Von Ohnmacht zu Macht
Quelle: Swiss Made Software

Swiss Made Software

Von Ohnmacht zu Macht

Datenschutz ist zurzeit ein heisses Thema, bereitet aber nicht nur Bauchschmerzen. Das Start-up One.Thing.Less liess sich zu einer neuen Geschäftsidee inspirieren.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2018/07

     

"Was fällt ihnen eigentlich ein, so etwas anzubieten?" Aussagen wie diese musste sich James Aschberger, CEO und Mitgründer des Start-ups One.Thing.Less, zuletzt öfter anhören. Glücklicherweise ist das aber nur ein Teil des emotionalen Spektrums, den seine Geschäftsidee seit dem 25. Mai auslöst. "Wir hatten deutlich mehr positive Reaktionen sowohl von Unternehmen wie auch Privatpersonen", so Aschberger.


Auslöser war das Inkrafttreten der neuen Datenschutz Grundverordnung (DSGVO) innerhalb der Europäischen Union. In Bezug auf digitale Personendaten legt dieses neue Gesetz nämlich erstmalig deutlich mehr Rechte in die Hände aller EU-Einwohner. Um diesem Anspruch Nachdruck zu verleihen, drohen Bussen von bis zu vier Prozent des Vorjahresumsatzes. Das ist einmalig auf der Welt. Ob das Gesetz hält, was es verspricht, wird die Umsetzung in den nächsten Jahren zeigen. Trotzdem sorgt es schon jetzt für Wirbel.

Was macht ihr mit den Daten?

One.Thing.Less positioniert sich hier als Vermittler zwischen Privatpersonen und Unternehmen. Zum Einsatz kommt dafür eine Smartphone-App, die es erlaubt, automatisiert mit einzelnen Unternehmen in Kontakt zu treten. Sieben ausgeklügelte Fragen verlangen Antworten nach Datenverarbeitung und -speicherung, zu welchen Zwecken sie verwendet werden, ob sie verkauft oder durch Informationen von Dritten angereichert werden.

Die Anfrage wird mit einem Zeitstempel versehen und dient somit auch gegenüber Behörden als Beweis einer legitimen Anfrage. Binnen 30 Tagen muss eine Reaktion erfolgen. Wer schweigt, riskiert eine Anzeige durch die Privatperson.


Um die Professionalität der Dienstleistungen zu untermauern, wurden die Services, Organisation und Kontrollen von Ernst&Young auditiert. "Damit zeigen wir Privatpersonen, aber vor allem Unternehmen klar, dass wir seriös sind", so Aschberger, der in dieser unabhängigen Bescheinigung einen wichtigen Differenzierungsfaktor sieht, der bei vielen Datenverarbeitern fehlt.

Geld verdienen will das Start-up über die Unternehmen, denen es eine standardisierte Schnittstelle für die Kommunikation mit dem Kunden anbietet, die den Anforderungen der DSGVO entspricht. Denn gerade jetzt geht es zunächst weniger um Compliance als um Reputation. Ignorieren Unternehmen die Anfragen und somit die neuen Rechte ihrer Kunden oder geben nicht gesetzeskonform Auskunft, droht ein PR-Desaster.

Gespräche auf Vorstandsebene

"Wenn das Thema nicht relevant wäre, würden wir als Start-up kaum zwei Tage nach dem Start Gespräche auf Vorstands­ebene mit Unternehmen führen, die 50 bis 100 Milliarden Umsatz machen", erzählt Aschberger. Dass da der eine oder andere etwas ruppig ist, liegt in der Natur der Sache.

Für die Schweiz ist das Thema aus zwei Gründen relevant: Erstens steht die Revision des heimischen Datenschutzgesetzes an, die im Schatten der EU erfolgt. Zweitens reicht es für Schweizer Unternehmen, Kunden aus der EU zu haben, um der DSGVO zu unterliegen. Ausserdem sieht Aschberger im "Swiss Made" einen Qualitätsgaranten und ein gutes Verkaufsargument für die EU.
Nach Ablauf der ersten Fristen will das Unternehmen Leaderboards publizieren, um zu zeigen, welche Unternehmen wie zeitnah reagieren. Das dürfte auch Datenschutzbehörden interessieren. Anstatt in der Flut der Einzelbeschwerden unterzugehen, ist es praktischer, bei Vermittlern wie One.Thing.Less anzuklopfen. Diese können klar sagen, ob es Unternehmen gibt, die besonders häufig nicht reagieren, deren Verstoss also möglicherweise systematisch ist und die deswegen in der Prioritätsliste der Aufsichtsbehörden an oberste Stelle gehören. Es bleibt spannend.


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