Windows selbst. Bei Problemen mit der Harddisk, beispielsweise mit nicht mehr lesbaren Blöcken oder versehentlich überschriebenem Bootsektor, ist dies der einzige Weg, um überhaupt noch an die Inhalte des Datenträgers heranzukommen. Auch für DOS-basierte Hilfsprogramme zum Erstellen von Festplatten-Images oder für Manipulationen an den einzelnen Partitionen leisten Bootdisketten oder -CDs unverzichtbare Dienste.



Insbesondere in grösseren Unternehmen mit zentraler Rechner- und Datenverwaltung gehören Bootdisketten aber zu den Auslaufmodellen. Dies kann auch Irene Dubach bestätigen, Systemtechnikerin beim Migros- Genossenschafts-Bund: "Der Aufwand für die Suche von Systemfehlern lohnt sich für uns nur selten. Wir setzen Bootdisketten höchstens noch für automatisierte Neuinstallationen übers Netzwerk ein." Ähnlich tönt es bei Martin Loch, Bereichsleiter Technik beim Informatik-Unternehmen Panatronic: "Wir setzen in erster Linie die mit den Windows-Versionen mitgelieferten Utilities ein. Darüber hinaus verwenden wir aber vor allem Hilfsprogramme, um Festplatten-Images zu erstellen, die wir bei Problemen wieder zurückspielen können."




In kleineren Unternehmen, die nicht über eine derart ausgeklügelte Infrastruktur verfügen, erweisen sich die Starthelfer aber nach wie vor als unverzichtbar. Oftmals eignet sich hierfür auch die Windows-Installations-CD oder das vorgefertigte Notfall-Startmedium eines Hilfsprogramms wie etwa die Norton Utilities oder die System Suite von Ontrack. Viele Utilities bieten zudem die Option, Notfalldisketten zu erstellen, um Festplattenproblemen und Viren vom DOS-Prompt aus auf die Pelle rücken zu können.


Die Hürde NTFS


Form und Inhalt einer Bootdiskette oder -CD hängen zum einen vom Zweck des Notfall-Datenträgers ab, zum anderen aber insbesondere vom Dateisystem auf der Festplatte. Die Windows-Versionen 9x und Me verwenden hierbei FAT respektive FAT32, die auch von DOS unterstützt werden. Windows NT, 2000 und XP setzen dagegen vorzugsweise auf NTFS und damit auf ein DOS-inkompatibles Dateisystem. Dann vermag eine DOS-basierte Bootdiskette wenig auszurichten. Sie ist nur nützlich, wenn entweder die Festplatte neu formatiert werden soll oder ein Hilfsprogramm selber NTFS-Unterstützung mitbringt. Die bei diesen Windows-Versionen mitgelieferten Hilfsprogramme stützen sich denn auch nicht auf eine DOS-Notfalldiskette, sondern auf die im Installationsprogramm integrierten Reparaturfunktionen. Diese unterscheiden sich bei Windows NT und 2000/XP. Während ersteres nur erlaubt, anhand der Emergency Repair Disk (ERD) die Systemeinstellungen wieder herzustellen oder Werte in der Registry zurückzusetzen, bieten die beiden neueren Versionen eine so genannte Reparaturkonsole. Diese stellt die üblichen DOS-Dateifunktionen auch für NTFS zur Verfügung und ermöglicht so den Zugriff auf die Festplatte. Darüber hinaus enthält die Reparaturkonsole Kommandozeilen-basierte Hilfsprogramme für die Reparatur von Bootsektoren und die Manipulation von Systemdiensten.



Bei Windows NT, 2000 und XP ist es aufgrund der grossen Zahl von drei bis sechs Setup-Disketten bequemer, für Reparaturen die Installations-CD zu verwenden. Nur wenn der PC aus irgendeinem Grund nicht ab CD gestartet werden kann, kommen die Setup-Disketten zum Zug. Unter Windows NT werden sie mit dem Setup-Programm selbst erstellt, während Windows 2000 ein entsprechendes Hilfsprogramm im Verzeichnis /bootdisk auf der Installations-CD bereithält. Die Disketten-Images für Windows XP bietet Microsoft zum Herunterladen an.




Für eine weitergehende Reparatur an NTFS-Dateisystemen existieren Hilfsprogramme von Drittherstellern. Diese lohnen sich insbesondere unter Windows NT und machen dort die fehlende Reparaturkonsole wett. Zu den ausgereifteren Werkzeugen dieser Art gehören die - mit Preisen von über 300 Dollar allerdings nicht gerade günstigen - Hilfsprogramme von Winternals Software. Sie bieten vielfältige Manipulationsmöglichkeiten an NTFS-Dateisystemen und in Form des Disk Commanders ein Werkzeug zur Wiederherstellung von Dateien bei beschädigten Partitionen. Als günstige Alternative zu kommerziellen Produkten entpuppt sich die NTFS-Erweiterung für die "Ultimate Boot Disk" (siehe Kasten "Starthelfer aus dem Internet"), die den Zugriff auf dieses Dateisystem ab DOS-Diskette erlaubt.




Massgeschneidertes Werkzeug


Wesentlich einfacher gestaltet sich der Umgang mit dem FAT-Dateisystem von Windows 9x/Me, da dieses von DOS unterstützt wird. Startet man den PC ab DOS-Diskette, lässt sich direkt auf die Festplatte zugreifen. Aufgrund der bescheidenen Platzverhältnisse auf dem archaischen, aber nützlichen Datenträger lohnt es sich, für verschiedene Zwecke massgeschneiderte Rettungsdisketten zu erstellen. Entsprechend vorkonfigurierte Image-Dateien findet man auch im Internet.



Am einfachsten erstellt man eine bootfähige Diskette unter Windows 9x/Me über die Systemsteuerung. Unter dem Eintrag "Software" findet man den entsprechenden Reiter, der eine standardisierte Rettungsdiskette erstellt. Diese erhält bereits die wichtigsten Hilfsprogramme wie den Texteditor Edit, das Formatierungsprogramm Fdisk oder Scandisk, um die Festplatte auf Fehler zu überprüfen. Für weiterführende Aufgaben ist aber Handarbeit angesagt. Nützlich ist sicherlich das Hilfsprogramm Scanreg, das eine defekte Registry reparieren oder ein Backup einer funktionierenden Registry wiederherstellen kann. Um Platz auf der Bootdiskette zu schaffen, können nicht benötigte CD-Treiber gelöscht werden. Es empfiehlt sich dabei, auch die entsprechenden Einträge in der Datei config.sys zu entfernen.




Bei etwas ausgefalleneren Hardware-Konfigurationen muss die Bootdiskette zusätzlich angepasst werden. Es gilt, zusätzlich DOS-Treiber beispielsweise für nicht-standardisierte CD-Laufwerke, SCSI-Geräte etc. zu installieren. Die Treiber selbst kann man sich normalerweise von der Website des Herstellers besorgen. Die Anleitung, wie der Treiber unter DOS konfiguriert werden muss, findet sich entweder ebenfalls auf der Website oder direkt im komprimierten Treiber-Archiv, das heruntergeladen werden muss.



Verweigert Windows 9x/Me den Start, kann ein Backup der wichtigsten Systemdateien das Leben erleichtern. Es lohnt sich deshalb, eine zweite Diskette mit Kopien von autoexec.bat, config.sys, win.ini und system.ini sowie einem Backup der Registry anzufertigen. Es ist wohl nicht nötig zu betonen, dass diese Schritte, wie auch das Erstellen der Rettungsdiskette, vorgenommen werden sollten, solange der Rechner noch einwandfrei läuft.




Die 1,4-MB-Grenze sprengen


Moderne PCs lassen sich aber nicht nur ab Festplatte oder Diskette booten, sondern auch mittels anderer Datenträger. Sofern ein entsprechendes bootfähiges Laufwerk vorhanden ist, kann ein Wechselspeichermedium wie etwa eine Zip-Disk oder eine CD-ROM als Rettungsfallschirm verwendet werden. Dies bietet den Vorteil, dass alle benötigten Hilfsprogramme und die Backup-Dateien auf einem einzigen Datenträger Platz finden. Die Erstellung einer bootfähigen CD ist jedoch eher aufwendig und nur fortgeschrittenen Benutzern zu empfehlen.



Als einfache Alternative dazu bietet sich die Kombination von Bootdiskette und CD oder Wechselmedium an. Die Diskette wird dabei nur zum Booten verwendet, während das zweite Speichermedium die gewünschten Programme und Backups aufnimmt. Hierzu muss auf der Bootdisk der entsprechende Treiber installiert sein. Dazu dient entweder ein CD-Treiber der Windows-Rettungsdiskette oder, bei Verwendung eines Zip-Laufwerks, die DOS-Variante von Iomega Guest.




In einer vernetzten Umgebung kann auch eine netzwerkfähige Bootdiskette verwendet werden, um Dateien von einem Server zu beziehen. Deren Erstellung funktioniert am einfachsten über einen Windows NT Server. Dessen Administrationstool für Netzwerk-Clients richtet auf einer bootfähigen DOS-Diskette den Network Client 3.0 ein. Unter Windows 9x/Me können alternativ die Netzwerkprogramme der MS-DOS Eingabeaufforderung verwendet werden, um eine Bootdiskette zu erstellen. Dieser Weg ist allerdings aufwendig und erfordert die Erstellung einer angepassten Registry auf der Floppy. Eine ausreichend dokumentierte Anleitung ist unter dem entsprechenden Link im Kasten "Starthelfer aus dem Internet" zu finden.




Über die Bootdiskette hinaus


Nicht immer macht bei PC-Problemen der Einsatz eines Rettungsmediums Sinn. Es gilt jeweils abzuwägen, ob es sich überhaupt lohnt, mit grossem Aufwand eine verkorkste Installation zu reparieren. Oftmals ist es einfacher, das System neu zu installieren oder die defekte Festplatte auszutauschen. Dies ist zum einen abhängig von der Schwere des Falles und zum anderen vom Know-how derjenigen Person, welche die Reparatur vornimmt. Und nicht zuletzt vermindert ein regelmässig aktualisierter und sinnvoll konfigurierter Virenscanner in Verbindung mit ebenso regelmässigen Backups das Risiko, dass eine Systemkonfiguration überhaupt manuell repariert werden muss.



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