«Die Anforderungen an das Diplom sollten erhöht werden»

Was wurde aus den Absolventen der Berufsprüfung Informatik (Fachausweis) und der höheren Fachprüfung Informatik (Diplom)? Heute: Thom Küng, Teamleiter bei Julius Bär.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/05

     

Thom, gib uns bitte einen kurzen Überblick über deine Ausbildung und Weiterbildung sowie deinen beruflichen Werdegang.
Ich habe eine Lehre mit Berufsmatura als Chemielaborant absolviert und einige Zeit an der Uni Irchel im Chemiebereich gearbeitet. Danach bin ich in die IT gewechselt und habe 1997 die Ausbildung zum Fachausweis Wirtschaftsinformatik gestartet und 1999 mit dem Diplom Wirtschaftsinformatik abgeschlossen. Während der Ausbildung habe ich in der Softwareentwicklung gearbeitet.
Nach dem Diplom zum Wirtschaftsinformatiker habe ich ein Nachdiplom mit den Schwerpunkten Personal-Marketing und Finanzplanung besucht. Dieses Nachdiplom diente mir als Ergänzung zum Diplom Wirtschaftsinformatiker, da ich mich nach der Ausbildung zum Wirtschaftsinformatiker in diesen Bereichen noch nicht richtig fit gefühlt habe. Beruflich habe ich mich verändert und bin nun bei der Bank Julius Bär Teamleiter eines Entwicklungsteams für eine bankenspezifische Software. Im Juni 2009 habe ich mit einem MAS in Human Systems Engineering gestartet, das ich voraussichtlich im 2011 abschliessen werde.

Was hat dich damals zu deinem Ausbildungsgang bewogen?
Nach der Lehre als Chemielaborant war ich für drei Monate am Informatik-Tech. Ich war aber nicht mehr bereit, den Aufwand für eine Vollzeitausbildung zu tragen und entschied mich für den Fachausweis Wirtschaftsinformatik. Dies konnte ich berufsbegleitend absolvieren, um mir fundiertes Informatik-Know-how bezüglich Methoden und Techniken anzueignen.
Das Diplom in Wirtschaftsinformatik war die logische Weiterführung des Fachausweises, da es einerseits beim Diplom darum ging, das Gelernte zu verknüpfen und anzuwenden und andererseits, um weiterführende Themen wie Strategie und Mitarbeiterführung zu erarbeiten.


Hast du eine bestimmte Fachrichtung gewählt?
Als ich die Ausbildung absolviert habe, gab es noch keine Fachrichtungen. Ich bin Wirtschaftsinformatiker, also Generalist, aber auch wenn es zu dieser Zeit Fachrichtungen gegeben hätte, hätte ich mich sicher für den Wirtschaftsinformatiker entschieden.


Hattest du einen konkreten Traumjob während der Ausbildung vor Augen?
Ich wollte schon immer in einem Softwareentwicklungsunternehmen massgeblich an der Nachhaltigkeit der entstehenden Lösung beteiligt sein. Ich stehe für Nachhaltigkeit ein, mit einer Portion gesundem Menschenverstand.


Welche Qualifikationen, die du in der Ausbildung erworben hast, haben dir am meisten beim Erreichen deiner beruflichen Ziele genützt?
Im Fachausweis haben mir vor allem die Methoden und Techniken geholfen meine beruflichen Ziele zu erreichen. Im Diplom konnte ich vom Problemlösungszyklus und der Fähigkeit, auf der Metaebene ein Problem zu abstrahieren, profitieren. Die Ausbildung war sehr praxisorientiert: Wir haben mit Hilfe von praktischen Fallbeispielen Lösungen erarbeitet. Diese Fallbeispiele haben dazu beigetragen, den eigenen Horizont zu erweitern. Es gab nicht eine klare Musterlösung - die Lösung musste erarbeitet werden. Diese Art Stoff zu vermitteln, hat mich gut auf die Tätigkeiten in der IT vorbereitet und unterstützt.

Deine positiven Erlebnisse während der Ausbildung?
Ich kann mich gut an befruchtende Diskussionen mit Mitstudierenden wie auch Dozenten erinnern. Dabei sind langjährige Freundschaften entstanden, die bis heute halten.


Was hat dir besonders Spass gemacht, was nicht?
Mir macht es besonders Spass zu lernen und Neues kennenzulernen. Der eigene Horizont wird auch durch die Menschen, die man während der Ausbildung kennenlernt, ständig erweitert. Aber alles im Zusammenhang mit Buchhaltung hat mir überhaupt keinen Spass gemacht. Mit Hilfe des Fachausweises und des Diploms konnte ich mir ein gutes Fundament erarbeiten, auf dem ich im Nachdiplom aufbauen konnte. So ist für mich aus dem Puzzle Buchhaltung ein komplettes Bild entstanden.

Warst du mit der Wahl der Ausbildung zufrieden? Kannst du sie weiterempfehlen?
Ich bin mit der Ausbildung zum Wirtschaftsinformatiker zufrieden und würde sie jederzeit wieder machen. Durch die Reformierung des Diploms ist jedoch bei mir der Eindruck entstanden, dass das Prüfungsniveau gesunken ist. Ein Absolvent des Diploms wird meiner Meinung nach nicht mehr als gleichwertig mit einem Fachhochschulabsolventen wahrgenommen. Um dies zu verhindern, sollten die Anforderungen an das Diplom erhöht werden.


Kannst du etwas bezüglich des Aufwandes und des Ertrages der Ausbildung sagen?
Der Aufwand für Fachausweis und Diplom hat mir jederzeit erlaubt, Vollzeit zu arbeiten, obwohl der Aufwand für das Diplom merklich höher war als für den Fachausweis.

In deinem Job brauchst du sicher auch Kompetenzen wie Verhandlungsgeschick oder Empathie. Wo sollte man diese Fähigkeiten erlernen?
Ich habe während der Ausbildung zum Samariterlehrer viel bezüglich Sozialkompetenz vermittelt bekommen. Diese Kompetenzen habe ich dann in meinen beruflichen IT-Alltag übertragen. Meiner Meinung nach müssten bereits im Fachausweis Themen wie Selbstwahrnehmung, das Erkennen von eigenen Grenzen, Feedbackkultur und Kommunikation wie zum Beispiel die Regel, dass der Empfänger den Inhalt einer Nachricht bestimmt, geschult werden. Im Diplom sollten dann Themen wie Metakommunikation, Moderation, die Fähigkeit, alltägliche zwischenmenschliche Probleme am Arbeitsplatz lösungsorientiert angehen zu können, geschult werden.


Welchen Tipp hast du für künftige Absolventen?
Ich finde es gut und wichtig, dass man sich stets weiterbildet. Ich rate jedoch allen Interessenten, sich genau zu informieren, welche Weiterbildung für sie die beste ist. Und natürlich darf man den gesunden Menschenverstand nie abschalten!

Interview: Michèle Wiederkehr, Geschäftsführerin von I-CH Informatik Berufsbildung Schweiz AG. I-CH - Informatik Berufsbildung Schweiz AG zeichnet verantowrtlich für die Inhalte, Positionierung und Durchführungen der Berufs- und höheren Fachprüfungen in Informatik. http://www.i-ch.ch





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