David Rosenthal: Kampf der digitalen Umweltverschmutzung

Code Red und Nimda haben einmal mehr deutlich gemacht, dass der Schutz der eigenen Computersysteme nicht mehr reine Privatsache ist, sondern auch die «digitale» Umwelt betrifft.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/36

     

Code Red und Nimda waren nicht die ersten und werden auch nicht die letzten "Würmer" gewesen sein, die sich dank dem Internet und seinen vielen ungeschützten Computern
rasant und weltweit verbreiten konnten. Sie haben aber einmal mehr deutlich gemacht, dass der Schutz der eigenen Computersysteme nicht mehr reine Privatsache ist, sondern auch die "digitale" Umwelt betrifft.



Das wird für viele der Verantwortlichen in den Betrieben eine neue Betrachtungsweise sein. Bisher war es so, dass die Installation von Firewalls und Antiviren-Programmen primär dazu diente, die eigenen Daten und Programme vor unbefugten Zugriffen zu verteidigen sowie die Verfügbarkeit der eigenen Infrastruktur sicherzustellen. Hinzugekommen ist nun aber eine zusätzliche Verantwortung jedes Einzelnen als Teil jener virtuellen, digitalen Welt, die über die letzten Jahre durch die Vernetzung über das Internet geschaffen wurde.




Der Auslöser dafür ist die wachsende Zahl von Schadprogrammen, die ihre Wirkung dadurch potenzieren, dass sie Systeme Dritter ohne Einwilligung und Wissen derer Inhaber dazu zwingen, sich an ihren "bösen" Aktivitäten zu beteiligen. Die eingangs erwähnten Würmer sind eine solche Sorte: Sie können Internet-Server knacken und nisten sich darin ein, um von diesen Systemen aus weitere Computer zu befallen.



Die Verantwortung eines jeden Internet-Benutzers zum Schutz seiner Systeme vor derartigen Missbräuchen ist moralischer und rechtlicher Natur. Zunächst sollte es im Interesse eines jeden liegen, der das Internet für sich nutzen will, seinen eigenen Teil zur Abwehr solcher Missbräuche zu leisten. Denn unter den Folgen davon hat jeder Benutzer zu leiden. Mit anderen Worten: Wer die Vorteile des Internet für sich beanspruchen will, sollte auch zu dessen Erhalt beitragen.


Verantwortung zum Providerkunden abschieben

Es gibt aber auch die rechtliche Komponente. In England hat sich mit Telewest ein erster Service-Provider in seinen Vertragsbedingungen das Recht eingeräumt, Kunden vom Internet zu trennen, wenn diese ihre Computer nicht hinreichend vor Würmern wie Nimda schützen. Der Grund ist klar: Befällt ein solcher Wurm einen Kunden-Rechner, und sei es nur einen einzelnen PC eines Kabel- oder DSL-Kunden, dann führt dies zu einer hohen Belastung des gesamten Providernetzwerks, weil der Wurm in der Folge alle Nachbarrechner nach weiteren Sicherheitslöchern absucht. Zudem drohen dem Provider seinerseits Nachteile seitens anderer Provider.



Denkbar ist zudem, dass eine Person auch von Dritten rechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann, falls sie ihren Computer nicht genügend gut gegen Eindringlinge sichert und solche in der Folge von jenem System aus andere anfallen können.




In Frage kommt vor allem eine Schadenersatzpflicht, falls der fraglichen Person nachgewiesen werden kann, dass sie mindestens fahrlässig gehandelt hat und einige weitere Bedingungen erfüllt sind. Derartige Prozesse sind in der Schweiz zwar bisher Theorie, doch durchaus möglich.



Es ist zudem denkbar, dass schon bald Gesetze geschaffen werden, die Betriebe nicht nur dazu verpflichten, Sorge zur "echten" Umwelt zu tragen, in dem sie Emissionen verhindern. Es könnte auch die explizite Pflicht zum Schutz der "virtuellen" Umwelt geschaffen werden, wonach die Betriebe zu sorgen haben, dass von ihren "Cybergrundstücken" aus keine schädlichen Einwirkungen auf Nachbarn und die restliche Umwelt im Internet einwirken.



Vielleicht wird die Internet-Polizei unter diesen Umständen eines Tages im Netz nicht mehr nur nach Kinderpornografen und Rassisten fahnden, sondern auch nach jenen Betrieben, die es durch zu laxe Sicherheitsvorkehrungen bewusst in Kauf nehmen, dass ihre digitale Umwelt im Internet durch virtuelle Parasiten und andere Erscheinungen gestört wird.




Provider werden reagieren

Freilich gehen diese Dinge nicht nur Unternehmen etwas an. Mit der zunehmenden Verbreitung von Kabel- und DSL-Internet-Zugängen sind heute zahlreiche Private ebenfalls dauernd mit dem Netz verbunden. Sie sind damit genauso ein Risikofaktor geworden, und vermutlich sogar die schwerer zu kontrollierende Gefahr, da sich ein einzelner Internet-Hobby-Anwender seiner Bedeutung für das "Kollektiv" wohl noch weniger bewusst sein wird.




So scheinen derzeit in der Tat wohl - einmal mehr - die Provider gefragt zu sein. Nehmen die Vorfälle weiter zu, so werden die Provider früher oder später unter Druck geraten (wie schon im Falle illegaler Internetinhalte in ihrem Netz) und müssen eigene Massnahmen gegen Störungen durch "Zombies" treffen. So werden Computer unwissender Internet-Benutzer genannt, die von digitalen Schädlingen zum Angriff auf andere Computer missbraucht werden. Telewest wird somit nicht der einzige Provider bleiben, der seine Geschäftsbedingungen anpasst.



Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wie hiess im Märchen die Schwester von Hänsel?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER