Von der Kunst, Nein zu sagen
Quelle: Vogel.de

Von der Kunst, Nein zu sagen

Wer immer und überall Ja sagt, wird von anderen fremdbestimmt. Das ist auf Dauer wenig karrierefördernd und macht sich in Stress und Unzufriedenheit bemerkbar.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/05

     

Wie soll man sich verhalten, wenn einem die netten Nachbarn zum Brunch einladen, obwohl man im Grunde genommen an einem Sonntag lieber ausschlafen würde? Was ist zu tun, wenn der Kollege einem innerhalb kurzer Zeit bereits zum dritten Mal fragt, ob man ihn nach Hause fährt, da er den Bus verpasst hat? Wie erklärt man seinem Sohn, der mit einem Fussball spielen möchte, dass man dafür keine Zeit hat? Und wie stiehlt man sich am elegantesten aus der Affäre, wenn jemand gebraucht wird, der an der Generalversammlung des Vereins Getränke und Lose verkauft?


Nur zu oft lassen wir uns zu solchen Aktivitäten überreden, obwohl wir dazu – wenn wir ehrlich sind – gar keine Lust haben. Wir sagen zu etwas Ja, obwohl wir eigentlich Nein meinen. «Wer nicht Nein sagen kann, kommt im Leben ganz einfach zu kurz, übergeht sich und seine Bedürfnisse, tut unter Umständen aus Gewohnheit, falscher Loyalität oder Bravheit Dinge, die ihm schaden und die er nachträglich bereut.» So lässt sich der Entwicklungspsychologe Professor Jürg Frick in einem Artikel der «Basler Zeitung» von vergangenem November mit dem Titel «Ja-Sager haben es schwerer» zitieren und bringt damit auf den Punkt, worüber wir uns selbst insgeheim oft selber ärgern – nämlich, dass wir viel zu oft nicht Nein sagen.



Nein sagen ist schwierig

Weshalb fällt dies vielen Menschen eigentlich so schwer? Dafür lohnt es sich, in der eigenen Lebensgeschichte zurückzugehen. Die ersten Begegnungen mit dem Wörtchen Nein machten wir nämlich in der Gestalt unserer Eltern. Sie sagten uns als Baby Nein, wenn wir mit dem Essen spielten oder am Abend nicht ins Bett gehen wollten. Mit drei oder vier Jahren haben wir dann im Trotzalter die Wirkung des Wörtchens Nein selbst ausgetestet. Häufige Reaktionen der Eltern auf unser Trotzen waren dann Aussprüche wie: «Wenn du das nicht machst, habe ich dich nicht mehr lieb!» Oder: «Wenn du jetzt nicht kommst, dann bin ich ganz fest traurig.» In dieser frühkindlichen Prägungsphase lernen wir, dass ein Nein oft mit negativen Konsequenzen wie Liebesentzug, Wut oder Ärger verbunden ist. Ein tadelloses Verhalten jedoch führt zu Lob und Zuspruch.

Und so spielt uns dann das «Kind in uns» auch im Erwachsenenalter immer mal wieder ein Streich und veranlasst uns, Dingen zuzustimmen, die wir so eigentlich gar nicht wollten, weil wir in unserer frühen Kindheit gelernt haben, die negativen Konsequenzen und die damit verbundenen Gefühle eines Neins tunlichst zu vermeiden.


Gerade im beruflichen Umfeld kann eine solche Verhaltensweise jedoch karrierehindernd und gar gesundheitsschädigend sein. Der Schreibtisch der Ja-Sager ist nämlich immer zum Bersten voll, wodurch diese Personen permanent gestresst sind. Darüber hinaus treten solche Gutmenschen oft auf der Stelle und kommen beruflich nicht so schnell vorwärts, da ihnen wenig Zeit für das Eigenmarketing bleibt. Dauernde Ja-Sager bringen sich vielmehr selbst schnell in einen Teufelskreis: Ihnen wird immer mehr Arbeit zugeschoben, weil Kollegen und Chefs genau wissen, dass sie hier auf wenig Widerstand stossen. Die schwierigeren Mitarbeiter, die gelernt haben, selbstbewusst Nein zu sagen, werden hingegen immer mehr in Ruhe gelassen.


Und so kann es am Schluss sogar sein, dass selbst jene Arbeit liegen bleibt, für die man eigentlich angestellt wurde. Chronische Ja-Sager, sind darum meistens überlastet, weil ein effektives Zeitmanagement mit einer solchen Verhaltensweise gar nicht mehr möglich ist.


Sinnvoll wäre es für solche Menschen wohl, wenn sie sich das nach Dwight Eisenhower konzipierte «Eisenhower Prinzip» zu Herzen nehmen würden. Dieses teilt die Aufgaben und Ziele nach zwei Kriterien ein nämlich: Wichtig oder unwichtig und dringend oder nicht dringend. So gilt es nach dem Eisenhower-Modell, die A-Aufgaben sofort selber zu erledigen, die B-Aufgaben zu terminieren und die C-Aufgaben zu delegieren. Die P-Aufgaben jedoch soll man getrost in den Papierkorb werfen oder ablehnen.


Eine Frage des Mutes

Mag sein, dass dieses Modell einem eingefleischten Ja-Sager hilft, mehr Struktur in seinen Tagesablauf zu bringen. Das eigentliche Problem, nämlich im entscheidenden Moment den Mut aufzubringen, eine Aufgabe abzulehnen, ist damit aber noch immer nicht gelöst. Im Folgenden darum einige Tipps, wie man lernen kann, Nein zu sagen und zwar so, dass man den andern nicht brüskiert und vor den Kopf stösst.



Bedenkzeit
Oftmals nehmen wir eine neue Aufgabe schlicht und einfach nur deshalb an, weil wir überrumpelt wurden. Besser ist es darum, entweder innerlich auf 10 zu zählen bevor man eine Antwort gibt oder sich bei einer schwerwiegenden Entscheidung Bedenkzeit auszubedingen. Fragen, die man sich dann stellen sollte, sind beispielsweise: Wie viel Zeit nimmt diese Aufgabe in Anspruch, wenn ich sie annehme und was sind die Konsequenzen, wenn ich Nein sage? Wer sich solche und ähnliche Gedanken im Vorfeld macht und nicht vorschnell reagiert, wird sich so womöglich bei nüchterner Betrachtung auch eher einmal zu einem Nein durchringen können.




Herausfinden, warum Nein sagen schwerfällt
Dass es viele Menschen Überwindung kostet, den anderen eine Bitte abzuschlagen, kann die unterschiedlichsten Gründe haben. Jenen, die sich bewusst sind, weshalb es ihnen manchmal so schwerfällt, eine Abfuhr zu erteilen, haben womöglich auch die grösseren Chancen, ihre diesbezüglichen Ängste und Bedenken zu überwinden.


Zudem ist es aber auch wichtig, die Strategien der Bittsteller zu durchschauen. So versucht es jemand, der vom anderen etwas möchte nicht selten mit Druck, Erpressung, Überrumpelung, Schmeicheleien oder der Mitleidstour. Und manche sind auch sehr gut darin, Schuldgefühle auszulösen. Wer in einem solchen Fall Nein sagt, sollte seine Antwort am besten mit einer Ich-Botschaft formulieren, weil diese besser akzeptiert werden kann als eine Du-Botschaft. Eine entsprechende Antwort könnte zum Beispiel so lauten: «Ich fühle mich von dir etwas überrumpelt und kann jetzt nicht gleich eine Entscheidung treffen. Bitte gib mir ein paar Minuten Zeit, und ich werde dich dann informieren, wie ich darüber denke.»


Der Ton macht es aus

Wichtig beim Nein sagen ist es, seinen eigenen Standpunkt klar darzulegen, ohne den anderen dadurch zu brüskieren. Mit Sätzen wie: «Ich bin doch nicht blöd, frag gefälligst einen anderen!» oder «Das mach ich nicht. Das gehört nicht zu meinem Aufgabenbereich!» giesst man nur unnötig Öl ins Feuer, was im Falle eines Mitarbeiter-Chef Verhältnisses dazu führen kann, dass einem Arbeitsverweigerung und Faulheit vorgeworfen werden. Das kann womöglich schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen. Wer sachlich und nüchtern Nein sagt, kommt damit in der Regel besser an, als jemand, der sich zu emotionalen Wutausbrüchen oder gar persönlichen Angriffen verleiten lässt. Ein solches Verhalten beeindruckt und macht den Bittsteller offener, ein Nein zu akzeptieren. Ebenfalls eine gute Möglichkeit dem Nein den Stachel der Verbissenheit zu nehmen, ist es, seine Abfuhr mit Humor zu verpacken, so dass sie leichter verdaut und akzeptiert werden kann. Dies ist aber selbstverständlich nicht immer möglich und muss je nach Situation spontan entschieden werden.


Wir alle möchten geliebt werden, suchen Anerkennung im Beruf, wollen dazugehören und haben das Bedürfnis, gebraucht zu werden. Und vor allem wollen wir nicht als Egoisten verschrien und ausgegrenzt werden. Wer deswegen aber den Weg des geringsten Widerstandes wählt und immer und überall Ja sagt, wird zwar niemals anecken, führt damit aber ein fremdbestimmtes Leben. Er richtet sein Augenmerk nur darauf, den anderen zu gefallen. Sowohl Nein als auch Ja sagen haben ihren Preis. Es liegt an jedem einzelnen von uns, ob wir unser Leben nach den Wünschen der anderen ausrichten oder uns und unsere Bedürfnisse ernst nehmen und darum ab und zu auch Nein sagen. Denn es ist nicht unbedingt erstrebenswert und schon gar nicht karrierefördernd «Everybody’s Darling» zu sein.


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