Wie man Mitarbeiter richtig entlässt

Entlassungen sind eine delikate Angelegenheit, da sich dabei das wahre Gesicht des Arbeitgebers zeigt. Firmen, die etwas auf sich halten, trennen sich darum mit Fairness.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/10

     

Paul S. war seit zehn Jahren als Geschäftsführer eines globalen IT-Unternehmens tätig. Er war Mitte 50 und konnte auf eine langjährige und erfolgreiche Karriere zurückblicken. Er gehörte zu jenem Typus Mensch, den man in der Branche gemeinhin als Dinosaurier bezeichnet, und der sich bis jetzt noch über jede Krise hinwegretten konnte. Diesmal aber sollte alles anders kommen.


Es begann damit, dass die Umsätze innert Wochen um fast 30 Prozent einbrachen. Und dann wurde just in dieser Zeit in der Europazentrale auch noch sein Chef entlassen, mit dem er seit Jahren ein enges Vertrauensverhältnis pflegte. Mit dem neuen Vorgesetzten verstand er sich auf Anhieb nicht, hätten die beiden doch gegensätzlicher nicht sein können. Da war Paul S., ein erfahrener Manager, der Entscheidungen gerne aus dem Bauch heraus fällte. Und auf der anderen Seite war da ein technokratischer Jungmanager, für den die Mitarbeiter nichts weiter als ein Kostenfaktor auf einem Spreadsheet waren und die Gewinnmaximierung an erster Stelle stand. Sein Hang zur Effizienzsteigerung zeigte sich auch in der Art, wie er seine Nachrichten verfasste, jeweils nämlich möglichst kurz und sachlich. So dachte sich Paul S. deshalb nichts dabei, als er eines Abends eine dieser knackig formulierten Botschaften in seiner Mail-Box vorfand, die wie folgt lautete: «Bin morgen in Zürich! Bitte alle Termine canceln. Will mit dir den Forecast besprechen!»



Unerwartete Kündigung

Wie abgemacht, erschien sein Chef tags darauf bei ihm im Büro. Doch er kam nicht alleine, sondern zusammen mit der obersten HR-Chefin des Konzerns. Im Bruchteil einer Sekunde wusste Paul S., was nun auf ihn zukommen würde. Die eigentliche Entlassung dauerte schliesslich nur zehn Minuten. Er wurde darüber informiert, dass man ihn auf Grund der schlechten Wirtschaftslage nicht weiter beschäftigen könne. Dann musste er den Badge abgeben und innert zwei Stunden das Büro räumen. Während er seine persönlichen Gegenstände in eine Kiste packte, schwirrten Paul S. tausend Gedanken durch den Kopf. Er fühlte sich gekränkt und gedemütigt wie selten zuvor in seinem Leben. Er überlegte sich, wie er seiner Frau das Geschehene erzählen sollte. Und was sollten bloss seine Nachbarn über ihn denken, wenn sie erfuhren, dass er seinen Job verloren hatte? Er war wütend, dass man ihn wie einen lahmen Gaul vor die Tür spediert hatte, nachdem er noch vor sechs Monaten an einer Geschäftsleitungssitzung von seinem damaligen Chef für sein überdurchschnittliches Engagement in den höchsten Tönen gelobt worden war.


Als er sich erschöpft in seinen Bürostuhl fallen liess, beschlich ihn urplötzlich eine panische Angst. Er war jetzt 55 Jahre alt und hatte sich Stufe um Stufe ohne Studium im Unternehmen hochgearbeitet. Würde das alles genügen, um in der jetzigen Wirtschaftslage wieder einen Job zu finden?


Fehlende Trennungskultur

Gerade in der IT-Industrie scheint es mitunter zum guten Ton zu gehören, dass Mitarbeiter von einer Sekunde auf die andere entlassen werden. Ob das schnelllebige Informatik-Geschäft dafür verantwortlich gemacht werden kann oder der in vielen Firmen sehr amerikanisch geprägte Führungsstil, lässt sich schwer sagen. Tatsache aber ist, dass Leute, die ohne Vorwarnung auf die Strasse gesetzt werden, mit dieser Situation oft völlig überfordert sind. Es ist nicht verwunderlich, dass viele dieser so gedemütigten Mitarbeiter auf Rache schwören und beginnen, Interna auszuplaudern, den Arbeitgeber auf dem Markt schlecht zu machen, oder diesen gar wegen Abfindungszahlungen am Schluss noch vor Gericht zerren.


In vielen IT-Firmen existiert keine Trennungskultur. Personalchefs und Linienvorgesetzte sind gleichermassen überfordert, wenn es darum geht, einen Mitarbeiter mit Anstand zu entlassen. Was also müsste man besser machen?



Wahre Gründe bleiben verborgen

Ein Sprichwort besagt, dass nirgends so viel gelogen wird wie im Bett und beim Gehalt. Dieser Ausspruch trifft leider auch auf viele Kündigungsgespräche zu. So werden in Entlassungs-Interviews oft wirtschaftliche Gründe für die Trennung genannt, obwohl in der Mehrzahl der Fälle zwischenmenschliche Probleme die Ursache für die Trennung sind. Gemäss einer Studie des Schweizer Outplacement-Unternehmens Grass & Partner wurden im Jahre 2008 33 Prozent der Kadermitarbeiter entlassen, weil die Chemie nicht stimmte.


Aus einem falsch verstandenen Anstandsgefühl heraus und wohl nicht zuletzt auch deshalb, weil man Konflikten aus dem Weg gehen möchte, werden solche zwischenmenschlichen Konflikte allerdings im Entlassungsgespräch meist nicht thematisiert. Durch diese Verschleierungstaktik wird dem Mitarbeiter die Möglichkeit genommen, sein eigenes Verhalten zu überdenken und daraus allfällige Lehren zu ziehen.


Manchmal kommt es auch vor, dass Mitarbeiter während eines Trennungsgespräches in der Hoffnung gestärkt werden, sie könnten sich während der Kündigungsfrist intern um eine neue Stelle bemühen. Diese Option ist in den allermeisten Fällen nichts weiter als Augenwischerei, insbesondere dann, wenn das Verhältnis zwischen Chef und Mitarbeiter der ausschlaggebende Grund für die Trennung war. Diese Tatsache wird es dem Mitarbeiter nahezu verunmöglichen, einen neuen Job im eigenen Unternehmen zu ergattern. Denn vor einer erneuten Anstellung wird der neue Vorgesetzte mit Sicherheit das informelle Gespräch mit dem alten Chef suchen, bei dem dann die wahren Gründe klar und deutlich genannt werden, die zur Auflösung des Arbeitsvertrages geführt haben. Viele Entlassene jedoch klammern sich an solche vagen Versprechungen, was dazu führt, dass sie sich vom alten Arbeitgeber nicht abnabeln können und somit nicht wirklich offen sind für eine berufliche Neuorientierung.


Schnell auf den Punkt kommen

Aber nicht nur inhaltlich, sondern auch formal sollte man sich bei einem Trennungsgespräch an gewisse Regeln halten. So sollte die eigentliche Kündigung möglichst innerhalb der ers-ten fünf Minuten ausgesprochen werden. Ein Gelaber, um die Stimmung zu verbessern, ist fehl am Platz. Ebenfalls sollte man sich nicht hinter nächsthöheren Dienststellen verstecken und als Vorgesetzter auch in einer solch schwierigen und unangenehmen Situation die Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen und zu seiner Entscheidung stehen. Ein gutes Kündigungsgespräch bedarf also einer seriösen Vorbereitung, an der es leider mitunter selbst in etablierten Grossunternehmen mangelt.



Unterstützung des Entlassenen

Eine Möglichkeit, einen Mitarbeiter im Ablösungsprozess von seinem alten Arbeitgeber zu begleiten und ihn für den Arbeitsmarkt wieder fit zu machen, ist das sogenannte Outplacement.


Dabei wird in der Regel eine externe Outplacement-Firma damit beauftragt, den Mitarbeiter über einen Zeitraum von mehreren Monaten zu unterstützen. Hier wird zunächst zusammen mit dem Kandidaten eine Standortbestimmung durchgeführt, die Gründe der Kündigung analysiert und Bilanz in Bezug auf die bisher erbrachten Leistungen und Erfolge gezogen. In einem zweiten Schritt wird nun eine individuelle Marketingstrategie für den Kandidaten entwickelt. Diese soll dann in einem nächsten Schritt dazu führen, dass der Betroffene wieder in den Arbeitsprozess integriert werden kann.


Auch wenn in der IT-Branche Outplacements noch wenig verbreitet zu sein scheinen, täten Unternehmen doch gut daran, auch diese Form der Nachbetreuung bei einer Mitarbeiterentlassung in Betracht zu ziehen. Denn Firmen, die sich von ihren Mitarbeitern mit Anstand trennen, setzen damit sowohl ein Zeichen gegen innen als auch gegen aussen und vermitteln damit das Bild eines seriösen Arbeitgebers. Fairness ist eine Tugend, die gerade in einem so sensiblen Bereich wie der Mitarbeiterentlassung oberste Priorität haben sollte. Mit Augenwischerei, Ausflüchten und Hauruckpraktiken entledigt man sich zwar schnell und elegant eines unliebsam gewordenen Angestellten. Doch andererseits kann eine solch unbedachte und ethisch fragwürdige Vorgehensweise langfristig sehr negative Konsequenzen haben und den Ruf einer Firma im Markt nachhaltig schädigen oder sogar für immer zerstören.





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