David Rosenthal: Patente - eine oft vergessene Investition

Auch in Europa ist es heute an sich möglich, Software zu patentieren. Auch erste Geschäftsmethoden konnten auf diese Weise in Europa zum Patent angemeldet werden.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/28

     

Was haben das One-Click-Bestellsystem von Amazon.com, eine Formel zur Berechnung von Versicherungsprämien und eine neue Golfabschlagstechnik gemeinsam?



Alle drei Dinge sind patentiert worden. Ein Blick in die Online-Archive etwa des US-Patentamts bringt manche Kuriositäten ans Tageslicht. Auch besonders clevere Spielzüge im American Football konnten sich dort mit Hilfe des Patentrechts schützen lassen, genauso wie andere Methoden, wie sich auf neuartige Weise Geld verdienen lässt. In Europa sind die Patentämter zwar etwas zurückhaltender, und in mancher politischen Diskussion um die Revision des Patentrechts wird gerade mit dem Verweis auf die amerikanischen Sitten vor einer Erweiterung des Patentschutzes gewarnt.




Doch die Tatsachen sind anders: Auch in Europa ist es heute an sich möglich, Software zu patentieren. Das geht zwar nicht ganz auf dem direkten Weg. Noch immer muss die Software als Teil einer Maschine patentiert werden, da Software "als solche" nicht patentierbar ist. Doch da die Maschine im Grunde auch ein PC sein kann und nicht neu zu sein braucht, ist das kein Hindernis.


Eine Frage der Formulierung

Es geht sogar noch weiter: Auch erste Geschäftsmethoden konnten auf diese Weise in Europa zum Patent angemeldet werden. Wird die Geschäftsmethode - etwas vereinfacht ausgedrückt - als Vorgang einer Maschine erklärt, wird der Schutz oft möglich. Ein Beispiel ist ein neues System zur Berechnung von Prämien von Autoversicherungen, das die Fahrweise von Versicherten berücksichtigen kann. Theoretisch könnten sich solche Geschäftsmethoden ohne Computer und Messtechnik umsetzen lassen, was vom Patent nicht erfasst wäre. Doch in der Praxis braucht es heute für fast jede Geschäftsmethode eine Maschine.



Klarerweise muss festgehalten werden: Wir wissen heute noch nicht, wie weit die europäischen Gerichte solche Patente schützen werden. Das können erst die Prozesse in den einzelnen Ländern zeigen, bei denen die Inhaber der Patente deren Verletzter zur Kasse bitten und letztere versuchen werden, die Patente für ungültig erklären zu lassen. Doch es muss klarerweise damit gerechnet werden, dass das eine oder andere dieser Patente der Überprüfung standhält.




Das hat zweierlei Konsequenzen. Erstens müssen sich plötzlich auch Unternehmen in Branchen, die sich mit dem Patentrecht bisher nie befassen mussten, darüber Gedanken machen. Das gilt spätestens dann, wenn ein Patentinhaber an sie herantritt und Lizenzen kassieren will. Wer gleich zahlt, kommt günstiger weg, zahlt aber auf jeden Fall. Wer nicht zahlt, geht dagegen das Risiko einer Prozessniederlage ein - und deutlich höherer Lizenzen.




Aufholbedarf in Europa

Zweitens haben europäische Firmen speziell im IT-Sektor einiges nachzuholen, wenn es um die Anwendung dieser Instrumente zum Schutz ihres eigenen geistigen Eigentums geht. Hier sind viele Betriebe genauso schwach wie bei der Vermarktung ihrer Produkte. Dabei steht die ganze Energie und Innovation, die in neue Entwicklungen investiert wird, auf dem Spiel, wenn sie nicht abgesichert wird. In den USA haben das inzwischen auch viele Start-ups erkannt und so oft ihre einzigen wirklichen Werte geschaffen.



Der Patentschutz ist zwar nicht ganz billig; das Prozedere für ein Patent in Europa und den USA kann gut 100'000 Franken kosten und dauert Jahre. Doch Patente machen aus einer Erfindung einen Vermögenswert, mit dem sich Geschäfte machen, aber auch Investoren finden lassen - und dies auch bevor ein Patent erteilt wird. Ob sich eine Erfindung patentieren lässt und dies sinnvoll ist, muss im Einzelfall mit einem Experten geprüft werden. Die Erfindung darf nicht naheliegend sein, und umsetzbar muss sie ebenfalls sein. Auch die Formulierung der Patentansprüche ist eine komplexe Materie.




Wichtig ist, dass auch kleinere Firmen immer an die Möglichkeit der Patentierung denken, wenn sie Innovation betreiben - und zwar nicht mehr nur im rein ingenieur-technischen Bereich. Gehandelt werden muss, noch bevor die Ideen an die Öffentlichkeit gelangen. Ist eine Erfindung erst einmal publiziert, kann sie zumindest in Europa nicht mehr patentiert werden. Auch rasches Handeln ist wichtig: Wesentlich ist das Datum der ersten Anmeldung im ersten Land, egal, wie lange das Verfahren schliesslich dauert.



Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wieviele Zwerge traf Schneewittchen im Wald?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER