Ausser Touchscreens wenig Neues in Barcelona

Wie jedes Jahr versammelte sich im Februar die Mobilfunk-Elite am Mobile World Congress. Der Fokus 2009 lag auf Touchscreen-Smartphones. Sensationen aber fehlten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/03

     

Mehr als 1300 Aussteller hatten sich für den diesjährigen Mobile World Congress in Barcelona angekündigt. Die Gastgeberin GSM-Association (GSMA) erwartete über 50’000 Besucher. Im Vorfeld des Treffens der Mobilfunkgrössen häuften sich die Spekulationen über mögliche neue Smartphones und andere Ankündigungen im Mobilfunkmarkt. So machten Gerüchte die Runde, dass sowohl Dell als auch Acer ein eigenes Smartphone präsentieren werden, während Samsung ein Android-Gerät vorstellen sollte. Auch von einer Dual-SIM-Card war die Rede. Doch was hat sich bewahrheitet und was nicht?



Samsung noch ohne Android

Ein auf Googles Android basierendes Smartphone suchte man bei Samsung sowie auch bei Sony Ericsson vergeblich. Dafür reihte sich Samsung mit «Blue Earth» in die Reihe der Hersteller solarbetriebene Mobiltelefone ein. Diese waren einer der Renner des diesjährigen Mobile World Congress in Barcelona. Nebst Samsung stellten auch LG sowie die eher unbekannten Unternehmen ZTE und Intivation solarbetriebene Mobiltelefone vor.


Die Rückseite des Blue Earth Phone von Samsung ist mit Solarzellen bestückt, die den Akku aufladen. Zudem besteht das Smartphone aus einem recycelten Kunststoff namens PCM, der aus alten Wasserflaschen gewonnen wird. Zudem wird bei der Fertigung auf giftige Stoffe wie Flammschutzmittel und Weichmacher verzichtet. Das Gerät soll in der zweiten Jahres-hälfte erhältlich sein.


Auch Sony Ericsson präsentierte kein Android-Smartphone, ebenso fehlte ein frisches Xperia-Modell. Das W995 war das einzige neue Produkt, das der Handy-Hersteller anlässlich des Mobile World Congress vorstellte. Selbst dies ging aber angesichts von «Idou» unter, einem Prototypen eines künftigen Symbian-Smartphones. Das Gerät soll mit einem 3,5-Zoll-Touchscreen ausgerüstet sein und die Vorzüge aller Walkman- und Cybershot-Mobiltelefone von Sony Ericsson vereinen. Wie sich das hinter Glas gezeigte Gerät bedienen lässt, wurde aber noch nicht verraten. Ein erstes Produkt der Idou-Reihe soll in der zweiten Hälfte 2009 lanciert werden.


Ein Smartphone mit Android-Betriebs-system stellte derweil General Mobile vor. Interessant am DSTL1 dürften aber vor allem die zwei SIM-Karten sein, das Gerät ist so gleichzeitig unter zwei Telefonnummern erreichbar. Bedient wird das Dual-SIM-Mobiltelefon über einen Touchscreen, der interne Speicher fasst 4 GB. Auf schnelle 3G-Datendienste muss der Anwender aber verzichten, General Mobile hat lediglich EDGE, WLAN und Bluetooth verbaut. Das Gerät kommt im dritten Quartal 2009 auf den Markt, Angaben zum Preis wurden keine gemacht. Ein weiteres Android-Smartphone stellte Huawei vor. Das Design verantwortet eine externe Beratungsfirma und orientert sich stark an Apples iPhone. Das Gerät befindet sich laut Huawei noch in der Entwicklung und soll im dritten Quartal lanciert werden. Nebst aktualisierten Versionen der Smartphones Touch Diamond und Touch Pro-Smartphones präsentierte HTC auch den Nachfolger des ersten Android-Gerätes G1. «HTC Magic» ist bei Vodafone ab April erhältlich. Punkto Leistung hat sich nicht viel verändert. Dafür besitzt Magic keine ausschiebbare Tastatur mehr und ist leichter. Das Touchscreen-Gerät kann zudem auch via Trackball gesteuert werden.


Microsoft auf Apples Spuren

Auch Microsoft fehlte am Mobile World Congress nicht. Als Nachfolger von Windows Mobile 6.1 und als Zwischenstufe zu der für 2010 angekündigten Version 7 präsentierten die Redmonder Windows Mobile 6.5. Die neuste Fassung des mobilen Betriebssystems soll Anwendern bezüglich E-Mail oder Kalender eine Dashboard-ähnliche Erfahrung ermöglichen. Zudem sei die Touchscreen-Oberfläche verbessert worden, was die Bedienung per Finger vereinfachen soll. Ausserdem verfüge das Betriebssystem über eine aktualisierte Version des mobilen Internet Explorer, der bis zu 48 Prozent schneller sei als andere Browser.


Zusammen mit den Partnern HTC, LG und Orange stellte Microsoft-CEO Steve Ballmer denn auch gleich Windows Phones auf Basis von Windows Mobile 6.5 vor, inklusive neuer Software und zweier neuer Services: My Phone und Windows Marketplace for Mobile. My Phone ermöglicht, ähnlich wie Apples Dienst MobileMe, die Sicherung von Daten wie beispielsweise Kontakten, Kalendereinträgen oder Fotos. Synchronisiert wird, auf Wunsch automatisch, via Internet. Aktuell ist My Phone allerdings erst in einer Beta-Version für ausgewählte Nutzer verfügbar. Windows Marketplace for Mobile stellt derweil mobile Applikationen für die Mobiltelefone bereit, ganz im Stil von Apples AppStore.



Acer mit und Dell ohne Smartphone

Acer verkündete am Mobile World Congress —wie bereits erwartet — seinen Einstieg ins Smartphone-Geschäft. Laut CEO Gianfranco Lanci war dies «ein grosser Tag für Acer». Im Laufe des Jahres sollen mehr als zehn Smartphones mit Windows Mobile veröffentlicht werden, acht davon wurden in Barcelona bereits präsentiert. Die ersten vier Smartphones der Produktreihe «Acer Tempo» werden im März und April veröffentlicht. Den Anfang machen die für Geschäftskunden entwickelten Acer M900 und F900, die beide mit einem 3,8-Zoll-Bildschirm ausgestattet wurden. Zudem verfügen die Geräte über GPS, HSDPA und WLAN. Das M900 verfügt zusätzlich noch über eine ausziehbare Tastatur. Vor allem für Privatanwender gedacht ist das X960, das Acer mit einem 2,8-Zoll-Touchscreen ausgerüstet hat. Das vierte Smartphone ist, wie auch das Gerät von General Mobile, ein Dual-SIM-Mobiltelefon und unterstützt HSDPA und EDGE. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Neuentwicklung von Acer, sondern vielmehr um ein Smartphone aus dem Programm des im März 2009 übernommenen E-Ten.


Vor dem Mobile World Congress hiess es von verschiedenen Seiten, dass auch Dell im Smartphone-Bereich kurz vor dem Durchbruch stehe. Entwickler würden seit einem Jahr an entsprechenden Geräten arbeiten und bereits erste Prototypen auf Basis der beiden Betriebssysteme Android und Windows Mobile produziert haben. Auch genaue Angaben über die Modelle wurden gemacht. So sollte eines der Smartphones dem iPhone ähneln und über einen Touchscreen verfügen, ein anderes sollte ein Slider mit ausziehbarer Tastatur sein. Doch diese Spekulationen erwiesen sich als falsch, Dell präsentierte in Barcelona keine Smartphones.



Toshiba bricht Temporekord

Wie bereits im Voraus angekündigt, präsentierte Toshiba sein mit einem Snapdragon-Chipsatz von Qualcomm ausgerüstetes Smartphone TG01. Die Taktrate von Snapdragon liegt bei über 1 GHz. Toshiba liefert also das erste Gerät mit einer solch hohen Taktrate. Als Betriebs-system kommt Windows Mobile 6.1 zum Einsatz. Zudem verfügt das TG01 über einen 4,1-Zoll-Touchscreen und überragt damit bezüglich Display-Grösse selbst das iPhone oder HTCs Touch HD. Wie Toshiba-Vize Hisatsugu Nonaka bei der Vorstellung des Smartphones meinte, habe man beim TG01 «die besten Technologien aus den Bereichen Handy und LCD-TVs kombiniert». In Europa wird das TG01 im Sommer erhältlich sein, der Preis ist noch nicht bekannt.



Einheitliche Ladegeräte für alle

Erfreulich war die Bekanntgabe der Branchen-organisation GSMA und 17 grosser Hersteller, dass es künftig für alle Mobiltelefone ein einheitliches Ladegerät geben wird. Auf Druck der EU-Kommission will man bis 2012 ein Universalladegerät auf den Markt bringen. Als Basis dient voraussichtlich die Micro-USB-Schnittstelle. Das künftige Ladegerät soll weniger Strom verbrauchen als aktuelle Lösungen. Zudem können Mobiltelefon und Ladegerät erstmals separat verkauft werden, womit sich viel Industriemüll vermeiden lässt. Laut GSMA sollen so rund 50 Prozent weniger neue Ladegeräte verkauft werden, und der Ausstoss von Treibhausgasen würde um bis zu 22 Millionen Tonnen pro Jahr gesenkt.



In Kürze

· Apples iPhone bleibt das Nonplusultra im Smartphone-Bereich.


· Smartphone-Hersteller setzen auf Touchscreens und grosse Bildschirme.


· Eigene Services und App-Stores gewinnen an Bedeutung.


· Googles Android fristet bislang eher ein Schattendasein.

(abr)


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