Editorial

Struktur für die Blogosphäre


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/07

     

Im Februar hatte ich an der LIFT-Konferenz in Genf eine Diskussion mit Robert Scoble, dem Top-Blogger von Microsoft (scobleizer.wordpess.com). Er hat kürzlich zusammen mit Shel Israel das Buch «Naked Conversations» geschrieben, das aufzeigt, wie Blogs die Unternehmenskommunikation verändern. Im Verlaufe der Unterhaltung kamen wir darauf zu sprechen, dass die meisten Blogging-Tools als Konversationsplattformen bereits an ihre Grenzen stossen.





Blogs haben in den letzten zwei bis drei Jahren einen mächtigen Ausdrucksraum geschaffen und grossen Einfluss in vielen Bereichen bekommen: Einige Blogger sind richtige Berühmtheiten geworden, Unternehmen versuchen aus dem Phänomen Kapital zu schlagen, die «alten» Medien fürchten die Blogs als aufkommende Gegenmacht. In ihrer derzeitigen Form werden Blogs aber hauptsächlich zur Publikation von Ideen, Meinungen, Tagebüchern oder Entdeckungen genutzt. Eine eigentliche Gesprächskultur, Robert nennt dies «Conversationality», existiert kaum. Im Normalfall publiziert ein Blogger A seine Gedanken, die dann von Lesern auf einer separaten Kommentarseite besprochen und von anderen Bloggern in ihrem Blog kommentiert werden. Manchmal antwortet danach A in seinem Blog wieder auf die Kommentare. Ein Dritter nimmt das Thema auf und so breitet sich eine Scheinkonversation aus. Die Ausbreitung ist aber zerhackt und zufällig, weil die meisten Leser immer nur einen Teil der ganzen Diskussion zu lesen bekommen.






Warum ist das so? Weil beispielsweise nur selten ein Kommentator später zum kommentierten Blog zurückkehrt, um nachzuschauen, ob inzwischen wieder jemand reagiert hat. Ein weiterer Grund ist, dass es noch keinen Weg gibt, jedes Posting, das einen ursprünglichen Blog kommentiert, in der «Blogosphäre» zu verfolgen –genausowenig, wie die Kommentare nachverfolgbar sind, die dieses Posting und die weiteren Postings hervorrufen. So geht die Konversation an einem bestimmten Punkt praktisch zwangsläufig verloren.
Sicher, technorati.com und andere versuchen, das Verfolgen von Diskussionen zu vereinfachen. Aber sie erfassen nur einen Teil der Blogosphäre. Zudem ist das Durchforsten von Suchresultaten ineffizient. Feeds und Feed-reader wiederum sind ein guter Weg, um eine grosse Menge von Blogs zu bewältigen. Aber auch sie helfen kaum, einen auf einen Gedanken Antwortenden einfach zu finden.





Was wir brauchen, ist eine neue Generation von Plattformen, die das Blogging von einem Instrument der Selbstdarstellung in ein Instrument der Interaktion weiterentwickeln. Dafür müssen entsprechende, neue Features hinzugefügt und Werkzeuge entwickelt werden, die helfen, Diskussionen durch viele Blogs zu verfolgen. Tech.memeorandum.com, megite.com und andere haben gute erste Schritte in diese Richtung getan, aber sie konzentrieren sich nur auf das Finden der relevantesten Äusserungen. Swisscom Innovations lässt einen wenigstens mit CoComment.com den Kommentaren durch verschiedene Blogs folgen. Aber es braucht noch mehr. Bessere Organisationmöglichkeiten –keine Kontrolle, aber Tools, die eine strukturierte Diskussion mit Reden und Zuhören überhaupt möglich machen.




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