Vollwertiger Online-Fernunterricht im digitalen Klassenzimmer
Quelle: Academic Gateway

Vollwertiger Online-Fernunterricht im digitalen Klassenzimmer

Die Privatschule Academic Gateway wollte per August das Online-Gymnasium für die Matur lancieren. Wegen der Corona-Krise wurde der Launch nun vorgezogen. Fast 160 Schüler werden nun im virtuellen Klassenzimmer unterrichtet.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2020/04

     

Schweizweit sind alle Bildungseinrichtungen wegen Corona geschlossen. Kantone und Schulen probieren unterschiedliche Lösungen für Fernunterricht aus. Fakt ist aber: Die Digitalisierung des öffentlichen Bildungssystems ist nicht so weit fortgeschritten, wie es heute möglich und nötig wäre. Dass Online-Fernunterricht im digitalen Klassenzimmer funktionieren kann, demonstriert die Zürcher Privatschule Academic Gateway.


Hier gab keinen Tag Unterbrechung nach der Verkündung der Schulschliessungen. 26 Lehrpersonen unterrichten aktuell fast 160 Schüler – im Rahmen eines vollintegrierten Online-Fernunterrichts, der obligatorischem Präsenz-Unterricht faktisch gleicht. Dabei sehen und hören sich Schüler und Lehrpersonen im virtuellen Klassenzimmer. Zusätzlich gibt es, nach universitärem Vorbild, online auch Kleinklassen-Unterricht. Die Lösung ist webbasiert und bedarf keiner Vorinstallation. In diesem virtuellen Campus ist die direkte Interaktion zwischen Schülern und Lehrern immer gewährleistet, in Echtzeit. Lektionen werden aufgezeichnet und auf einer E-Learning-Plattform geteilt. Diese E-Learning-Plattform dient ausserdem zum Teilen aller Unterrichtsdokumente und -inhalte; wie Stoff- und Semesterplänen, Skripts, Vorlesungsfolien, Aufgabenblättern, Musterlösungen, Erklärvideos, Multiple-Choice-Fragen, Podcasts, Prüfungen.

Die Lösung

Der digitale Fernunterricht kombiniert Live-, Video-Stream, Podcast sowie E-Learning. Technische Basis der Lösung ist eine selbstentwickelte Plattform, die gängige und markterprobte Tools und Systeme miteinander verbindet; wie Moodle, Newrow, Kaltura, Office 365, Escola. Ein Support-Team beantwortet technische und organisatorische Fragen von Schülern und Lehrpersonen innerhalb von 15 Minuten.

Moodle als objektorientiertes Kursmanagementsystem ist die zentrale Lernplattform; die gemeinsame Schnittstelle für Lehrpersonen, Schüler und die Schulleitung. Hier sind der Lernplan, die Lernziele, der Semesterplan und alle Unterrichtsmaterialen hinterlegt. Lehrpersonen koordinieren damit den Unterricht über Arbeitsaufträge. Arbeitsblätter, Folien, Musterlösungen oder Kurztests werden hier hochgeladen und regelmässig angepasst beziehungsweise überarbeitet.


Kaltura ist die Video-Plattform der Gesamtlösung. Jeder Unterricht wird über eine Deckenkamera (Pan-tilt-zoom), eine Spiegelung des Lehrerbildschirms und ein tragbares Mikrophon aufgezeichnet. Kaltura dient auch zum Aufzeichnen von Kurzvideos der Lehrer, zum Beispiel um Musterlösungen zu hinterlegen. Die Videos werden von einem Digital-Support-Team überarbeitet, in Kaltura hochgeladen und mit Moodle verlinkt. Mit Kaltura werden auch Podcasts erstellt und dann auf Moodle geteilt.

Via Newrow findet der interaktive Live-Unterricht in den digitalen Klassenzimmern statt. Schüler und Lehrer können Lerndokumente im virtuellen Klassenzimmer besprechen und bearbeiten. Für Gruppenarbeit kann die Lehrperson die Schüler für eine bestimmte Zeit in unterschiedliche virtuelle Räume aufteilen. Alle Lehrpersonen haben einen Visualizer zur Verfügung, damit im Online-Unterricht Lösungswege auch einfach auf einem Blatt Papier demonstriert werden können.

Escola ist ein CRM speziell für Schulen, zur Verwaltung schülerspezifischer Daten. Logt sich ein Schüler auf Newrow ein, erkennt Escola automatisch dessen Anwesenheit. Auch die Erledigung von Aufgaben und der Lernfortschritt werden erfasst, beispielsweise über Moodle erteilte Lernaufgaben oder in Newrow abgelegte Tests. In diesem Tool sind unter anderem alle Noten, das Feedback von Schülern und Lehrpersonen sowie Standortgespräche abgelegt.

Der Einsatz von Office 365 und von Freshservice machen die Lösung komplett. Fabrizio Fuchs, Geschäftsführer von Academic Gateway: «Der sichere Umgang mit der Office Suite ist eine grundlegende Fähigkeit, die heutzutage jeder Schüler verinnerlichen soll.» Freshservice ist eine Ticketing-Software, die für technischen Support jeglicher Art eingesetzt wird. Die gesamte E-Learning-Plattform läuft über Amazon Web Services.

Analoge Prozesse stringent digitalisiert

Academic Gateway bietet Matur in einem Jahr an und hat schon 2016 damit begonnen, ein virtuelles Klassenzimmer zu entwickeln. Geplant war, im August 2020 das schweizweit erste Online-Gymnasium für die Matur zu launchen. «Als die Schulschliessungen wegen Corona verkündet wurden, haben wir den Start unseres vollintegrierten, digitalen Klassenzimmers einfach vorgezogen», so Fuchs. «Innerhalb von zwei Tagen haben wir komplett auf das virtuelle Unterrichtsformat umgestellt.»

Technische Fragen waren bei der Entwicklung des digitalen Klassenzimmers nur bedingt eine Herausforderung. «Wir mussten zuerst unsere Lehrpersonen mit den Möglichkeiten bekannt machen und ihnen Vertrauen in digitales Arbeiten vermitteln. Und es mussten bewährte analoge Prozesse, didaktische und pädagogische Abläufe digitalisiert werden. Viel Zeit wurde in Schulungen der Lehrpersonen investiert.» Die technische Anwendung der einzelnen Applikationen war nicht das Problem. Die Benutzung ist einfach. «Im Vordergrund stand die Frage, wie wir einen einheitlichen Auftritt trotz unterschiedlicher Unterrichtsstile gewährleisten. Von der Ablage bis hin zur onlinefähigen Aufbereitung aller Lerninhalte», so Fuchs.


Durch klare Vorgaben wissen alle Lehrpersonen, welche Dokumente wo abzulegen sind. Alles wird in einem einheitlichen Design umgesetzt und präsentiert. Fuchs: «Unsere Lehrpersonen hatten schon seit Jahren den Auftrag, den Schulunterricht, alle Lektionen und alle Lerninhalte eins zu eins auf der E-Learning-Plattform zu spiegeln.» Ein Aufnahmesystem ermöglicht die Archivierung des gesamten Unterrichts und dient Schülern zur Repetition sowie zum Nachholen, falls krankheitsbedingt etwas verpasst wurde. Jede Lektion werde archiviert, ebenso der Vertiefungsunterricht in digitalen Kleinklassen. All diese Abläufe habe man selbst evaluiert, die Prozesse angeschaut beziehungsweise angepasst und eigenhändig implementiert. «Wir wollten von Anfang an ein virtuelles Klassenzimmer. Daran haben wir hart gearbeitet und auch eine Lösung gefunden. Das war aufwändig. Wir haben hier, als sehr junge Firma, über 10’000 Mannstunden investiert», so Fuchs.
Keiner Lehrperson habe es während der Entwicklung an Motivation gefehlt. Das sei nie ein Problem gewesen. «Aber jeder arbeitet anders. Hier haben wir angesetzt. Es gab Schulungen, Richtlinien und Vorlagen, es gab didaktische und technische Unterstützung. Uns war immer klar, dass wir die Menschen mit den Möglichkeiten vertraut machen müssen», so Fuchs. Bei den Schülern war das etwas einfacher. Altersgemäss sind ihnen digitale Angebote vertrauter. Wenn die technischen Voraussetzungen passen, seien die Tools nicht das Problem. Fuchs: «Herausfinden mussten wir, wie man das Nutzererlebnis optimiert: pädagogisch, didaktisch – und nur gelegentlich auch technisch.»

Es gibt zwei wesentliche Unterschiede zum Unterricht in der normalen Schule: Die Schüler sind physisch nicht anwesend. Wenn sie nicht wollen, loggen sie sich nicht ein oder hören einfach nicht zu. «Klar – das gibt es, passiert bei uns aber sehr selten. Unsere Schüler sind motiviert und wollen lernen. Sie sind froh, dass wir während dieser Corona-Krise den gewohnten Unterricht gewährleisten», sagt Fuchs. Der zweite Unterschied: Klassisches E-Learning, wie es Universitäten seit Jahren praktizieren, setze sehr viel Selbstdisziplin voraus. Denn der Student muss sich seinen Stoff überwiegend selbst aussuchen und beibringen. Hier mache es Sinn, wenn sich Schüler oder Studierende miteinander in Kleingruppen vernetzen und gemeinsam lernen. Das fördere die Motivation.

Lerninhalte gratis während Corona-Krise

«Meines Wissens macht keine andere Grund-, Sekundar- oder Matur-Lehranstalt in der Schweiz einen vollwertigen Online-Unterricht», sagt Fuchs. Academic Gateway ist daher bereit, die eigene Lösung auch anderen Schulen zur Ver­fügung zu stellen. «Die technische Lösung, nötige Tools und unsere Erfahrung stehen zur Verfügung.» Die Voraussetzungen sind einfach. Lehrpersonen haben digitales Unterrichtsmaterial. Es müssten Schulungen stattfinden, das ginge online. Dafür, so Fuchs, würden etwa 14 Tage reichen. Dann braucht es auf beiden Seiten – Lehrpersonen wie Schülern – eine funktionierende Internetverbindung, einen Rechner mit Kamera sowie Mikrofon.


Fuchs geht noch einen Schritt weiter: «Schülerinnen und Schüler öffentlicher Lehreinrichtungen können ab sofort unser E-Learning gratis nutzen. Wer sich bei Academic Gateway meldet, bekommt – solange alle Schulen geschlossen sind – einen kostenlosen Zugang zu unseren digitalen Lernmaterialien. Ideal ist das vor allem für jene, die bald die Maturprüfungen ablegen müssen.» Interessierte Schüler können sich unter der folgenden E-Mail-Adresse anmelden: soli@academic-gateway.ch (mw)


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