Wetterbericht für die Hosentasche

Mit iWeather.ch hat die Schweizer Softwareschmiede Ergon erstmals eine Software für das iPhone von Apple entwickelt. Rentabel ist das, zumindest im Moment, noch nicht.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/11

     

Mit iWeather.ch, einer mobilen Wetterapplikation, hat sich der Zürcher Softwareanbieter Ergon Informatik in das Gebiet der iPhone-Applikationen vorgewagt und eine in ihrer Funktionstiefe bemerkenswerte Applikation für das Kultgerät von Apple entwickelt. iWeather.ch zeigt für 70 Wetterstationen in der Schweiz das aktuelle Wetter, einen Film mit dem Niederschlagsradar der letzten 40 Minuten und die stundengenaue Wetterprognose für die nächs-ten 7 Tage. Weiter bietet das Programm die Windprognosen für die nächsten 12 Stunden und mehrere regionale Thermikprognosen. Die Wetterdaten stammen von MeteoSchweiz und die lokalen Wetterprognosen von Meteoblue aus Basel. Auch das Lawinenbulletin des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos wird angezeigt.



Ausloten eines neuen Geschäftsfeldes

Für eine Firma mit Fokus auf Geschäftsapplikationen gibt es diverse Motive, ein Produkt für das hauptsächlich im Consumer-Umfeld verbreitete Smartphone zu lancieren. Einerseits bietet das iPhone eine interessante Plattform, die insbesondere in Sachen Benutzerfreundlichkeit ihresgleichen sucht, andererseits erschliesst sich mit dem App Store ein einfach zugänglicher, weltweiter Marktplatz mit grossem Potenzial. Zudem hat Ergon bereits zehn Jahre Erfahrung mit Mobile-Applikationen. Mit «Youtrade on Palm» für die Credit Suisse lancierte Ergon im Jahr 2000 die erste transak-tionsorientierte Java-Applikation auf einem mobilen Gerät. Seit 2005 unterstützt ein mobiles Gerät mit Ergon-Software die 2000 Zugbegleiter der SBB bei der täglichen Arbeit.


Bei der Entwicklung des ersten iPhone-Programms stand nicht der finanzielle Aspekt im Vordergrund, sondern die Neugier auf Neues. Es ging darum, neue Technologien und mit dem App Store eine neue Plattform für den Software-Vertrieb auszuprobieren und kennen zu lernen sowie das Marktpotenzial solcher Applikationen auszuloten. Die Applikation sollte spezifisch auf den Schweizer Markt ausgerichtet werden, einen wertvollen Inhalt bieten und nicht zu leicht zu kopieren sein. Ergon hat dank den Handy-Applikationen für MeteoSchweiz seit mehreren Jahren Erfahrung mit mobilen Wetter-Anwendungen. Zudem beschäftigt das Unternehmen viele sportbegeisterte Mitarbeiter. Für Gleitschirmpiloten, zu denen auch der Ergon-Geschäftsführer Patrick Burkhalter gehört, sind beispielsweise aktuelle Wind- und Thermikprognosen von grosser Bedeutung. So lag es nahe, eine mobile Wetter-applikation zu entwickeln.


Was gut ist, darf auch etwas kosten

Die Wetterdaten sind nicht ganz günstig. Deshalb – und um Erfahrungen mit dem App Store zu machen – hat sich Ergon bewusst für eine kostenpflichtige App entschieden und bietet iWeather.ch heute für 4.40 Franken an. Entsprechend hoch war denn auch der Anspruch an die Qualität des Services, der den Kaufpreis rechtfertigt und für die Anwender von zentraler Bedeutung ist.


Die Entwicklung einer iPhone-Applikation ist recht aufwendig. Eine grosse Herausforderung besteht darin, dass der Fokus bei Apple-Produkten deutlich auf die User-Experience ausgerichtet ist – das visuelle Erlebnis steht klar im Mittelpunkt und stellt hohe Ansprüche an die Aufbereitung der Meteo-Daten. Mit anderen Worten: Der Benutzer ist alles, der Entwickler nichts. Die Anwender entscheiden letztlich über Erfolg oder Misserfolg. Entsprechend hoch sind die Anforderungen, mit denen sich die Software-Entwickler konfrontiert sehen; entsprechend lehrreich sind aber auch die Erfahrungen, die sie bei dieser Arbeit sammeln können. Das Ziel von Ergon bestand darin, die Kosten für die lizenzierten Wetter-daten wieder hereinzuholen. Diesen ersten Test hat iWeather.ch klar bestanden: Bereits wenige Tage nach der Veröffentlichung war der Sprung auf Platz zwei in der Liste der hierzulande meistgekauften Applikationen geschafft. Bis heute läuft die Software auf rund 11’000 iPhones. Apple behält rund einen Drittel der eingespielten Beträge für sich. Dieser Abzug ist allerdings in Anbetracht der Möglichkeiten und im Vergleich zum klassischen Softwarevertriebsmarkt eher bescheiden. Die Einnahmen beliefen sich für Ergon von März bis September auf rund 30’000 Franken, die Kosten für die Daten kommen pro Jahr auf 15’000 Franken zu stehen.


Natürlich fehlen in der Rentabilitätsrechnung die Kosten für die Entwicklung der Applikation. Diese umfasste bis heute inklusive Ausbildung mehrerer iPhone-Entwickler etwa 225 Personentage. Da auf dem iPhone mit der spezifischen Apple-Entwicklungsumgebung Xcode entwickelt wird, war die Einarbeitungszeit für alle beteiligten Entwickler ähnlich – unabhängig davon, ob sie bereits Erfahrung mit mobilen Applikationen hatten. Zum Ergon-iPhone-Team gehört neben vier Ingenieuren auch einer der Applikationsentwickler-Lernenden von Ergon. Dank seiner Faszination am iPhone leistete er einen beachtlichen Beitrag an den zweiten iWeather.ch-Release. Fazit: Aus wirtschaftlicher Sicht hat sich die Entwicklung von iWeather.ch für Ergon bisher nicht gelohnt, aber als Forschungs- und Entwicklungsprojekt hat das Tool durchaus seine Berechtigung.


Grosses Potential ist vorhanden

Unrealistisch ist die Vorstellung, mit iPhone-Applikationen künftig Geld zu verdienen, dennoch nicht. Interessant ist die Betrachtung verschiedener Länder anhand des Spiels Flight Control, das etwa gleichzeitig wie iWeather.ch in den App Store kam. Im ersten Monat verkaufte sich Flight Control in der Schweiz mit 2400 Downloads fast gleich häufig wie iWeather.ch (2700 Downloads). Die Schweiz hat mit rund 300’000 iPhones im Vergleich zur Bevölkerung zwar viele Geräte im Umlauf – die Umsätze bei den kostenpflichtigen Applika-tionen sind jedoch relativ bescheiden. Flight Control ist international verfügbar und erzielte in der gleichen Zeit in Deutschland mit 700’000 iPhones 26’000 Verkäufe, in England bei 1,5 Millionen iPhones gar 97’000 und in den USA mit 14 Millionen iPhones 330’000 Verkäufe. In anderen Ländern wird pro iPhone folglich deutlich mehr Geld für Applikationen ausgegeben.


Potenzial ist weltweit also klar vorhanden. Deshalb will Ergon ihre iPhone-Projekte weiter vorantreiben. Geplant sind kontinuierliche Erweiterungen an der bestehenden Software. Ausserdem ist in Zusammenarbeit mit Meteoblue eine weltweite Wetterapplikation in Planung, um so auch die internationalen Märkte bedienen zu können.




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